Bio & regional

Regionalität wird wichtiger

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 09.03.2022 - 10:30
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Regional. Es ist ein Schlagwort, das gerade im Lebensmittelhandel seit einigen Jahren inflationär verwendet wird. Dabei ist der Begriff geografisch gar nicht so leicht einzugrenzen. Welche Produkte sind wirklich regional? Nur jene, die aus dem unmittelbaren Umfeld kommen? Oder auch jene, die aus dem eigenen Bundesland stammen? Sind nicht alle Produkte, die in Österreich hergestellt werden, irgendwie regional? Darüber streiten sich seit Längerem schon die Geister. Worüber sich freilich nicht streiten lässt, ist die Tatsache, dass regionale Produkte und damit das Thema Herkunft bei den Konsumentinnen und Konsumenten eine extrem wichtige Rolle spielen. Das zeigt nun auch eine Studie, die der Wiener Marktforscher Paul Unterhuber mit seinem Institut Demox Research hat erstellen lassen. Unterhuber befragte 1.500 österreichische Konsumentinnen und Konsumenten zu ihrem regionalen Einkaufsverhalten. Eine der zentralen Erkenntnisse der Studie lautet: Die Bevölkerung will eine klare Produktkennzeichnung. Unterhuber stellte den Studienteilnehmern die Frage, wie sehr sie dem folgenden Satz zustimmen: Mir ist es wichtig, beim Einkauf Lebensmittel mit Herkunft aus Österreich oder anderen Ländern durch eine klare Ursprungsbezeichnung unterscheiden zu können. Das Ergebnis ist eindeutig: 53 Prozent stimmen der Aussage voll zu. Weitere 31 Prozent stimmen eher zu. Eher unwichtig finden das Thema gerade mal neun Prozent. Nur zwei Prozent ist die Ursprungsbezeichnung völlig egal. Beim Einkauf achten laut der Studie dann 29 Prozent der Befragten immer darauf, wo die Lebensmittel produziert wurden beziehungsweise wo sie herkommen. Deutlich mehr als die Hälfte der Befragten, nämlich 56 Prozent, achten meistens auf die Herkunft. Zwölf Prozent der Studienteilnehmerinnen und -teilnehmer achten nicht darauf, woher die Produkte kommen.

Wichtigster Kauffaktor
Eine weitere wichtige Erkenntnis der Demox-Studie lautet: Das Thema Regionalität hat während der Corona-Krise an Fahrt aufgenommen. Das zumindest finden 57 Prozent der Befragten. 35 Prozent finden, dass das Thema Herkunft gleich wichtig wie vor der Krise ist. Nur zwei Prozent finden, die Bedeutung von Regionalität habe abgenommen. Unterhuber ließ auch das Einkaufsverhalten der Österreicherinnen und Österreicher bei Lebensmitteln abfragen. Konkret wurde den Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Umfrage eine Liste mit möglichen Kauffaktoren vorgelegt, aus denen sie maximal fünf Faktoren auswählen sollten. Auf Platz eins der Kauffaktoren landete die österreichische Herkunft. 51 Prozent der Befragten hatten das Thema in ihrer Auswahl. Auf Platz zwei wurde der Preis gewählt. Den dritten Platz belegte das Thema regionale Herkunft. Auch nicht uninteressant: Sowohl das Thema österreichische Herkunft als auch das Thema regionale Herkunft sind für die Konsumentinnen und Konsumenten laut dieser Studie wichtiger als das Thema Bio.

Mehrheit ist bereit, mehr zu zahlen
Unterhuber und sein Team widmeten sich auch dem Thema Lebensmittelpreise. Konkret fragten sie die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, ob sie folgendem Satz zustimmen: Für Lebensmittel mit garantierter regionaler Herkunft bin ich bereit, mehr zu bezahlen. 25 Prozent stimmen dem Satz voll und ganz zu, weitere 43 Prozent stimmen ihm eher zu. Gerade mal zehn Prozent können mit der Aussage gar nichts anfangen. Überraschend: 68 Prozent der Befragten sind entweder voll und ganz oder eher der Meinung, dass das Angebot an regionalen Produkten im LEH zu klein sei und ausgebaut werden sollten. Laut der Studie fordern zudem 71 Prozent der Befragten, dass eine Herkunftskennzeichnung auch in Kantinen, Mensen und Gemeinschaftsküchen verpflichtend sein soll. Generell stimmen laut der Demox-Studie 61 Prozent der Bevölkerung der folgenden Aussage entweder ganz oder eher zu: Die Herkunftskennzeichnung von Lebensmitteln aus Österreich ist klar und übersichtlich beim Einkauf zu finden. 35 Prozent stimmen der Aussage entweder gar nicht oder eher nicht zu.

Lückenschluss-Verordnung tritt in Kraft
Das Thema Herkunftskennzeichnung beschäftigt aber nicht nur die Meinungsforschung, sondern auch die Politik. Vergangenen Dezember hat Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein eine sogenannte Lückenschluss-Verordnung für die geplante Lebensmittel-Herkunftskennzeichnung erlassen. Es handelt sich um eine Verpflichtung zur Weitergabe von Informationen über die Herkunft von Fleisch, Milch und Eiern entlang der Lieferkette von Lebensmittelproduzenten. Darüber hinaus ist das Ursprungsland den Lebensmittelaufsichtsorganen nachzuweisen. Die Verordnung gilt für inländische Schlacht- und Zerlegungs-, Molkerei- und Eibetriebe. Sie tritt nun fix am 1. Juli in Kraft. Mückstein bezeichnete den Schritt im Dezember als „ersten großen Schritt in Richtung Transparenz für die Konsumentinnen und Konsumenten bei der Herkunftskennzeichnung in Österreich“. Christian Lauer, Rückverfolgungs-Experte bei GS1 Austria, sieht die Sache differenziert: „Im Prinzip wurde hier eine Verordnung verabschiedet, die viele Bereiche betrifft, die heute schon gang und gäbe sind. Ich denke etwa an das Frischfleischangebot oder an das Eier-Sortiment im heimischen LEH. Von einem flächendeckenden, verpflichtenden Regionalitätsnachweis sind wir aber trotz Lückenschluss-Verordnung noch weit entfernt.“ Dennoch sei die Verordnung ein Schritt in die richtige Richtung, findet Lauer: „Sie kann eine Vorbildwirkung für andere Sortimentsbereiche haben. Vielleicht tut sich auch schon bald etwas bei Fisch, Obst und Gemüse.“ Interessant sei auch, wie sich die Umsetzung in der Gastronomie und in den Großküchen gestalten werde. „Bei der Umsetzung der Lückenschluss-Verordnung können Unternehmen auf unser Know-how zurückgreifen“, so Lauer. GS1 Austria unterstützt Unternehmen seit vielen Jahren dabei, rückverfolgbarkeitsbezogene Daten und Herkunftsangaben entlang der gesamten Wertschöpfungskette abzubilden und auszutauschen.