Jahresrückblick

Rückblick auf 2021

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 13.12.2021 - 10:16
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© Hannes Eisenberger

Was werden Historikerinnen und Historiker einst über das Jahr 2021 schreiben? Aus heutiger Sicht ist das schwer zu sagen, weil uns der zeitliche Abstand fehlt, der nötig ist, um Ereignisse richtig einzuordnen. Aktuell lässt sich Folgendes sagen: Das Jahr liegt – genau wie unsere Geduld – in den letzten Zügen. Das Coronavirus ist immer noch das wichtigste Thema – und das nicht nur in der Handelsbranche. Ein bisschen fühlt sich 2021 wie 2020 an, nur mit dem Unterschied, dass es inzwischen die Impfung gibt. Leider gibt es auch Mutationen, die den Erfolg der Impfung untergraben. Und: Eine beispiellose Flut an Desinformation sorgte heuer dafür, dass viel mehr Menschen als gedacht vor einer Impfung zurückschrecken. Viele dieser Menschen bezahlen diesen Irrtum mit ihrem Leben. Das postfaktische Zeitalter ist lebensbedrohlich. Information und Fehlinformationen machen heute oftmals den Unterschied zwischen Leben und Tod aus.
So weit, so schlecht. Doch es gibt auch Licht am Ende des Tunnels. In Österreich kommt eine Impfpflicht, was dazu führen wird, dass die Impfquote weiter steigen wird. Und: Erste Untersuchungen der neuen Omikron-Variante legen die Vermutung nahe, der neue Strang könnte weniger schwere Verläufe nach sich ziehen.

Gesamtmarkt bleibt stabil
Kommen wir aber zum heimischen LEH. Wenn ich vorhin geschrieben habe, dass sich 2021 ein bisschen wie 2020 reloaded anfühlt, dann trifft das auch auf die Umsatzentwicklung im Lebensmittelhandel zu. KEYaccount liegen die NielsenIQ-Umsatzzahlen der ersten zehn Monate des Jahres vor. Und die zeigen, dass sich das Marktvolumen im LEH im Vergleich zur Vorjahresperiode nahezu ident entwickelt hat. Nach zehn Monaten liegt der Gesamtumsatz im LEH gerade mal 0,6 Prozent unter dem Wert der ersten zehn Monate des Vorjahres. Ein Minus mag im ersten Moment unerfreulich sein, aber man darf nicht vergessen, dass der LEH im Ausnahmejahr 2020 um 10,1 Prozent zugelegt hatte. Dass man also das extrem hohe Niveau des Vorjahres ungefähr hat halten können, kann nur als großer Erfolg gelesen werden.

Spar zieht davon
Und wie haben die einzelnen Player heuer abgeschnitten? Um das seriös zu analysieren, muss man noch einmal einen Blick ins Vorjahr werfen. 2020 legte Spar bei den Umsätzen um atemberaubende 16 Prozent zu und überholte den langjährigen Mitbewerber Rewe. Spar beendete 2020 mit einem Marktanteil von 34,6 Prozent, Rewe landete bei 33,3 Prozent. Spar hatte Rewe im Vorjahr also nicht nur überholt, sondern gleich um 1,3 Prozentpunkte hinter sich gelassen. Diese Entwicklung sollte sich 2021 fortsetzen. Nach zehn Monaten hält Spar bei einem Marktanteil von 35,9 Prozent. Das bedeutet, dass der Marktführer im Vergleich zum Gesamtjahr 2020 in den ersten zehn Monaten noch mal um 1,3 Prozentpunkte zulegen konnte. Spar wird also auch das heurige Jahr wieder als Wachstumssieger beenden. Wenn man sich die Zuwachsraten bei den Spar-Marktanteilen ansieht und von einer Marktentwicklung von minus 0,6 Prozent ausgeht, dann kann man eine vorsichtige Schätzung des Umsatzwachstums von Spar wagen: Das Umsatzplus der Tanne dürfte heuer ungefähr zwischen drei und 3,5 Prozent betragen.

Rewe schlägt sich gut
Rewe konnte mit dem Tempo der Tanne nicht mithalten und legte bei den Marktanteilen gerade mal um 0,6 Prozent zu. Trennten die beiden vor einem Jahr noch 1,3 Prozentpunkte, so sind es mit Stand Ende Oktober 2021 bereits ganze zwei Prozentpunkte.
Zu behaupten, Rewe sei der Verlierer des Jahres, wäre trotzdem falsch. Vorstand Marcel Haraszti setzte heuer ein ambitioniertes wie nicht unumstrittenes Restrukturierungsprogramm um. Der fliegende Wechsel von Merkur zu Billa Plus war mutig und verschaffte dem Unternehmen eine maximale öffentliche Aufmerksamkeit. Gerade nach der Umstellung legte Rewe bei den Marktanteilen zu. Und auch im Oktober performte der ehemalige Marktführer überraschend gut. So lag der Rewe-Marktanteil im Oktober bei 33,7 Prozent. In diesem Einzelmonat betrug der Abstand auf Spar trotzdem 2,4 Prozentpunkte. Immerhin: Im Monat davor hatte dieser noch drei Prozentpunkte betragen. Unterm Strich kann man in der Wiener Neudorfer Konzernzentrale mit dem Ergebnis des nun zu Ende gehenden Jahres also sicher leben.

Diskonter weiter in der Defensive
Weniger zufrieden werden hingegen die beiden Diskonter Hofer und Lidl sein. Sie setzten heuer ihren Abwärtstrend fort. Mehr noch: Die Talfahrt der Billiganbieter nahm sogar an Fahrt auf. Zum Jahresende 2020 landeten die beiden Diskonter, die von NielsenIQ in den Marktanteilen bekanntlich gemeinsam ausgewiesen werden, bei 24,9 Prozent. Ende 2019 waren es noch 25,4 Prozent gewesen. Nach zehn Monaten des laufenden Jahres halten die beiden gerade noch einen gemeinsamen Marktanteil von 23,2 Prozent. In nur zehn Monaten haben Hofer und Lidl damit weitere 1,7 Prozent eingebüßt. Im Einzelmonat September stürzte das Duo sogar auf einen Marktanteil von 22,6 Prozent ab. Im Oktober stabilisierten sich die Diskonter wieder leicht und landeten bei 23,2 Prozent. Vor allem Hofer tut sich heuer schwer. Der in der Pandemie schlagend gewordene Trend zum One-Stop-Shopping begünstigt ganz klar die Vollsortimenter. Ein hochrangiger Manager eines Hofer-Mitbewerbers attestierte dem Diskonter im KEYaccount-Gespräch sogar ein Positionierungsproblem. „Der größte Diskonter kann sich einfach nicht entscheiden, ob er preisaggressiver Supermarkt oder ein Soft-Diskonter sein will“, so der Manager. Eine der interessantesten Fragen des kommenden Jahres lautet daher: Mit welchen Strategien werden Hofer und Lidl 2022 versuchen, eine Trendwende herbeizuführen?

Der letzte Lockdown des Jahres
Der vierte Lockdown in der ersten Dezemberhälfte traf den heimischen Handel mitten ins Herz. Dass erstmals die Geschäfte sogar an einem Sonntag (19. Dezember) aufsperren dürfen, ist halb Tabubruch, halb Zugeständnis an eine Branche, die aktuell um ihre Existenz kämpft. Die internationalen Onlineriesen sowie der Lebensmittelhandel profitieren freilich von diesem Lockdown. Einzig beim Marktführer Spar betrachtet man den erneuten Lockdown mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zwar dürfte gerade die Großfläche, sprich Interspar, vom vierten Lockdown extrem profitiert haben, dafür mussten die Spar-Einkaufszentren in den ersten beiden Weihnachtswochen geschlossen halten.
Apropos Spar: Ende 2020 nahm Gerhard Drexel, der langjährige Vorstandsvorsitzende von Spar, Abschied vom operativen Geschäft und wechselte in den Aufsichtsrat des Unternehmens. In seinem letzten Interview mit KEYaccount kündigte der damals frisch gebackene Marktführer vollmundig an, dass Spar die Marktführerschaft 2021 nicht nur verteidigen, sondern noch ausbauen werde. Es soll in der letzten KEYaccount-Ausgabe nicht unter den Tisch fallen: Gerhard Drexel hat recht behalten.