GS1 Austria

Datenhunger

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 14.02.2022 - 10:35
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© Katharina Schiffl

KEYaccount: Ab 1. Juli ist die Weitergabe von Informationen über die Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelunternehmen verpflichtend. Das gilt dann auch für Betriebe, die nicht an den Lebensmittelhandel, sondern an Großküchen liefern. Was bedeutet diese Verordnung für die Branche?
Gregor Herzog: Es stand bereits im Regierungsprogramm, dass in der Gemeinschaftsverpflegung die Rückverfolgbarkeit abgebildet werden soll. Das ist nun in der sogenannten Lückenschluss-Verordnung konkretisiert worden. Wir von GS1 bieten unterschiedlichste Lösungen in drei Bereichen. Wenn es um eine statische Lieferkette geht, bei der die Zutaten immer aus demselben Ursprung kommen, kann man die Informationen in unserem Stammdatenservice GS1 Sync mitliefern. Wenn es sich um Produkte handelt, bei denen sich die Herkunft von Ingredienzien ändert, dann kann man diese Chargen-Informationen über den elektronischen Datenaustausch EDI mitliefern. Und die dritte Möglichkeit ist die völlige Transparenz end-to-end, bei der die gesamte Lieferkette abgebildet wird. Das bieten wir mit unserem Rückverfolgbarkeitsservice GS1 Trace an.

Apropos Lieferkette: Die Engpässe in der globalen Lieferkette bereiten der produzierenden Industrie und dem Handel aktuell großes Kopfzerbrechen. Welche Rolle kann eine Datendrehscheibe wie GS1 Austria in dieser schwierigen Situation spielen.
Das ist vor allem ein logistisches Problem, zum Beispiel, wenn das Schiff nicht aus dem Hafen kommt. Aber: Je transparenter eine Lieferkette ist, desto besser kann man etwaige Probleme analysieren und versuchen, gegenzusteuern. GS1 hat den großen Vorteil, dass es sich dabei um einen globalen Standard handelt, der sowohl in Wien als auch in Shanghai verstanden wird.

Kommen wir zum Lebensmittelhandel. Was sind aus Ihrer Sicht hier die großen Themen im Datenbereich?
Gerade im Lebensmittelhandel merken wir eines: Es gibt einen großen Hunger nach Daten. Sowohl der Lebensmitteleinzelhandel als auch der Großhandel wollen ihren Kundinnen und Kunden mehr Informationen zur Verfügung stellen. Das ist durchaus auch im Interesse der Industrie, wenn wir etwa an das Thema Bilddateien denken. Der Industrie ist es naturgemäß sehr wichtig, dass ihre Produkte auf Flugblättern oder in Onlineshops bestmöglich dargestellt werden. Wir liefern die entsprechenden Produktbilder über unser Stammdatenservice GS1 Sync. Danach besteht aktuell eine große Nachfrage. Darum haben wir in diesem Bereich auch unser Service erweitert. Wir haben hier mit einer zentralen Regelung der Bildrechte auch Rechtssicherheit geschaffen. Wie darf ich welche Bilder wann verwenden? Das war die große Frage, die wir nun beantwortet haben. Produzenten, die bei uns Bilder einstellen, stimmen zu, dass diese auch verwendet werden dürfen. Damit hat der Handel die Sicherheit, dass er die Bilder einsetzen darf. Und: Es gibt einen Standard beziehungsweise eine Guideline, wie die Bilder auszusehen haben, welche Qualitätskriterien sie zu erfüllen haben und wie sie freizustellen sind. Diese Vereinheitlichungen helfen beiden Seiten – dem Handel und der Industrie.

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Rückverfolgbarkeit ist ein großes Thema in der Industrie. In manchen Bereichen, etwa in der Pharmaindus­trie, muss jede Medikamentenpackung einzeln rückverfolgbar sein. Welche Entwicklungen kommen hier auf die FMCG-Branche zu?
Hier tut sich einiges. In Deutschland etwa kommt gerade ein neues Lieferkettengesetz. Es soll für ordentliche Verhältnisse entlang der gesamten Lieferkette sorgen. Dieses neue Gesetz soll erstmal nur große Konzerne und hier spezielle Brachen wie zum Beispiel die Textilindustrie betreffen. Wenn zum Beispiel ein Sweatshop in Bangladesch abbrennt, kann der europäische Konzern, der vielleicht über Subunternehmer den Sweatshop beauftragt hat, unter Umständen haftbar gemacht werden. Es geht also auch um das Thema ethische und soziale Verantwortung. Diese Philosophie ist ein großer Trend, der sich künftig vielleicht auch in Richtung des Lebensmittelhandels bewegen wird. Auch das Thema Kreislaufwirtschaft wird künftig eine noch größere Rolle spielen.    

Was kommt in diesem Bereich konkret auf die Branche zu?
Es geht hier vor allem um das Thema Verpackung. Das Circular Economy Paket der EU zielt auf eine deutliche Disruption der Verpackungslandschaft ab. Bis 2025 müssen Recyclingquoten vor allem für Kunststoffverpackungen verdoppelt werden. Wir werden uns also in den kommenden Monaten und Jahren intensiv mit dem Thema Verpackungen auseinandersetzen müssen. Wir haben bereits entsprechende Guidelines herausgegeben, die Betriebe dabei unterstützen sollen, ihre Verpackungen zu analysieren. Denn: Jeder, der Verpackungen in den Umlauf bringt, wird Daten liefern müssen. Und da sind wir wieder bei GS1 Austria. Gemeinsam mit Expertinnen und Experten der FH Wien haben wir zudem das Projekt Packaging Cockpit ins Leben gerufen. Dabei wurde ein Tool entwickelt, das Unternehmen eine automatisierte Einschätzung der Recyclingfähigkeit ihrer Verpackungen bietet und auf diesem Weg eine umfassende Nachhaltigkeitsbewertung ermöglicht. 

Der Strichcode ist eine Technologie, die schon einige Jahre am Buckel hat. Wann kommt hier die technologische Wachablöse?
International arbeiten wir gerade daran, unsere Datenträger zu aktualisieren. Das bedeutet, dass wir noch stärker in Richtung 2D-Codes gehen werden. Diese haben zwei große Vorteile: In 2D-Codes können viel mehr Informationen wie beispielsweise MHD oder Charge verschlüsselt werden als in den eindimensionalen Strichcodes. Außerdem sind sie robuster und leichter lesbar. Der bekannteste zweidimensionale Code ist der QR-Code. In der Pharmaindustrie kommen 2D-Codes schon flächendeckend zum Einsatz. Wann 2D-Codes im Lebensmittelhandel den Strichcode ersetzen werden, wird sich weisen. Erste Bereiche könnten etwa variable Ware wie loses Obst & Gemüse oder auch hochwertige Lebensmittel wie Weine sein. Von Österreich wird diese Änderung aber nicht ausgehen. Dazu ist das Land im internationalen Vergleich zu klein. Würden wir jetzt in Österreich in der Lebensmittelindustrie vom Strichcode auf den 2D-Code umsteigen, würden die zahlreichen exportorientierten Unternehmen große Probleme bekommen. Denn nicht in jedem Land würde der für den Lebensmittelhandel neue Standard verwendet werden können und die Betriebe wären gezwungen, unterschiedliche Codes und Verpackungen für unterschiedliche Länder zu produzieren. Das wäre freilich in der Praxis kaum machbar. Diese Veränderung muss also von größeren Ländern ausgehen. Es zeigt sich aber wieder einmal die große Stärke des Strichcodes: Er wird fast überall auf der Welt verwendet.