SCHWERPUNKT: SÜSSWAREN, SNACKS

Lockdown lässt Leute Lollies lecken

Ein Artikel von Johannes Lau | 26.01.2021 - 10:05
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Haben Sie auch ein paar „Corona-Pfunde“ zugelegt? Das liegt bei vielen wohl nicht nur daran, dass der Lockdown die Bewegung einschränkt, sondern dass man derzeit auch lieber nascht: Wenn einem die Nachrichten sauer aufstoßen, hemmt Süßes im Mund den Frust – das hat auch die neue Geschäftsführerin von Mondelez Österreich, Elisabeth Hülsmann, beobachtet: „Ausnahmesituationen verlangen einen neuen Alltag und damit verändert sich das Ess- und Snacking-Verhalten. Ein Stück Schokolade schenkt Vertrautheit, bietet ein Ritual und ist häufig auch Nervennahrung in schwierigen Zeiten.“ Mondelez ist Inhaber der hierzulande beliebtesten Schokoladenmarke Milka, die auch im Corona-Jahr 2020 einen großen Absatz hat und somit Marktführer bleibt. „Wir sind stolz, dass wir es trotz vieler Widrigkeiten und erheblichem Mehraufwand geschafft haben, unser Geschäft kontinuierlich fortzuführen und den Betrieb in unseren Werken aufrechtzuerhalten.“ Ohnehin gibt es etwas zu feiern: Heuer wird die lila Kuh 120 Jahre alt. „Da werden wir einige frische Impulse sehen“, verrät Hülsmann. Die große Unbekannte im Geschäft bleibt aber weiterhin die Pandemie. Das sei für Mondelez jedoch eher Ansporn als Hemmnis: „Vor diesem Hintergrund gilt es einmal mehr hoch relevante Angebote zu schaffen.“ Dazu gehört auch die Qualitätssicherung: Mondelez versucht schon seit einer Weile mit einem unternehmensinternen Programm die Arbeits- und Lebensbedingungen der Kakaobauern in den Anbauländern zu verbessern und damit einhergehend den nachhaltigen Anbau zu fördern. Beim großen Trend der Zuckerreduktion hält man sich aber zurück und vertraut auf die Eigeninitiative der Kunden. Hülsmann: „Schokolade ist ein Genussmittel und so soll es auch bleiben. Wir als Hersteller sind natürlich in der Verantwortung, unsere Zutaten transparent zu nennen. Wir weisen auch auf Portionsgrößen und den täglichen Verzehr hin. Die Konsumenten können sich so immer direkt informieren.“

Kein Besuch, kein Dankeschön

Auch bei Mars zeigt man sich derzeit zufrieden. Österreich-Geschäftsführer Hendrik de Jong: „Wir sind glücklich, dass sich unsere Produkte einer steigenden Beliebtheit bei den Konsumenten erfreuen.“ Welchen Einfluss darauf Covid-19 habe, könne er nicht sagen, da die Pandemie sich ganz unterschiedlich auf die verschiedenen Geschäftsbereiche auswirke. Grundsätzlich sieht de Jong aber eine Orientierung an starken Qualitätsmarken. Eine rückläufige Entwicklung gab es bei Schokolade und Kaugummi jedoch im Impulsgeschäft, da schließlich der Snackverzehr außer Haus insgesamt stark abgenommen hat. Die erste Herausforderung, die vermehrten Hamsterkäufe, habe man dagegen seinerzeit in Logistik und Produktion gut bewältigt. Aber Vorräte werden offenbar immer noch gerne angelegt: „Die Nachfrage nach Multipacks und Produkten, die man gemeinsam naschen kann, ist gestiegen. Grundsätzlich sind wir auch für 2021 sehr optimistisch, was unser Süßwarengeschäft betrifft.“ Bei Storck leidet vor allem eine Marke unter dem Lockdown: Merci. Die klassische Geschenk- und Mitbringselpraline hat es natürlich in Zeiten massiv eingeschränkter Besuche schwer. Daher sei hier laut Österreich-Geschäftsführer Ronald Münster der Umsatz etwas zurückgegangen. Jedoch konnten das andere Marken auffangen: NielsenIQ bescheinigt Storck ein Umsatzplus von 2,8 Prozent – womit man der Konkurrenz ein Stück voraus sei: „Es war uns möglich, auch in diesem herausfordernden Jahr deutlich stärker zu wachsen als der Gesamtmarkt (+ 1,1 Prozent).“

Mündige Konsumenten

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Ein starkes Wachstum hat laut NielsenIQ im Vorjahr auch der Tafelschokoladenmarkt gehabt: Etwa 8,3 Prozent konnte das Segment hinzugewinnen. Davon profitiert Ritter Sport. „Die speziellen Rahmenbedingungen rund um das Coronavirus haben offenbar den Appetit auf Süßes gesteigert. Wir gehen davon aus, dass der Markt für Tafelschokolade 2021 stabil bleibt“, freut sich Österreich-Geschäftsführer Wolfgang Stöhr. Neben den neuen Herausforderungen bleiben aber auch die alten bestehen. Deshalb nimmt man bei Ritter Sport heuer das Thema nachhaltige Verpackungen wieder stärker in den Blick: Nach einem erfolgreichen Praxistest einer in Papier verpackten Edition im Vorjahr seien für 2021 weitere Umstellungen in diese Richtung geplant. Zuckerreduktionen habe man vorerst aber nicht vor. Stöhr: „Schokolade ist ein sehr ehrliches Produkt. Jeder weiß, dass Zucker drin ist. Wenn der Konsument sich verwöhnen möchte oder sich eine kleine Belohnung gönnt, dann tut er das unserer Ansicht nach in vollem Bewusstsein.“ Anstatt den Zuckergehalt zu reduzieren, wolle man sich lieber darauf konzentrieren, die Qualität zu verbessern: „Wir sind überzeugt, dass das Bewusstsein für die Qualität der Rohstoffe und die Natürlichkeit der Zutaten, die letztendlich auch einen Beitrag zu verantwortungsvollem Genuss leisten, weiter steigen wird.“

Kelly wiederum bietet mit den „4in1“-Chips ab Ende Jänner eine Knabberei für eine bewusstere Ernährung an. Man will seinen Kunden aber auch nicht alles vorkauen, sagt Geschäftsführer Markus Marek: „Wir sprechen uns für transparente und eindeutige Informationen über Produkte und deren Inhaltsstoffe aus und vertrauen auf mündige Konsumenten, die frei entscheiden können, welche Produkte sie zu welchem Zeitpunkt konsumieren.“ So profitiere ja Kelly davon, dass die Konsumenten längst von sich aus regionale Produkte verlangen, was sich in der Pandemie noch verstärkt habe: „Regionalität ist noch stärker in den Fokus der Konsumenten gerückt. Heimische Rohstoffe und Wertschöpfung im eigenen Land sind seit der Corona-Krise sehr wichtige Faktoren der Kaufentscheidung geworden. Die Konsumenten verlangen österreichische Qualität.“ Das spiele seinem Unternehmen durchaus in die Karten. Die Kelly’s Chips bestehen zu 100 Prozent aus österreichischen Kartoffeln, bei Soletti werden heimisches Salz und Mehl verwendet. Somit war es auch bei Kelly wirtschaftlich ein gutes Jahr: Alle Marken konnten sich gegenüber dem Vorjahr steigern – der Umsatz verbesserte sich um 13,9 Prozent. Marek: „Zu Beginn des Lockdowns konnte man sehr schnell erkennen, wie sich Herr und Frau Österreicher die Abende aus Mangel an Alternativen gestaltet haben. Die gemütlichen TV-Abende zeigten rasch eine sehr positive Auswirkung auf unsere Absätze.“

Wann kommen die Touristen?

Ganz so freudig ist Andreas Heindl, Geschäftsführer der gleichnamigen Wiener Confiserie, nicht gestimmt: Zwar sei der Absatz der Geschäfte im Einzelhandel ungefähr gleich geblieben, bloß sein Unternehmen leide derzeit darunter, dass es 30 eigene Filialen betreibt und vor allem viele Produkte über das Tourismusgeschäft verkauft: „Bei Rewe oder Spar haben wir ein schönes Plus erwirtschaftet, aber mit dem Wiener Flughafen ist zum Beispiel einer unserer größten Kunden komplett weggebrochen.“ Die meisten Filialen verzeichneten ein Minus von rund 25 Prozent, in der Wiener Innenstadt sackte der Umsatz mangels Touristen gar um 85 Prozent ab. Im Vorjahr profitierte man noch vom geteilten Geschäftsjahr, das bei Heindl im August beginnt: Bis Februar hatte man die beste Bilanz der Firmengeschichte, aber dann kam eben Corona und wird das laufende Geschäftsjahr eintrüben: „Ich habe keine Glaskugel vor mir, aber ich erwarte mir für heuer nicht viel. Dafür ist noch zu viel unklar.“ Vieles werde davon abhängen, ob man einen Umsatzersatz bekomme und wann die Filialen wieder aufsperren können. Bislang sei man aus eigener Kraft durch die Krise gekommen, weil man in den Jahren zuvor gut gearbeitet habe. Wenn der Lockdown aber noch länger andauert, sehe es heuer nicht gut aus. „Aber ich sehe die Zukunft positiv – es wird schon alles werden.“ So habe man den Lockdown genützt, um die Produktionsstruktur zu erweitern, Filialen zu sanieren und sich neue Kreationen auszudenken: „Wir freuen uns, wenn es wieder losgeht.“

Auch Josef Zotter, Geschäftsführer der gleichnamigen Schokoladenmanufaktur, zeigt sich optimistisch: „Vermutlich wird uns die Pandemie jetzt einmal bis Ostern mehr oder weniger im Zaum halten. Aber danach werden die Leute wieder das Leben genießen.“ 2020 sei für seine Unternehmensbilanz ein sehr gutes Jahr gewesen. Es habe sich vor allem bewiesen, dass man auf mehreren Standbeinen stabiler stehe: Der touristische Bereich habe fast die Hälfte des Umsatzes verloren. Auch im Ausland sind Märkte eingebrochen, das konnte man aber durch verstärkte Konzentration auf den stationären Handel und den E-Commerce-Bereich in Österreich und Deutschland mit entsprechenden Zuwächsen kompensieren. Zotter: „Natürlich mussten wir uns mehrmals auf neue Situationen in der Produktion einstellen, aber wir sind ein überschaubarer Familienbetrieb, wo wir tägliche Veränderungen sowieso in der DNA haben.“ So habe man eben kreativ auf die Krise reagiert – etwa mit neuen Sorten: „In der Anfangsphase des Lockdowns im Frühling waren die ,Schoko statt Klopapier‘ und die ,Hamster-Schokolade‘ absolute Bestseller.“ Auch das Weihnachtsgeschäft sei gut verlaufen: Mangels Firmenfeiern wurden bei Zotter Online-Verkostungen fürs Homeoffice stark nachgefragt. Es wurden auch deutlich mehr Adventkalender und Geschenksets abgesetzt. So sei die Schokosorte „Für die besten Mitarbeiter der Welt“ diesmal ein Selbstläufer gewesen. Und wenn es schon in der Krise so gut läuft, wird Zotter dann in hoffentlich bald wieder normaleren Zeiten in den Himmel wachsen? Der Geschäftsführer winkt ab: „Für uns muss es nicht gleich noch mehr werden. Wir sind nicht im Hamsterrad, sondern bevorzugen die Kreislaufwirtschaft.“