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Rewe-Vorstand Rewe Haraszti kann mit der Performance seines Unternehmens im ersten Halbjahr sehr zufrieden sein.  © Rewe Group

So läuft's bei Rewe

Wenig clevere Politik & smarte Eigenmarken

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 09.08.2023 - 12:11

Marcel Haraszti hat sich einen ruhigen Sommer wahrlich verdient. Der Vorstand der Rewe Group in Österreich kann nämlich auf ein ziemlich erfolgreiches erstes Halbjahr zurückblicken. Ausgerechnet der Mann, der in den vergangenen Jahren immer wieder betont hatte, dass ihm die Kundinnen- und Kundenzufriedenheit wichtiger sei als die Marktanteile, war der Wachstumssieger der ersten fünf Monate. In den ersten fünf Monaten des laufenden Jahres gewann Rewe laut NielsenIQ-Daten 0,4 Prozentpunkte dazu. Dabei waren die strategischen Entscheidungen der Rewe unter Haraszti nicht immer auf Gegenliebe gestoßen. Vor allem die Transformation von Merkur zu Billa Plus hatte in der Branche auch für Unverständnis gesorgt. Eine so gut eingeführte Marke wie Merkur einfach einstampfen? Kann das gut gehen? Es kann und es ging. Das zumindest zeigen die vorhin erwähnten Marktanteilszugewinne. Haraszti bleibt seiner Linie trotzdem treu: „Ich habe in der Vergangenheit, als wir Marktanteile verloren haben, nicht von Marktanteilen gesprochen. Jetzt haben wir dazugewonnen. Das spielt für uns keine Rolle. Viel wichtiger ist, wie wir uns bei der Kundinnen- und Kundenwahrnehmung entwickeln.“ Und gerade in diesem Bereich würde man vor allem mit Billa Plus punkten, so Haraszti.

Preissenkungen seit Jahresbeginn

Im Zuge der steigenden Inflation hat Rewe massiv sein Preiseinstiegssegment ausgebaut, erklärt der Rewe-Chef. Insgesamt wurde das Clever-Segment um zwölf Prozent auf 730 Artikel ausgeweitet. Auch die nicht unumstrittene Strategie, neben Ja! Natürlich mit Billa Bio noch eine zweite, günstigere Bio-Marke einzuführen, habe sich bezahlt gemacht. „Rückblickend gesehen war das eine unserer besten Entscheidungen. Wir haben bei Billa Bio aktuell 255 Artikel und wachsen nicht nur beim Umsatz, sondern auch bei der Menge.“ Überhaupt wachse Billa im Bio-Segment stärker als der Mitbewerb, so Haraszti. Der Rewe-Vorstand erwähnt aber auch die Preissenkungen, die das Unternehmen durchgeführt hat: „Wir haben seit Jahresbeginn die Preise von 400 Artikeln preisgesenkt. Wir verhandeln sehr hart mit den Lieferanten, damit die Preissenkungen genauso schnell weitergegeben werden wie die Preissteigerungen.“

Haraszti kritisiert Politik

Kein gutes Haar lässt Haraszti an der Politik – zumindest wenn es ums Thema Teuerung geht. Wir erinnern uns: Im Zuge der Preisdiskussion versuchten Politikerinnen und Politiker aus allen Parteien, dem Lebensmittelhandel den schwarzen Peter zuzuschieben. Haraszti: „Wir sind halt eine ideale Zielscheibe, weil wir der Letzte in der Supply Chain sind. Das sieht natürlich auch die Politik, für die es dann sehr einfach ist, zu sagen, dass die Lebensmittelhändler die Preise erhöhen.“ Kaum jemand, so Haraszti weiter, mache sich die Mühe, die ganze Versorgungskette anzusehen. Politikerinnen und Politikern empfehle er, die Bilanzen der Unternehmen zu lesen. Dann würden sie vielleicht erkennen, wo die Gewinne wirklich hinwandern. Und der Rewe-Vorstand weiter:  „Man muss sich nur die Bilanzen der Handelsunternehmen aus dem Vorjahr ansehen, dann sieht man schnell, dass es für uns ein ökonomisch schwieriges Jahr war. Gleichzeitig haben sich die großen internationalen Konsumgüterunternehmen für die besten Ergebnisse feiern lassen.“ Nachsatz: „Wenn man sich die Ergebnisse von Nestlé oder Mars ansieht, erkennt man schnell, dass wir Händler klein und unbedeutend sind.“ Selbst beim eilig einberufenen Lebensmittelgipfel seien sich alle Wirtschaftsforscher einig gewesen, dass die Preissteigerungen bei Lebensmitteln in Österreich unter dem EU-Durchschnitt liegen, betont Haraszti: „Alle vier Wirtschaftsforscher haben gesagt, dass der Lebensmittelhandel die Inflation gedämpft hat, im Gegensatz zu den Maßnahmen der Politik.“ Aber die Politik, so Haraszti weiter, veranstalte lieber „Showgipfel“, während der Lebensmittelhandel hart daran arbeite, Einkäufe leistbarer zu machen. Überhaupt sei es so, dass Lebensmittelhändler als Wirtschaftsmacht überschätzt, aber als Wirtschaftsfaktor für Österreich unterschätzt werden, ist sich Haraszti sicher. Auch den berüchtigten Preisvergleichen mit Deutschland erteilt Haraszti eine Absage: In Deutschland betrage der Aktionsanteil rund zwölf Prozent, in Österreich circa 40 Prozent. „Am Ende des Tages zählt nicht der höhere Regalpreis, sondern das, was an der Kasse bezahlt wird“, so Haraszti.

Bipa entwickelt sich immer besser

Keinen Ärger, sondern ganz im Gegenteil viel Freude bereitet Haraszti derweil die Entwicklung bei Bipa. Jahrelang galt der pinke Drogeriemarkt als Sorgenkind im Rewe-Kosmos. Nach zahlreichen personellen Rochaden an der Spitze, einer grundlegenden Überarbeitung des Sortiments inklusive eines massiven Ausbaus des Eigenmarkenangebots und einer Neugestaltung der Läden wurde der Turnaround geschafft. „Vor drei, vier Jahren ist es Bipa nicht so gut gegangen, jetzt geht es Bipa sehr gut. Im Vorjahr konnte Bipa um 7,5 Prozent wachsen und heuer beträgt das Plus mehr als zwölf Prozent.“

Offensive der Kaufleute

Doch zurück zu Billa. Der vielleicht interessanteste Paradigmenwechsel in der jüngeren Billa-Geschichte ist die Implementierung des Kaufmann- beziehungsweise Kauffrau-Modells. Vier Billa-Supermärkte wurden bereits an Selbständige übergeben. Zwölf weitere Kaufleute sollen heuer noch folgen. Ende 2026 sollen dann bereits 100 Selbständige Billa-Märkte führen. Interessantes Detail: Möglicherweise noch heuer, jedoch spätestens im kommenden Jahr wird auch der erste Billa-Plus-Markt an eine Kauffrau oder einen Kaufmann übergeben. Das Kaufleute-Prinzip funktioniert bei Billa so: Der Kaufmann beziehungsweise die Kauffrau gründen gemeinsam mit Billa eine Offene Gesellschaft (OG), an der Billa 20 Prozent und der Kaufmann oder die Kauffrau 80 Prozent hält. Zudem stellt Billa die Immobilie zur Verfügung. Der Kaufmann oder die Kauffrau zahlt dann eine Umsatzmiete. Der oder die die Selbständige kann dann bei der Sortimentspolitik auf das Billa-, Billa-Plus- und Billa-Corso-Sortiment zurückgreifen sowie Produkte von Lieferantinnen und Lieferanten außerhalb des herkömmlichen Billa-Universums einlisten.