interview

"Unseren Weg werden bald viele Fleischverarbeiter gehen."

Ein Artikel von Johannes Rottensteiner | 14.12.2020 - 16:46
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Fritz Floimayr © Gourmetfein

KEYaccount: Herr Floimayr, zunächst einmal die Gretchenfrage, wie geht es Gourmetfein in Zeiten von Corona? Wie haben sich die Zahlen heuer im Vergleich zum Vorjahr entwickelt?
Fritz Floimayr: Diese Zeit ist für niemanden leicht, insbesondere für die gesundheitlich Betroffenen der Pandemie und ihre Angehörigen. Und natürlich spüren auch wir die wirtschaftlichen Folgen der aktuellen Situation. Aber bis zum Abschluss unseres Wirtschaftsjahres Ende April 2021 haben wir noch etwas Zeit und die werden wir intensiv nutzen, um zumindest an das hervorragende Ergebnis des Vorjahres anzuschließen.

Die Fleischbranche leidet immer wieder unter den Preisschwankungen beim Rohmaterial. Hier vor allem beim Schweinefleisch. Sie haben eine eigene Antwort gefunden und sich aus dem Preisfindungssystem der Schweinebörse ausgeklinkt. Wieso?
Wir sehen, dass die Landwirte insgesamt immer mehr unter Druck geraten, dass sie sich auch große Sorgen um die Zukunft ihrer Höfe machen. Das kann uns nicht egal sein, denn wir verstehen uns im Gourmetfein-Wertschöpfungsverbund als echte Gemeinschaft. Wir wollten ihnen also diese Last von den Schultern nehmen, damit sie sich auf das konzentrieren können, was sie so besonders macht: hervorragende Lebensmittel in der Region zu erzeugen. Das kostet uns natürlich einiges an Profit, aber wir betrachten die Absicherung der kleinbäuerlichen Landwirtschaft als die beste Investition.

Wie haben Ihre Vertragsbauern darauf reagiert?
Erst kürzlich hat mir eine Bäuerin im persönlichen Gespräch erzählt, dass sie jetzt endlich wieder ruhig schlafen kann, weil sie eben nicht jede Woche bangen muss, ob der Schweinepreis weiter abstürzt oder nicht. Und dass sie diese Entspannung auch an die Tiere weitergeben kann. Das ist genau das, was wir damit erreichen wollten. Was in Deutschland gerade passiert, bekommen ja alle mit und die enge österreichische Koppelung bei der Preisnotierung ist da besonders fatal. Insgesamt haben wir gemerkt, dass unsere Partnerbauern sehr positiv reagiert haben, denn jetzt haben sie Planungssicherheit.
 
Welche Reaktionen gab es seitens der Landwirtschaftskammer und aus der Fleischbranche?
Natürlich freuen sich alle, wenn Landwirte besser für ihre ehrliche Arbeit bezahlt werden. Ich glaube auch, dass immer mehr Fleischverarbeiter sich unserem Weg anschließen werden – und zwar nicht bei ausgewählten „Tierwohl-Projekten“, sondern grundsätzlich. Die Bauern hätten es sich wahrlich verdient. Hier gehts letztlich um den Erhalt von Kulturgut, um die Absicherung unserer hohen Standards bei Tierwohl und Naturschutz, um das Fundament für den Tourismus. Das sollte man nie vergessen, wenn man über die Landwirtschaft spricht.

Ist der Konsument bereit, dafür zu bezahlen?
Ich bin ehrlich gesagt absolut davon überzeugt, dass der Konsument bereit ist, dafür zu bezahlen, wenn er verstanden hat, was er damit alles finanziert. Dazu braucht es aber Transparenz und es braucht vor allem Glaubwürdigkeit. Und es braucht ein stärkeres Bewusstsein für die Zusammenhänge und Auswirkungen. Es geht um den Geschmack, um Gesundheit, es geht um das Wohl der Tiere, das Überleben der Bauern, die Intaktheit der Natur, es geht ums Klima, um die Vitalität der Regionen, um den Tourismus – und vieles mehr. Das alles ist letztlich mit unserer Ernährung verbunden. Und genau das müssen wir ihnen sagen.

Sehen Sie sich da eher als Rebell oder als Wegbereiter?
Ich würde mich selbst nie als Rebell bezeichnen, habe aber Verständnis für Menschen, die angesichts der desaströsen Entwicklung im Schweinebereich rebellisch werden. Ich sehe mich selbst mehr als Familienunternehmer, der sich nicht mit dem Status quo abfinden kann. Ich fühle eine Verantwortung dafür, dass wir auch zukünftig noch eine gesunde und existenzsichernde Landwirtschaft in Österreich haben. Ich fühle mich gerade auch als Fleischproduzent mitverantwortlich für das Wohl der Tiere und für gesunde Böden und Gewässer.
 
Auch mit dem Tierschutzvolksbegehren kooperieren Sie seit heuer, wieso diese deutliche Zuwendung zu diesem Thema?
Es gibt zwei Hauptgründe für diese Zusammenarbeit. Erstens bin ich der Meinung, dass wir die aktuell wieder sehr emotional und teils leider faktenbefreit geführte Debatte zu Tierwohl und Tierschutz nicht entkoppelt führen dürfen von jener um die Zukunft der Landwirtschaft. Sonst werden wir die Spaltung zwischen Konsumenten und Produzenten nie überwinden und genau das müssen wir aber, wenn wir nachhaltigen Fortschritt erzielen wollen. Wir haben uns daher bewusst für die Kooperation mit einer direkt-demokratischen und unabhängigen Initiative entschieden. Denn wir brauchen, und das ist der zweite Hauptgrund dafür, unbedingt die Einbindung der Konsumenten und Bürger. Wir müssen den Dialog mit ihnen intensivieren, damit wir auch für unsere Bauern den Absatzmarkt langfristig aufbereiten.

Eines Ihrer Lieblingsthemen ist die Rückverfolgbarkeit bis zum einzelnen Produkt im Regal. Wird das goutiert?

Transparenz und Rückverfolgbarkeit sind für uns gleichermaßen Herzensangelegenheit wie unternehmerisches Alleinstellungsmerkmal. Unserer Meinung nach haben die Konsumenten ein Recht darauf zu erfahren, was auf ihren Tellern landet und welche Geschichte die Lebensmittel haben. Und zwar im Supermarkt genauso wie im Gasthaus oder an der Tankstelle. Gourmetfein ist der einzige österreichische Fleischverarbeiter, der zu 100 Prozent auf AMA-zertifizierte Ware setzt. AMA gilt dabei als Mindeststandard, denn wir gehen bereits einige Schritte weiter und garantieren zum Beispiel die Herkunft der Rohstoffe eidesstattlich.

Abschließend bitte um einen kurzen Ausblick auf 2021.
Der Trend zu Regionalität, Tierwohl und Naturschutz wird sich verstärken, die Menschen werden immer mehr auf Transparenz setzen und echte Rückverfolgbarkeit honorieren. Ich bin also davon überzeugt, dass es ein gutes Jahr für all jene wird, die die Zeichen der Zeit erkannt haben und sich primär den Konsumwünschen der Bevölkerung widmen.