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© Katharina SCHIFFL

„Rückverfolgbarkeit wird immer stärker zu einem Wettbewerbsthema“

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 14.02.2023 - 11:10

KEYaccount: Vor einem halben Jahr schon hätte die Weitergabe von Informationen über die Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelunternehmen gesetzlich verankert werden sollen. Was hat sich seither hier getan?

Gregor Herzog: Insgesamt hat die Regierung drei Verordnungen vorgelegt, die aber alle zurückgezogen worden sind. Das ist ungewöhnlich. Nun ist wieder eine Verordnung in Aussicht gestellt worden. Den Inhalt dieser Verordnung kennen wir aber noch nicht. Wir müssen also abwarten, was sich hier tut. Das Thema ist sozusagen aktuell on hold.

Was aber fix kommt, ist das Thema Einwegpfand. Dieses wird in Österreich 2025 umgesetzt werden. Welche Rolle spielt hier GS1 Austria?

Hier geht es ja vor allem darum, die Sammelquoten von PET-Flaschen zu erhöhen. Eine entsprechende Pfandgesellschaft befindet sich bereits in der Gründungsphase. Beim Einwegpfand ist natürlich entscheidend, dass die entsprechenden Flaschen auch von den Maschinen erkannt werden. Hier wird GS1 Austria eine große Rolle spielen. In Deutschland etwa liefert unsere GS1-Schwesternorganisation die Identifikationsnummern. Zwar hat heute bereits jede PET-Flasche eine globale Identifikationsnummer, aber zukünftig benötigt das Gebinde eine Nummer, die Österreich-spezifisch ist. Das heißt: Österreichische und internationale Erzeuger, die für den österreichischen Markt Chargen produzieren, müssen künftig jene Flaschen, die hierzulande bepfandet werden, mit einer entsprechenden Nummer versehen. So soll verhindert werden, dass Leute aus Ländern, in denen es kein Einwegpfand gibt, einen LKW mit leeren PET-Flaschen beladen und nach Österreich fahren, um Pfand zu kassieren. Einige Aspekte im Zusammenhang mit der neuen Pfand-Regelung sind spannend. So wird man zum Beispiel eine pfandpflichtige Flasche einer Rewe-Eigenmarke bei Spar oder Hofer zurückgeben können

Stichwort Kreislaufwirtschaft: Mit welchen Entwicklungen muss die Branche hier heuer rechnen? Bis 2025 müssen Recyclingquoten vor allem für Kunststoffverpackungen verdoppelt werden.

Es gibt einen aktuellen Verordnungsentwurf der EU zum Thema Circular Packaging, in dem es vor allem darum, geht, dass man künftig schon ins Design der Verpackung eine optimale Kreislauffähigkeit einbaut. Das geht so weit, dass sich die EU vorbehält, bestimmte Verpackungen, die sich nicht für die Kreislaufwirtschaft eignen, überhaupt zu verbieten. Auch geht es darum, das Thema Over-Packaging zu vermeiden, also dass zum Beispiel im Online-Handel durch übergroße Verpackungen nicht zu viel Luft oder Füllmaterial verschickt wird. Auch der EU-weite digitale Produktpass ist ein wichtiges Thema. Das betrifft aber im LEH vor allem Non Food-Produkte. Das bedeutet, dass genau ausgewiesen wird, aus welchen Komponenten ein Produkt besteht und wie diese im Laufe eines Lebenszyklus zu behandeln sind.

Bei Lebensmitteln spielt der digitale Produktpass zwar keine Rolle, dafür gibt es hier aber das Thema Rückverfolgbarkeit. Was tut sich in diesem Bereich?

Wir stellen schon fest, dass das Thema Rückverfolgbarkeit immer stärker zu einem Wettbewerbsthema wird. Klar, in einem hochkompetitiven Markt wie Österreich wird es für den LEH immer schwieriger, Wege zu finden, sich von den Mitbewerbern zu differenzieren. Die meisten Themen, wie etwa Eigenmarken, sind hier bereits ausgereizt. Auch mit Preisen kann man sich kaum noch abheben. Zusätzliche Dienstleistungen sind natürlich eine Möglichkeit. Aber wenn ich als Händler meinen Konsumentinnen und Konsumenten eine Möglichkeit der Rückverfolgbarkeit anbiete, dann kann ich mich von Mitbewerbern unterscheiden. In Deutschland bieten das zum Beispiel die Edeka sowie die Diskonter Aldi und Lidl bereits beim Fleisch-Sortiment an.

Wann werden eigentlich zweidimensionale Codes wie der QR-Code den guten alten Strichcode ablösen?

In manchen Branchen hat der 2D-Code den Strichcode bereits ersetzt. In Apotheken etwa wird bei verschreibungspflichtigen Medikamenten nur mehr ein zweidimensionaler Code verwendet, nämlich der sogenannte GS1 DataMatrix. Im Lebensmittelhandel ist die zwölfstellige GTIN oder EAN-Nummer, verschlüsselt im EAN-13 Strichcode, seit Jahrzehnten Standard. Es ist eine statische Nummer, die zum Beispiel auf jeder Manner-Packung immer gleich ist und daher auch automatisch auf jede Verpackung gedruckt werden kann. Würde man stattdessen einen zweidimensionalen Code verwenden, wäre das vor allem dann sinnvoll, wenn man mehr Informationen als nur die Artikelidentifikation reinpacken will. Man könnte zum Beispiel das Mindesthaltbarkeitsdatum, die Chargennummer oder Gewichtsangaben in den Code integrieren. Dann hat man als Unternehmen aber das Problem, dass man auf jeder Charge einen anderen Code drucken muss. Das würde den gesamten Produktionsprozess verändern. Und wir reden hier etwa im Mopro-Bereich von Milliarden produzierten Einheiten. Man könnte das über eine Etikettierung lösen. Aber das kostet natürlich alles Geld. Und es stellt sich auch die Frage: Wozu macht man das? Bei verschreibungspflichtigen Medikamenten ist die Antwort klar. Hier besteht der Gesetzgeber auf eine umfassende Rückverfolgbarkeit, um Fälschungen zu bekämpfen und somit die Patientensicherheit zu erhöhen. Im Lebensmittelbereich ist das anders. Hier reichen im Moment am POS noch als Info der Preis und die Artikelbeschreibung.

Das heißt, es müsste eine Revolution der Produktionslinien geben?

Ja, aber nicht nur das. Die Änderung müsste von außen kommen. Österreich ist ein kleines Land, in dem vor allem für den Export produziert wird. Wenn ich einem österreichischen Produzenten sage, er soll für den heimischen Handel künftig einen zweidimensionalen Code verwenden, dann muss er künftig unterschiedliche Chargen für das Inlands- und das Auslandsgeschäft fahren. Denn er wird auch in Länder exportieren, die weiterhin auf den Strichcode bestehen. Auch benötigt man für einen zweidimensionalen Code im LEH eine andere Kassatechnik als für den Strichcode. Eine Wachablöse kann hier also nur von einem der großen inlandsorientierten Märkte, etwa die USA, herbeigeführt werden. Wann das passieren wird, ist schwer zu sagen. Was auch sein kann, ist, dass der europäische Gesetzgeber irgendwann den Umstieg vorschreiben wird, damit mehr Informationen ausgewiesen werden können. Eines lässt sich aber mit Sicherheit sagen: Der zweidimensionale Code birgt ein ungeheuer großes Potenzial.

GS1 Austria hat in den vergangenen Jahren immer wieder in Osteuropa expandiert. Sind im Vorjahr weitere Akquisitionen getätigt worden?

Unsere Tochterfirma Editel hat zuletzt die Mehrheit an einem slowenischen Experten für Elektronischen Datenaustausch, also EDI, übernommen. Dieses Unternehmen ist wiederum sehr stark in Serbien vertreten. Mit eigenen Unternehmen sind wir nun in Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Kroatien und Slowenien vertreten. Zudem haben wir ein sehr gut funktionierendes Netzwerk an Partnerunternehmen, sodass wir in Zentral- und Osteuropa heute Marktführer sind.