Trends 2022

Grün, grün, grün ...

Ein Artikel von Johannes Lau | 25.01.2022 - 08:44
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Der erste Monat im Jahr ist die Zeit der Vorsätze, Erwartungen und Prognosen. Aber die vergangenen 22 Monate im Schatten der Pandemie haben ganz besonders vor Augen geführt: Erstens kommt es anders und zweitens als man denkt. Nicole Berkmann, Unternehmenssprecherin von Spar, nimmt die anhaltende Krisenlage mit ihren zahlreichen Unwägbarkeiten trotz alledem mit Humor: „Überraschungen haben es an sich, dass man sie nicht voraussehen kann.“ Mit großen Trendwenden im Sortiment rechnet sie aber nicht: „Die Trends im Lebensmittelhandel haben sich nicht verändert.“ Berkmann nennt die Stichwörter Regionalität, vegan/vegetarisch, hochwertiges Fleisch, gesunde Ernährung und den Bio-Bereich. „Durch die Pandemie haben diese Trends zusätzlich an Fahrt gewonnen. Das wird sicher auch heuer ein bestimmender Faktor bleiben. Wir bedienen alle diese Trends.“ So habe man gerade Produkte im Bereich pflanzenbasierter Fischalternativen eingeführt. Gerade hier werde sich in diesem Jahr noch einiges tun: „Wir gehen davon aus, dass es in der pflanzenbasierten Ecke zu einigen interessanten Neuentwicklungen kommen wird. Hier ist gerade viel Bewegung drin.“

Pflanzliche Ersatzprodukte werden auch beim größten Mitbewerber Rewe nachgefragt: „Wir sehen eine verstärkte Nachfrage für Milch- und Fleisch-Alternativen“, stellt Pressesprecher Paul Pöttschacher fest. „Diese Trends werden den Handel auch weiterhin beschäftigen, wenn die Pandemie vorüber ist.“ Bestimmte Produktgruppen, die früher ein Nischendasein fristeten, seien nämlich inzwischen im Mainstream etabliert. „Kundinnen und Kunden wünschen verstärkt biologisch erzeugte Produkte und umweltfreundliche Verpackungslösungen.“ Deshalb komme es in Zukunft weiter darauf an, den Konsumenten im Sortiment hohe Qualität und große Vielfalt bieten zu können. Dazu habe Rewe selbst gerade im letzten Jahr Fortschritte gemacht: „Die in den vergangenen Monaten erfolgten Anpassungen innerhalb unseres Unternehmens tragen bereits Früchte und haben dazu geführt, dass Abläufe effizienter gestaltet sind und auch dass das Sortiment punktgenauer angepasst werden kann.“ So sei laut Pöttschacher Rewe weiterhin gut gewappnet – auch weil man sich stetig an die Herausforderungen in Covid-Zeiten angepasst habe: „Die Pandemie hat natürlich das Einkaufsverhalten in den letzten Monaten geprägt und wird nach wie vor einen gewissen Einfluss ausüben – von derart tiefgreifenden Veränderungen wie zu Beginn der Corona-Krise gehen wir allerdings nicht mehr aus.“

Werben um Flexitarier
Aber auch bei den Diskontern wird das Sortiment zunehmend begrünt: „Es wird wieder mehr Geld für hochwertige Lebensmittel ausgegeben – vor allem für heimische Artikel und Bio-Qualität“, berichtet Lidl-Sprecher Hansjörg Peterleitner. „Deshalb haben wir uns hier ambitionierte Ziele gesetzt und unser Produktportfolio in diese Richtung angepasst und deutlich ausgebaut: Allein im vergangenen Jahr haben wir rund 400 neue Artikel eingelistet.“ So sei das Angebot von Lidl jetzt noch regionaler und vielfältiger – vor allem das Frische- und Bioangebot wurde erweitert. „Hier haben wir uns zum Ziel gesetzt, jeden Eckartikel auch in Bio-Qualität anzubieten. Aktuell kommen wir hier bereits auf über 250 Bio-Produkte.“ Gleichzeitig wolle man den veganen Bereich stärken, aber nicht bloß, um eine spezielle Kundengruppe anzusprechen, sondern die wachsende Masse: „Flexible Ernährung wird immer mehr zum Trend. Damit wollen wir nicht nur Veganerinnen und Veganer ansprechen, sondern die große Gruppe der Flexitarier, die sich bewusst für weniger tierische Produkte entscheiden. Bis 2025 möchten wir hier auf über 400 Produkte aufstocken“, verrät Peterleitner und richtet eine Ansage an die Konkurrenz: „Unser Ziel ist klar, im Diskontbereich beim veganen Angebot die Nummer eins zu sein.“

Der Wunsch nach mehr Nachhaltigkeit treibt aber nicht nur den Lebensmittelhandel um. Das Thema steht zudem in den Drogerien weit oben auf der Agenda, wie man von dm-Pressesprecher Stefan Ornig hört: „Insbesondere das Bestreben, ein noch nachhaltigeres Sortiment zu bieten, wird den österreichischen Handel auch im Jahr 2022 intensiv beschäftigen. Um den Kundinnen und Kunden ein noch nachhaltigeres Einkaufserlebnis bieten zu können, gilt es, verstärkt umweltfreundliche Produkte in das Sortiment aufzunehmen und weiterzuentwickeln und unsere Kunden für Lösungen zur Reduzierung von Verpackungsmüll zu begeistern.“ dm setzt dazu auf Ausbau der Nachfüllstationen, ein Pilotprojekt zur Verpackungsrücknahme und die Teilnahme an der Initiative „Greenpack“ der Österreichischen Post zur Erweiterung des Angebots von Mehrwegversandlösungen. Dennoch bleibt 2022 vorerst die Pandemie die größte organisatorische Herausforderung: Schließlich leidet auch das dm-Sortiment unter jeder Einschränkung – weil sich viele Menschen erst herausputzen, wenn sie normal vor die Tür gehen können: „Im Bereich einiger Beautysortimente, aber auch in unseren Studios ist die Nachfrage spürbar abhängig von der Frage, in welchem Ausmaß gesellschaftliches Leben stattfinden kann.“

Vielfalt als guter Ton
Da das gesellschaftliche Leben insgesamt in den letzten zwei Jahren durcheinandergeraten ist, traf die Pandemie die Gastronomie noch viel schwerer als den Handel. Das macht sich etwa bei Transgourmet bemerkbar: „Auch eine Begleiterscheinung der Pandemie ist leider der anhaltende Fachkräftemangel, der sowohl uns als Händler als auch unsere Kunden betrifft“, beklagt Geschäftsführer Thomas Panholzer. „Aufgrund des Fachkräftemangels sind all jene Produkte, die das Personal ‚freispielen‘, gefragt. Hier können wir als Händler im Bereich Sortiment Unterstützung anbieten. Wir können den Fachkräftemangel bedauern – oder eben aktiv Lösungen anbieten, die der aktuellen Realität entsprechen. Gastronomen und andere Verpflegungsdienstleister müssen sich mehr denn je auf das Kerngeschäft und die Gastlichkeit konzentrieren können – wir sorgen im Hintergrund für reibungslose Abläufe.“ Transgourmet setzt dazu derzeit vor allem verstärkt auf die Convenience-Produkte seiner Linie „Smart Cuisine“: „Damit stellt Transgourmet der Gastronomie und Großverbrauchern Produkte zur Verfügung, die fixfertig auf höchstem Qualitätsniveau und genau kalkulierbar angeboten werden.“ Zudem müsse man auf das insgesamt stark gewachsene To-go-Angebot mit entsprechenden Produkten reagieren. Aber auch grundsätzlich wird versucht, das Sortiment zu erweitern – und das bedeutet auch hier, es ökologischer zu gestalten: Schließlich nimmt im Wirtshaus die Nachfrage nach grünen Produkten ebenfalls zu: „Es ist unübersehbar: Immer mehr Menschen verzichten ganz oder teilweise auf tierische Produkte. Es gehört mittlerweile zum guten Ton in der Gastronomie, eine Vielfalt an entsprechenden Gerichten anzubieten.“ Allein das entsprechende Angebot reiche für Transgourmet aber nicht – laut Panholzer komme es weiterhin auf die entsprechende Kommunikation an: „Österreich konnte sich in den letzten beiden Jahren auch bei inländischem Publikum verstärkt als Top-Kulinarik-Destination positionieren. Wir als Handelshaus bieten die dafür nötigen Zutaten an. Jetzt gilt es, Kunden das jeweilige Verdienstpotenzial durch den Einsatz höherer Qualität aufzuzeigen.“

Produkte neu denken
Kommunikationsbedarf vermeldet ebenfalls mancher große Markenartikler. Nikolaus Huber, Geschäftsführer von Unilever Austria und seit vergangenem Oktober Präsident des Österreichischen Markenartikelverbandes, erklärt: „Unsere Branche erlebt einen starken Anstieg der Kosten für Rohwaren, Energie, Logistik und Transport. Gleichzeitig gehen auch wichtige Nachhaltigkeitsinitiativen in unserem Portfolio mit zum Teil deutlich höheren Kosten einher. Diese Herausforderung gilt es jetzt gemeinsam mit dem Handel zu lösen. Es wird unumgänglich sein, diese Kostensteigerungen an die Konsumentinnen und Konsumenten weiterzuvermitteln.“ Nachhaltigere und qualitativ hochwertigere Produkte haben eben auch ihren Preis. „Verantwortungsvoller und nachhaltiger Konsum ist ein wichtiger Mega-Trend und fordert die gesamte FMCG-Branche heraus. Das ändert auch das Anforderungsprofil an große Marken. Unternehmen sind jetzt mehr denn je gefragt, grüne Strategien umzusetzen sowie die Architektur und Verpackung ihrer Produkte anzupassen.“ Die Pandemie habe die Verschiebungen in den Kategorien noch zusätzlich verstärkt und mit diesen Veränderungen müsse man eben Schritt halten: „Es ist wichtig, die Konsumentinnen und Konsumenten auch 2022 mit einem starken Innovationsprogramm zu begeistern.“ Sein eigenes Unternehmen sieht Huber in der Hinsicht bereits auf einem guten Weg: „Bei uns macht die Innovationsrate je nach Kategorie zwischen 20 und 40 Prozent aus.“

In das gleiche Horn stößt Birgit Rechberger-Krammer, Präsidentin von Henkel Österreich: „Wir als Markenartikel-Unternehmen setzen auf drei strategische Eckpfeiler, nämlich Innovation, Nachhaltigkeit und die Digitalisierung, um Wachstum zu generieren. Diese Trends sind eng miteinander verwoben. Durch neue Rezepturen, Formeln oder Verpackungslösungen gestalten wir unsere Produkte nicht nur nachhaltiger, sondern denken sie insgesamt neu.“ Aber auch wenn man bei Henkel einiges im Köcher hat, werde wohl auch 2022 kein einfaches Jahr: „Ich bin jetzt seit 30 Jahren bei Henkel, aber ich bin noch nie in ein neues Jahr mit so wenig Planungssicherheit gestartet. Wir müssen unsere Pläne laufend an sich ständig verändernde Parameter anpassen. Die Situation auf den Beschaffungsmärkten gleicht seit Herbst einer Hochschaubahn. Das erzeugt eine unglaubliche Volatilität.“ Und das wird sich so schnell wohl nicht ändern: Auch wegen Omikron sei es derzeit schwierig zu prognostizieren, wie sich das Konsumklima und damit die Märkte in Österreich entwickeln werden. Aber Rechberger-Krammer hat dennoch das Ziel, Henkels Marktposition zu verteidigen – auch indem man bei den Konsumenten weiter im Gespräch bleibt: „Gerade in schwierigen Zeiten sind starke Marken ein wichtiger Vertrauensanker für verunsicherte Konsumenten. Das heißt, wir haben 2020 und 2021 überdurchschnittlich stark geworben und wollen diesen Trend 2022 fortsetzen.“