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Frischer Wind im Kühlregal

Ein Artikel von Johannes Lau | 03.05.2018 - 13:20

Eine anhaltende Flut von Kochbüchern und Gastroshows will uns glauben machen, dass inzwischen jeder ein kleiner Paul Bocuse ist und täglich stundenlang den Kochlöffel schwingt. Aber in Wirklichkeit wärmen viele noch immer gerne Tiefkühlgerichte auf, um schnell etwas im Magen zu haben. Von Natur aus ist der Mensch nun einmal bequem: „Tiefkühlpizza und Tiefkühlsnackprodukte entsprechen dem anhaltenden Wunsch der Konsumentinnen und Konsumenten nach Convenience“, stellt Kerstin Haberfellner, Marketingmanagerin des Food-Bereichs von Nestlé Österreich fest. „Demnach wird dieses Marktsegment auch weiterhin eine wichtige Rolle im Lebensmitteleinzelhandel spielen.“ 

Rivale Eigenmarke

Der Gesamtmarkt für Pizzasnacks und Baguettes verzeichnete in den vergangenen zwei Jahren laut Nielsen ein durchschnittliches Wachstum von rund 16 Prozent. Nestlés Tiefkühlmarke Wagner selbst konnte 2017 ihren Umsatz um 1,3 Prozent steigern – das Zugpferd sei hier vor allem das „Steinofen“-Segment gewesen. Deshalb erweitert man dieses Angebot heuer auch mit der „Bäckerkruste“-Range um drei weitere Sorten. 

Erfolgreiche Marken durch Produktinnovationen zu stärken, sei in diesem Markt nämlich von großer Wichtigkeit, betont Haberfellner. Die Konkurrenz in Form der großen Ketten schläft nicht und expandiert im Tiefkühlsegment äußerst rasch: „Der Wettbewerb hat sich intensiviert. Eigenmarken gewinnen bedingt durch zahlreiche Produkteinführungen an Bedeutung.“ Die etablierten Player reagieren mit einer Erweiterung des Sortiments – manche tun sich dazu nun gar zusammen: Unilever und Ferrero zum Beispiel bringen jetzt Eiscreme unter dem Kinder-Label auf den Markt.

Weg mit Salz und Gluten

Jedoch sind es nicht nur die Eigenmarken, die die Hersteller der frostigen Waren zunehmend herausfordern. Im Handel ist der Kunde König und der verlangt zunehmend frische Produkte – das macht sich auch in der Supermarktlandschaft bemerkbar: „Die für uns größte Herausforderung bei Tiefkühlpizza sind immer geringer werdende Tiefkühlregalflächen in den heimischen Handelsformaten, die in der Regel den immer größer werdenden Flächenanteilen für Frische- und Convenience-Food weichen“, berichtet Manfred Reichmann, Geschäftsführer von Dr. Oetker Österreich. „Gepaart mit einem gewissen Grad an Marktsättigung und der Zunahme von Private Label-Angeboten wird das Gedränge um die Regalplätze immer intensiver.“ Die Ristorante-Reihe ist laut Nielsen im Gesamt-LEH mit einem Marktanteil von fast 25 Prozent der Spitzenreiter in Österreich.

Auf Tiefkühlpizza kommt man aber nicht unbedingt, wenn man an gesunde Ernährung denkt: Da sich immer mehr Konsumenten aber dahin orientieren, stellt man sich bei Dr. Oetker bereits um: In den vergangenen Jahren habe man sich mit glutenfreier Ernährung auseinandergesetzt und biete inzwischen die beliebtesten Ristorante-Sorten in Varianten, die ohne Klebereiweiß auskommen. 

In Zukunft möchte das Unternehmen laut Reichmann auch den Salzanteil in seinen Produkten weiter senken: „Seit 2005 hat Dr. Oetker den durchschnittlichen Gehalt an zugesetztem Kochsalz schrittweise reduziert. Es ist das Ziel von Dr. Oetker, bis zum Jahr 2022 bei fleischhaltigen Produkten im Durchschnitt einen Kochsalzgehalt von unter 1,25 Prozent zu erreichen, für vegetarische Produkte soll er unter 1,0 Prozent liegen.“

Neue Gewänder, stabile Zahlen

Den frischen Wind, den die neuen Kundenwünsche ins Geschäft bringen, hat man auch beim Marktführer Iglo bemerkt, wo man sich ebenfalls mit Herausforderungen am Verkaufsplatz konfrontiert sieht: „Es ist im Tiefkühlbereich schwierig, am Point-of-Sale Aktivitäten umzusetzen“, berichtet Felix Fröhner, Geschäftsführer Iglo Österreich. „Gute Planung und Absprache der gemeinsam mit den Handelspartnern vereinbarten Aktivitäten stellen die Grundlage dar. Um das Ganze in jedes Geschäft zu bringen, braucht es sehr viel tägliche Detailarbeit.“  

Jedoch kann sich Iglo eigentlich nicht beklagen: 2017 verzeichnete man ein Wachstum von drei Prozent und steigerte seinen Marktanteil um 0,1 Prozent dezent – in den letzten drei Monaten dagegen schon um 3,2 Prozent. Den Erfolg verdanke man nicht nur neuen Produkten, sondern einer Neuaufstellung insgesamt: „Wir haben 2017 neben Innovation auf Renovation gesetzt“, fasst Fröhner zusammen. 

Zahlreiche neue Packungsformate und -designs ergaben sich aus dieser Strategie, bei der sich auch bewusst auf die Bestseller konzentriert wurde, die 2017 mit fünf Prozent um zwei Prozent höher als der Totalmarkt gewachsen seien. Die Österreicher greifen bei Iglo vor allem zu Tiefkühlklassikern wie Fischstäbchen, Polar-Dorsch und Marillenknödeln. Fröhner: „Innovationen nach österreichischem Geschmack sind wichtiger Bestandteil des Erfolgs. Ich sehe es absolut so, dass wir in einem lokalen Markt operieren, in dem wir unsere lokalen Stärken hervorheben sollten – sei es bei Gemüse das Marchfeld oder bei Mahlzeiten das steirische Ennstal.“

Kühles aus der Nachbarschaft

Auch im Tiefkühlregal, das früher ja eher weiter gereiste Produkte beherbergte, greifen die Konsumenten nämlich zunehmend zu Waren aus der Region. Diese Entwicklung beobachtet man bei 11er ebenfalls: „Unserer Meinung nach werden der Trend zu regionalen Spezialitäten und das Bewusstsein für die nachhaltige Esskultur weiter steigen“, befindet Geschäftsführer Thomas Schwarz. Als österreichweit einziger Hersteller von Kartoffelprodukten, der sich nach 75 Jahren immer noch in Familienbesitz befindet, ist man deshalb gut aufgestellt, um den wachsenden Konsum von nachbarschaftlichen Produkten zu bedienen. Aber nicht nur bei den Erdäpfeln setzt man auf heimische Zutaten – auch Tiroler Speck und Vorarlberger Bergkäse finden ihren Weg in die Rezepturen. Die Zahlen bestätigen diese Vorgehensweise: Im vergangenen Jahr erwirtschaftete man in Frastanz einen Umsatz von 72,5 Millionen Euro – vor allem aber auch aufgrund eines Exportanteils von circa 67 Prozent. Angesichts des teilweise stagnierenden Tiefkühlkartoffelmarkts zeigt sich Schwarz zufrieden: „Für 11er ist das Jahr 2017 umsatztechnisch stabil verlaufen.“ Dass das Geschäft so gut geht, liege auch daran, dass man schon seit einer Weile die Zeichen einer grüneren Zeit erkannt hat und auf eine nachhaltige Produktionsweise setzt: Seit 2015 produziere 11er an der gesamten Wertschöpfungskette entlang klimaneutral und sei Mitglied in verschiedenen Umweltinitiativen.    „Wir sind überzeugt, dass wir als Lebensmittelhersteller eine Verantwortung für unsere Umwelt haben. Aber auch Verbraucher wollen umweltverträgliche Produkte. Alle Handelshäuser haben ebenfalls eine Nachhaltigkeitsstrategie, bei welcher aktiver Klimaschutz eine wichtige Rolle spielt. Das zeigt uns, dass wir mit der 11er Klimaschutzinitiative auf dem richtigen Weg sind und genau das bieten, was unsere Kunden suchen.“ Dass nämlich gerne als Industrieerzeugnis in Verruf stehende Tiefkühlware durchaus Potential hat, nachhaltig zu sein, betont man ebenfalls bei Iglo – schon der Griff ins Tiefkühlregal sei ein Beitrag zu einem bewussteren Konsum. Felix Fröhner: „Tiefkühlung ist naturgemäß die einfachste und schonendste Form der Haltbarmachung von Lebensmitteln und beugt auch unmäßiger Lebensmittelverschwendung vor. Einfach portionierbar wird nur das verbraucht und gekocht, was auch gegessen wird.“