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© Hannes Eisenberger

Billa

Digital, sagt der Hausverstand

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 02.03.2018 - 14:51

Dass Daten das digitale Gold der Zukunft sind, ist ja fast schon so etwas wie eine Binsenweisheit. Auch der Begriff Big Data wird als Modewort von Sonntagsrednern mit Zukunftsfantasien nur allzu gerne verwendet. Und dennoch: Wer weiß, wie man den Datenschatz heben und für das eigene Geschäft verwenden kann, hat wohl die besten Aussichten, im künftigen Wettstreit um die Gunst der Kunden zu reüssieren. Im österreichischen LEH nimmt Billa seit geraumer Zeit eine Vorreiterrolle in diesem Bereich ein. Mit dem Vorteils-Club und der dazugehörigen Kundenkarte hat man schon früh auf das Thema gesetzt. Und mit einer kostenintensiven Onlineshop-Offensive samt österreichweiter Zustellung hat man in der Branche für viel Aufsehen gesorgt. Einer der Architekten der rotgelben Daten-Offensive ist Robert Nagele, der seit über 20 Jahren im Unternehmen tätig ist und seit 1. Jänner die neu geschaffene Position des Billa-Vorstandssprechers bekleidet. Als AV Medien – der Lebensverlag, der unter anderem auch KEYaccount he­rausgibt, Ende Februar in den Räumlichkeiten der ehemaligen Erste Bank-Lounge zu Wien seinen neuen Markenauftritt feierlich präsentierte, hielt Nagele eine viel beachtete Keynote zum Thema Daten und Digitalstrategie. Nagele zeigte dabei auf, in welchem Ausmaß die digitale Transformation  auch einen stationären Riesen wie Billa verändert. Dabei sei der digitale Wandel per se nicht neu. Nur die Geschwindigkeit, mit der er nun passiere, sei atemberaubend, so Nagele.  

Von Scanner-Kassen zu Social Media

Bei Billa habe die Digitalisierung bereits vor circa 25 Jahren gestartet, erklärt der Billa-Chef: „Damals haben wir in unseren Filialen Scanner-Kassen installiert und unser erstes Data-Warehouse aufgebaut. Ein paar Jahre später kam der Vorteils-Club dazu, bei dem Daten gesammelt wurden, wobei wir zu Beginn noch gar nicht wussten, was wir mit diesen Daten machen sollen.“ Erst Jahre später habe man dann auch die Kommunikation auf die digitale Ebene gehoben, etwa auf Social Media oder mithilfe von Apps. Bereits vor 16 Jahren hat Billa zudem damit begonnen, seinen Online-Shop aufzubauen. „Das ist wohl eine der wesentlichen Säulen, wenn wir zurzeit von Digitalisierung reden“, so Nagele. Heute kann sich die Manpower, die hinter dem Digitalisierungsprozess steht, durchaus sehen lassen. Aktuell beschäftige Billa allein im Bereich „Digitals & Innovations“ 40 Mitarbeiter. Dazu kommen circa 100 Leute im Rewe-IT-Bereich, auf die Billa zurückgreifen kann. Und dann gibt‘s natürlich noch die „Personalreserve“ in Deutschland, also die rund 700 Personen, die sich bei Rewe Digital in der Kölner Zentrale ausschließlich diesem Thema widmen.

NFC, Wireless LAN

Aktuell sei vor allem wichtig, dass Billa immer und überall, also auf jedem Kanal, vorkommt. „Das bedeutet aber auch, dass das Thema des stationären Handels, sprich unsere 1.070 Filialen in Österreich, für uns auch in Zukunft ganz wichtig bleibt, denn das ist das Rückgrat der Nahversorgung.“ Wobei sich auch hier im digitalen Bereich viel getan hat und tut, wie Nagele betont: „Heute ist es zum Beispiel selbstverständlich, dass man an der Kasse mit NFC kontaktlos bezahlt. Auch dass wir WLAN im Geschäft anbieten, ist völlig normal.“ Der nächste digitale Schritt auf stationärer Ebene wird laut Nagele die flächendeckende Einführung von elektronischer Preisauszeichnung sein. Aktuell gibt es bei Billa fünf Testfilialen, in denen das System erfolgreich erprobt wird. „Das neue System hat mehrere Vorteile: Der Kunde erhält eine hundertprozentige Preissicherheit, und wir profitieren davon, weil dadurch Reklamationen wegfallen. Zudem ist es ein Prozessvorteil, weil das Umstecken der Preise bisher auch viel Arbeit gemacht hat.“ 

Digitale Kommunikation

Wichtig sei auch die digitale Kommunikation. Und zwar nicht nur mit den Kunden, sondern auch mit den eigenen Mitarbeitern: „Mit unserer Mitarbeiter-App haben wir im vergangenen Jahr einen großen Schritt gesetzt. Unsere 19.000 Mitarbeiter sind ja sehr dezentral in Österreich verteilt. 15.500 Mitarbeiter haben sie bisher heruntergeladen und wir stellen dort auch alle Personal-Einsatzpläne zur Verfügung.“ Der Vorteil liegt auf der Hand: Mitarbeiter können zum Beispiel schnell nachsehen, wann sie nächste Woche Dienst haben. Auch E-Learning-Module seien mit der App möglich, erklärt der Billa-Verantwortliche.

Ein entscheidender Punkt in Sachen Datennutzung passiert auch bei der digitalen Optimierung der Prozesse in den Filialen. „Bei den Bestellvorschlägen etwa stellen wir mithilfe von Daten und Algorithmen sicher, dass die Filialen die richtige Ware in der richtigen Anzahl am richtigen Ort bekommen. Wir nutzen das natürlich auch in der Kommunikation zwischen Filiale, Lager und Zentrale.“

52 Millionen Daten pro Tag

Aber was passiert nun wirklich mit den Kundendaten? Dazu eine Zahl, die fast schwindel­erregend ist: 52 Millionen Daten bekommt Billa ins Haus – und zwar pro Tag. Nagele erklärt, dass angesichts der Datenflut die einzelnen Kundendaten „vollkommen uninteressant“ sind. „Diese Daten werden auch nicht eingesehen, es geht immer nur um Segmente. Man will Gewohnheiten von Kundensegmenten herausfinden.“ Das ist gar nicht so einfach und stellt die gesamte Branche vor Herausforderungen, wie Nagele betont. Man kennt ja die Situation von Amazon. Man kauft dort ein Produkt und wundert sich dann, dass einem danach ein ähnliches oder sogar dasselbe Produkt empfohlen wird. Nagele: „Wenn selbst ein Unternehmen wie Amazon, das eine hohe Meisterschaft im Bereich der Datenauswertung erreicht hat, es nicht immer auf den Punkt trifft, kann man sich vorstellen, wie schwierig das ist.“ Das Datenmanagement hat sogar direkten Einfluss auf das Sortiment in den jeweiligen Standorten. Denn nicht jeder Billa-Standort hat dieselben Produkte in den Regalen, wie Nagele erklärt: „Wir individualisieren die Filialen, was in der Praxis bedeutet, dass man an einem Billa-Standort genau jene Produkte bekommt, die genau für die Kunden dieses Marktes relevant sind.“  

25 Prozent des EBITA

Der E-Commerce ist schließlich eine entscheidende Säule der Digitalstrategie des Unternehmens. „Das entwickelt sich sehr dynamisch. Allein der Paketversand in ganz Österreich hat im Vorjahr um 30 Prozent zugenommen“, weiß Nagele. „Der Lebensmittelhandel“, so der Billa-Chef weiter, „ist davon nicht ganz so stark betroffen, weil es sich dabei um die Königsdisziplin handelt.“ Man müsse nur an Themen wie Frische oder Kühllogistik denken, die hier zum Tragen kommen. Wirtschaftlich auszahlen würde sich das freilich noch nicht, wie Nagele erklärt: „Wir sind im E-Commerce-Bereich sicher Marktführer in Österreich und machen also knapp zwei Prozent des Umsatzes, investieren dafür aber so circa 25 Prozent unseres EBITA.“ Dennoch könne sich Billa nicht leisten, den Kanal nicht zu bespielen. „Aktuell hat Billa 18.000 bis 20.000 Online-Kunden, die variieren, also mal stationär kaufen und mal online bestellen. Das sind unsere besten Kunden. Und darum werden wir den digitalen Handel weiter vorantreiben.“

Was kommt als Nächstes?

Eines steht für Nagele fest: „Es gibt einige Technologien, die in den kommenden Jahren auf uns zukommen. Ich denke da an Blockchain oder künstliche Intelligenz, Robotics oder Internet der Dinge. Wir haben momentan leider noch nicht die Ressourcen, um uns auch damit zu beschäftigen.“ Entscheidend sei für Nagele sowieso was anderes: „Dass sich jedes Unternehmen – egal in welcher Branche – diesen Veränderungen proaktiv stellt. Dazu gehört nicht nur das Ausnützen der digitalen Möglichkeiten, sondern oftmals auch eine kulturelle Weiterentwicklung im Unternehmen, also Entrepreneurship stärken, sich etwas trauen, aber auch Fehler zulassen lernen. Denn nur den Mutigen gehört die Welt von morgen.“ 

Rewe mit zentralem Rechenzentrum 

Auch bei der Billa-Mutter Rewe macht sich die Digitalisierung immer stärker bemerkbar. Immer höhere Lastspitzen erfordern Flexibilität und Skalierbarkeit der IT-Infrastruktur. Eine Zentralisierung und Konsolidierung der Datenbank-Infrastruktur brachte bei der Rewe International AG daher eindeutliche Effizienzgewinne: Mehrere IT-Standorte in verschiedenen Ländern wurden zuletzt durch ein zentrales Rechenzentrum am Stammsitz des Unternehmens in Wiener Neudorf ersetzt. Dadurch wurde der Energie- und Flächenbedarf deutlich reduziert, das Unternehmen konnte sich insgesamt schlanker aufstellen – freigewordene Ressourcen nutzt man jetzt für strategische Planung in der IT-Abteilung.  Auch im Marketing wird und wurde digitalisiert. Denn bei einem so großen Kundenstamm ist der Bedarf an Kommunikation mit den Zielgruppen mitunter herausfordernd. In Österreich können einzelne Kampagnen bereits über eine Cloud-Lösung punktgenau an die Zielgruppe kommuniziert werden. Ein Beispiel dafür ist Oracle Eloqua, eine Cloud-basierte Lösung für die Planung, Durchführung und Auswertung komplexer Cross-Channel- und B2B-Marketing-Kampagnen. Die Rewe nutzt Eloqua unter anderem für die Stiftung „Blühendes Österreich“.