Frühstück

Morgenstund hat Geld im Mund

Ein Artikel von Johannes Lau | 07.09.2021 - 14:21
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Breakfast served in bed on a tray © Shutterstock

Die Pandemie hat unser aller Leben einschneidend verändert. Das hat sich auch in den eigenen vier Wänden bemerkbar gemacht, konstatiert Manfred Reichmann, Geschäftsführer von Dr. Oetker Österreich: „Umfragen haben gezeigt, dass sich die Morgenroutine durchaus verschoben hat: Wir duschen und frühstücken später als sonst. Durch den Lockdown und die damit einhergehenden Veränderungen in unserem Alltag – wie Homeoffice, Homeschooling, aber leider auch Kurzarbeit – haben viele Österreicherinnen und Österreicher mehr Zeit zu Hause verbracht und damit auch deutlich mehr Zeit zum Frühstücken gehabt.“ Das hat sich wiederum beim hiesigen Marktführer im Müsli-Bereich, „Vitalis“, positiv auf die Geschäftszahlen ausgewirkt: Umsatz sowie Absatz konnten 2020 im Vergleich zum Vorjahr gesteigert werden. Reichmann erklärt die seit Beginn des ersten Lockdowns im März des Vorjahres gestiegene Müsli-Nachfrage aber nicht nur mit mehr Zeit und Muße für die erste Mahlzeit des Tages: „Dazu kommt, dass man Müsli gut bevorraten kann – auch dies dürfte ein Treiber hinter dem coronabedingten Wachstum der Kategorie sein.“ Aber die aktuelle Situation befördere auch eine Entwicklung, die bereits ein Jahrzehnt anhält: „In den letzten zehn Jahren ist Müsli deutlich stärker gewachsen und die Cerealien haben kontinuierlich verloren – bereits vor einigen Jahren hat Müsli somit den Cerealien-Markt umsatzmäßig überholt und den Vorsprung mittlerweile deutlich ausgebaut. Müsli macht mittlerweile knapp zwei Drittel des gesamten Müsli/Cerealien-Marktes aus, während der Müslianteil im Jahr 2010 nur rund 39 Prozent betragen hat“, berichtet Reichmann. Das erkläre sich vor allem durch den weiterhin anhaltenden Trend zu gesünderer Ernährung, der dazu geführt habe, dass auch das Müsli-Angebot inzwischen vielfältiger und abwechslungsreicher sei – vor allem Bio- und zuckerreduzierte Produkte seien auf dem Vormarsch.

Vertrauen in starke Marken
Rückgänge im Cerealien-Bereich hat die Nestlé-Tochter Cereal Partners Austria dagegen zuletzt nicht bemerkt – im Gegenteil: „Mit einem Wachstum von 11,4 Prozent war 2020 ein starkes Jahr für traditionelle Cerealien“, freut sich Business Development Manager Filip Svensson. So wuchs im Vorjahr der Umsatz überproportional auf rund 12,6 Millionen Euro. Auch hier war die neue Normalität der Wachstumstreiber: „Dieser Umsatzsprung basiert unter anderem auf der verstärkten Nachfrage während des Corona-Lockdowns, in welchem aufgrund von Schulschließungen und Homeoffice wieder vermehrt zu Hause gefrühstückt wurde.“ So habe allein die Marke Nesquik 2020 ihren Umsatz um satte 25 Prozent verbessern können. Und Svensson denkt, dass dieser Zustand erst einmal bestehen bleibt: „Dieser Trend wird uns weiterhin begleiten – nicht zuletzt auch aufgrund der gestiegenen Homeoffice-Möglichkeiten in vielen Berufsbereichen.“ Auch bei Kellogg hat man registriert, dass die Cerealien im Zuge der Maßnahmen gegen Covid-19 einen Zuwachs verzeichneten. Österreich[1]Geschäftsführer Volker Tratz: „Von der Kategorie Müsli war man das in den letzten Jahren gewohnt, doch 2020 konnten auch die Cerealien deutlich zulegen. Der gesamte Cerealien-Markt hat durch das vermehrte ‚Zuhausesein‘ extrem profitiert. Kellogg war Wachstumssieger des Jahres 2020 in der Kategorie Cerealien/Müsli. Kein Hersteller konnte solche Zuwächse verzeichnen.“ Profitiert habe man auch davon, dass man eine gut eingeführte, starke Marke sei: „Es scheint, dass der Konsument in schwierigen Zeiten besonders den Marken vertraut, die ihm geläufig sind – und dazu gehört Kellogg mit seiner über 100-jährigen Tradition.

Woher stammt der Kaffee?
Eine traditionsreiche Marke ist auch Dallmayr, wo man ebenfalls auf ein gutes Geschäftsjahr zurückblickt: Exportleiter Pietro Viganò: „Wir sind mit der Bilanz für das Gesamtjahr 2020 zufrieden. Unsere Marke hat sich in jedem Segment positiv entwickelt.“ Aber natürlich war auch in München nicht alles rosig – vor allem in den Geschäftsbereichen, die die Lockdowns lahmlegten: „Wir hoffen natürlich sehr, dass die Corona-Einschränkungen, die unser Gastronomieund Vendinggeschäft stark beeinträchtigt haben, bald der Vergangenheit angehören.“ Die größte Herausforderung sei aber derzeit gar nicht mehr die Pandemie, sondern die stark steigenden Rohkaffeepreise: „Das wird leider zwangsläufig zu höheren Konsumentenpreisen führen.“ Auch die Kosten für Transport und Verpackungen steigen. Den[1]noch möchte Viganò sich nicht beschweren – die Zeiten seien überall hart: „Angesichts der weltweit schwierigen Lage sind wir mit der aktuellen Entwicklung zufrieden und können uns nicht beklagen.“ Eine Entwicklung, die ihn ebenfalls freut: der anhaltende Bio-Trend. „Das Bewusstsein für nachhaltige Produkte steigt und die Menschen sind auch bereit, für Bio-zertifizierte und faire Lebensmittel mehr Geld auszugeben. Sie fragen: Woher stammt mein Kaffee? Wie wird er angebaut und wie sind die Lebensbedingungen der Bauern und ihrer Familien vor Ort? Eine schöne Entwicklung, die wir mit Freude wahrnehmen und mit einem nachhaltigen Sortiment und gezielter Projektarbeit unterstützen.“ So habe man gerade im vergangenen Jahr das Sortiment um eine nachhaltige Kaffee-Linie mit Bio- und Fairtrade-Siegel erweitert.

Rare Rohware Hagebutte
Während die einen morgens nicht auf die obligatorische erste Tasse Kaffee des Tages verzichten können, schwören andere dagegen auf Tee, der sich ebenfalls auch in Zeiten der Pandemie großer Beliebtheit erfreut: „Im Homeoffice wurde viel mehr Tee getrunken. Wir sind mit dem letzten Geschäftsjahr 2020/21 zufrieden“, sagt Thomas Göbel, Geschäftsführer von Teekanne Österreich. So verzeichnete man in Österreich und Mittel- und Osteuropa einen Brutto-Gesamtumsatz von mehr als 140 Millionen Euro. Ein Wermutstropfen war jedoch die darniederliegende Gastwirtschaft: „Die starke Nachfrage nach unseren Produkten im Lebensmittelhandel konnten den pandemiebedingten Einbruch in Gastronomie und Hotellerie allerdings nicht ganz kompensieren. Der Inlandsumsatz war somit leicht rückläufig.“ In den Exportländern, die man von Salzburg aus betreut, sei das Geschäft insgesamt aber sehr gut gelaufen, weshalb man in Summe trotz aller Umstände doch noch leicht wachsen konnte: „Wir sind zum Beispiel in Tschechien und der Slowakei die führende Teemarke und in Slowenien eine starke Nummer 2.“ Euphorie bricht bei Göbel dennoch nicht aus: „Für die Gastronomie und Hotellerie sind die Vorzeichen für dieses Geschäftsjahr beziehungsweise die anstehende Teesaison nach wie vor nicht gut. Die Umsätze in der Gastronomie und Hotellerie liegen noch immer deutlich hinter jenen vor der Pandemie zu[1]rück. Zudem kann keiner voraussagen, wie sich die Situation im Herbst und Winter entwickeln wird.“ Darüber hinaus erschweren steigende Rohstoff- und Transportkosten schon seit einiger Zeit das Geschäft – das hat sich durch Corona natürlich nicht gebessert: „Die Pandemie hat die Situation noch einmal verschärft. So unterliegt zum Beispiel die für alle Früchtetees wichtige Rohware Hagebutte einer extremen Verknappung und die Krise im internationalen Container-Frachtverkehr trifft das ‚Welthandelsprodukt‘ Tee naturgemäß stark.“ Aber Göbel gibt sich kämpferisch: „Wir sind in allen Bereichen gut vorbereitet und arbeiten intensiv daran, trotzdem ein gutes Ergebnis zu erreichen.“

Marmeladetiger anlocken
Ein gutes Ergebnis im Frühstückssortiment hat Mondelez bereits im Vorjahr erzielt – ebenfalls aufgrund der Ausgangsbeschränkungen: „Da die Menschen aufgrund der Pandemie verstärkt zu Hause sind und dort essen, konnten wir eine erhöhte Nachfrage nach unseren Produkten feststellen“, verrät Unternehmenssprecherin Livia Kolmitz. In der DACH-Region baute die führende Marke Philadelphia ihre Spitzenposition weiter aus. „Neben unserem Kerngeschäft Philadelphia Doppelrahm konnten wir auch mit Produkten aus dem Kräutersegment zusätzliche Impulse setzen. Wir sehen eine verstärkte Nachfrage nach unserem Kernsegment, aber auch unsere Neuprodukte erfahren wachsenden Käuferzuspruch. Diese sprechen neben den Liebhabern des intensiven Frischkäse-Genusses gerade die Millennials an, die gerne mal Neues ausprobieren.“ Bei süßen Aufstrichen hat wiederum Staud’s neue Käuferschichten im Blick: So brachte man Ende vorigen Jahres sieben zuckerreduzierte Fruchtaufstriche auf den Markt, um ein anderes Publikum anzusprechen, erzählt Geschäftsführer Stefan Schauer: „Mit ihnen wollen wir nicht nur die alteingesessenen Marmeladetiger vors süße Regal locken, sondern auch neue Käuferschichten ansprechen, die dem bewusst fruchtigen Genuss etwas abgewinnen können. Den Trend ‚Weniger Zucker‘ beobachten wir schon seit ein paar Jahren.“ Durch die nun alles bestimmende Covid-Krise sei man bislang erfolgreich gesteuert: „Wir haben diese herausfordernden Zeiten gut überstanden, konnten die Verluste in der Gastronomie, wo wir 25 Prozent Umsatzanteil haben, durch den Lebensmittelhandel kompensieren und das vergangene Jahr so mit einem leichten Umsatzplus abschließen.“ Auch die geringeren Ernten zuletzt haben Staud’s nicht so stark getroffen, da man derzeit vor allem von etablierten Kooperationen zehrte: „Wir haben das Glück, als treue Partner von unseren Lieferanten bevorzugt behandelt zu werden und so trotz wetterbedingter Ernteausfälle ausreichend mit qualitativ hochwertiger Rohware versorgt zu werden. Ein schöner Lohn für die jahrzehntelange Kontinuität mit fairen Einkaufspreisen und die Erkenntnis, dass der gegenseitige respektvolle Umgang eben doch seine Früchte trägt.“

Kampf mit Klimakapriolen
Davon könne sich laut Schauer die ganze Branche durchaus eine Scheibe abschneiden: „Die Obst- wie auch Gemüseernte ist ein sehr arbeits- und personalintensiver Prozess, der sich jedoch nicht im Preis der Produkte widerspiegelt. Die Marktkonzentration in Österreich ist sehr hoch und da wird die Preis karte leider sehr oft gespielt. Ich würde mir wünschen, dass die Händler diesbezüglich selbstbewusster auftreten und die Qualität von Produkten einen höheren Stellenwert bekommt.“ Heute aber seien 25 Prozent Rabatt das Minimum, das erwartet wird. „Das ist auf Dauer gesehen eine ungesunde Entwicklung und ich sehe es sehr kritisch, dass jetzt auch schon damit begonnen wird, Bio-Produkte zu aktionieren, weil das der Art und dem Aufwand des Anbaus einfach nicht gerecht wird.“ Beim großen Mitbewerber Darbo beklagt man dagegen derzeit eher die unsichere Organisationslage: „Ein Kennzeichen der Pandemie ist die Unberechenbarkeit“, befindet der Vorstandsvorsitzende Martin Darbo. „Auch wenn wir bisher relativ stabil und sicher durch die Krise gekommen sind, bedingt das nach wie vor von Corona ausgehende Risiko eine große Planungsunsicherheit. Solange ein neuerlicher Lockdown im Raum steht, ist es für uns schwer, uns darauf einzustellen, für welche Absatzkanäle – LEH oder Gastronomie – wir produzieren müssen.“ 2020 habe man aber dennoch einen Umsatz in Höhe von 140,9 Millionen Euro erwirtschaftet und das Vorjahresergebnis damit nur knapp verfehlt, obwohl die Gastronomie zwischenzeitlich völlig zum Erliegen kam und auch die Belieferung der Bäckereien zurückging. Heuer hatte man aufgrund der Klimakapriolen ebenfalls mit schlechten Ernten in den Bereichen Obst und Honig zu kämpfen: „Wetterunregelmäßigkeiten haben mengenmäßig zu historisch knappen Ernten geführt. Dies betrifft zwar die gesamte Branche, in unserem Fall verbietet uns jedoch unser Qualitätsversprechen, auf schlechtere und dafür billigere Rohwaren umzusteigen. So sind wir heuer mit starken Preissteigerungen konfrontiert.“ Dass zumindest im Fall von Corona irgendwo wieder erste Zeichen der Normalisierung zu sehen waren, freute Darbo daher natürlich. Aber wie es insgesamt weitergeht, sei ja für alle weiterhin unklar: „Wir als Wirtschaftstreibende folgen den politischen Rahmenbedingungen, diese wiederum der Wissenschaft. Doch selbst hier ist man sich nur selten einig, wie sich das Infektionsgeschehen weiter entwickeln wird.“ Über den Berg ist man also weiterhin noch nicht.