SCHWERPUNKT: FLEISCH & WURST 

Fleischer sein heißt derzeit hoffen

Ein Artikel von Johannes Lau | 23.03.2021 - 12:03
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Durch von der Pandemie beförderte Skandale wie etwa die Tönnies-Affäre geriet auf dem Lebensmittel-Markt vor allem die Fleischindustrie ins Rampenlicht: Ihre Produktionsbedingungen wurden im vergangenen Jahr stark diskutiert. Die Konsumenten sehen daher jetzt noch mehr als vorher hin, was auf ihre Teller kommt. Das hat man auch bei Hütthaler bemerkt und entsprechend reagiert, sagt Geschäftsführer Florian Hütthaler: „Die Konsumenten schauen darauf, wie das Tier gelebt hat. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen Corona konnten wir unsere Tierwohl-Landwirte um knapp 20 Prozent aufstocken, um die steigenden Kundenanfragen langfristig abdecken zu können. Seit dem ersten Lockdown ist der Trend zu Regionalität deutlich spürbar.“ Das firmeneigene Tierwohlkonzept wächst somit: Mittlerweile halten 37 Partner nach diesen Grundsätzen ihre Tiere. Dabei wird es aber nicht bleiben, sagt Hütthaler: „Wir sind überzeugt, dass die Nachfrage nach solchen Produkten auch in Zukunft mehr an Bedeutung gewinnt und werden regionale Qualitätsprogramme fokussieren.“ Dementsprechend ist für 2022 eine Erweiterung des Schlachthofs nach Tierwohl-Grundsätzen mit einem Investitionsvolumen von circa zwölf Millionen Euro geplant. Das vergangene Jahr konnte man trotz der durch Covid-19 bedingten Herausforderungen positiv abschließen: Ein Umsatz von 115 Millionen Euro stand letztendlich zu Buche. Das Sorgenkind bleibt aber weiterhin das Gastronomiegeschäft: „In der Gastronomie gab es massive Einbrüche, jedoch konnten wir den Umsatz im Lebensmittelhandel steigern. Für 2021 hoffen wir auf baldige Erholung der Gastronomie.“

Schwierige Lage

Von der geschlossenen Gastronomie profitiert wiederum der LEH. So konnte Spar im vergangenen Jahr wie eigentlich überall auch im Fleisch-Segment – voran mit der Eigenmarke Tann – zulegen: „Wir waren sehr zufrieden, weil der Lebensmittelhandel insgesamt und Spar im Besonderen ein sehr hohes Umsatzplus verzeichnen konnte“, berichtet Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann. Dennoch ist es eine komplexe Gesamtsituation: „Die geschlossene Gastronomie ist mit ein Grund, warum der Lebensmittelhandel derzeit so starke Zuwächse hat. Gleichzeitig fallen vielen landwirtschaftlichen Betrieben die Absatzmärkte weg.“ Daher habe man rund 100 regionale Lieferanten neu ins Sortiment aufgenommen.

Mit solchen Verschiebungen hat Franz Radatz, Geschäftsführer der gleichnamigen Wiener Fleischfirma, ebenfalls derzeit zu tun: „Als ‚indirekt‘ betroffenes Unternehmen haben wir mehrere Millionen Umsatz verloren – im Horeca-Großhandel und bei direkt belieferten Kunden wie den Wiener Würstelständen. Wir hoffen daher sehr, dass die Öffnung der Gastronomie auch zu einer allgemeinen Belebung des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Lebens beiträgt.“ Trotz alledem konnte sich das Unternehmen verbessern: 2020 wurde die 200-Millionen-Marke durchbrochen. Laute Freudenschreie hört man von Radatz deshalb aber nicht: „Wir wollen demütig bleiben. Wir alle kennen die schwierige wirtschaftliche Lage und sind gleichzeitig stolz, dass die gesamte Lebensmittelbranche im Hintergrund und vor ständig neuen Herausforderungen ihren nicht unwesentlichen Beitrag zu einem Erhalt der Wirtschaftsleistung leistet.“ Auch wenn man nicht gedacht habe, dass die Angelegenheit das gesamte Jahr und darüber hinaus das Hauptthema sei, bestimme Corona immer noch das Geschäft: Personaleinteilung, Beschaffungssicherheit und Umsetzung der wechselnden Vorgaben sind weiterhin die wesentlichen Baustellen.

Hohe Hygienestandards

Dass sich diese Lage möglichst bald entspannt, wünscht man sich genauso bei Handl Tyrol: „Für 2021 hoffen wir, dass die Pandemie gemeistert wird und wieder eine entsprechende neue Form der Normalität eintreten wird“, hofft Geschäftsführer Karl Christian Handl. Aber vorerst herrscht weiter die Corona-Realität: „Hohe Hygienestandards in der Produktion, ein striktes Pandemiekonzept sowie wöchentliche PCR-Tests haben uns vor größeren Ausfällen geschützt und werden uns auch 2021 noch begleiten.“ Trotz dieser Gemengelage sei man aber gut durch 2020 gekommen: Die Ausfälle in der Gastronomie haben das Unternehmen zwar getroffen, aber sonst entwickelten sich fast alle Geschäftsfelder und Märkte sehr positiv, auch weil die Produkte vor allem von Endverbrauchern gefragt sind. Das führte am Ende zu einem Umsatz von 165 Millionen Euro. Dennoch droht auch abseits der Pandemie Ungemach: „Die aktuelle Entwicklung auf dem Rohstoffmarkt für Schweinefleisch und im Bereich der Betriebshilfsmittel ist sehr besorgniserregend. Eine Preisanpassung wird mit hoher Wahrscheinlichkeit notwendig sein.“ Die kommt aber wohl auch, weil sich nur so die gestiegenen Ansprüche der Konsumenten realisieren lassen. „Die Konsumenten sehnen sich nach ehrlichen Produkten, nach österreichischer Herkunft sowie entsprechender Produktqualität.“ Dementsprechend garantiere man eine hundertprozentige Herkunftssicherheit aus unter dem Kontrollsystem der AgrarMarkt Austria zugelassenen Betrieben.

Wir sehen im Tierwohl eine mehr als taugliche Alternative, da die Umstellung zwar mit kostenintensiven Umbauten verbunden, aber dank der neuen Fördermittel deutlich einfacher und schneller umsetzbar ist.


Rudolf Berger, Berger Schinken

Gestiegene Kosten

„Das Thema Transparenz gewinnt an Bedeutung“, stimmt Rudolf Berger, Geschäftsführer von Berger Schinken, zu. Im Blick auf die derzeitige Situation zehre sein Betrieb vor allem von der Firmenstruktur: „Als Familienunternehmen kann man potenziell rascher auf sich verändernde Umstände reagieren – wir tun dies durch eine klare Qualitätsoffensive –, sowohl was Tierwohl, unser Regionalitätsprogramm, als auch was das Thema ökologischere Verpackungen betrifft.“ Das wird von den Konsumenten goutiert: Die Nachfrage und damit der Umsatz im LEH sei sehr gut gewesen, wenn auch die Gastronomie-Umsätze nicht vollständig kompensiert werden konnten. Dazu verursachen die Corona-Maßnahmen weitere Ausgaben: Der ausgeweitete Schichtbetrieb steigert die Lohnkosten. Dazu kommt die kostenintensive wöchentliche PCR-Testung der gesamten Belegschaft, die erst seit Kurzem teilweise abgegolten wird. Damit geht Berger aber um und verfolgt weiter seinen Kurs: „Wir sehen im Tierwohl eine mehr als taugliche Alternative, da die Umstellung zwar mit kostenintensiven Umbauten verbunden, aber dank der neuen Fördermittel deutlich einfacher und schneller umsetzbar ist. Wir forcieren diesen Umstieg aktiv.“ Investitionen in Innovationen haben eben ihren Preis – aber sie lohnen sich häufig auch.