SCHWERPUNKT: WEIN, SCHAUMWEINE, SPIRITUOSEN | KEYACCOUNT 16/2020

Wahre Winzer weinen wenig

Ein Artikel von Johannes Lau | 08.09.2020 - 09:49

Rotwein ist für alte Knaben eine von den schönsten Gaben“, dichtete einst Wilhelm Busch. Jedoch sind es sicher nicht allein männliche Pensionisten, die sich am roten Rebensaft laben. Sonst hätten die hiesigen Produzenten wohl auch im vergangenen Jahr kein erneutes Wachstum erwirtschaften können. Das ist aber der Fall gewesen – etwa bei den Winzern Krems: „2019 konnten wir mit über zwei Prozent Umsatzplus abschließen“, bilanziert Geschäftsführer Ludwig Holzer. Daher blickte man auch frohen Mutes in die Zukunft. Doch 2020 entpuppt sich durch das Coronavirus als ein deutlich schwierigeres Jahr: „Wir werden für 2020 einen Umsatzrückgang von voraussichtlich fünf Prozent einkalkulieren.“ Das liegt vor allem an der Vollschließung der Gastronomie im Frühjahr. Im Handel lief das Geschäft zwar mit kleinen Zuwächsen weiter, aber das half insgesamt nicht viel: „Der Rückgang in der Gastronomie konnte damit nicht kompensiert werden.“ Auch wenn Covid-19 derzeit das alles bestimmende Thema ist, wird langfristig weiter der Klimawandel für die Winzer die größte Herausforderung bleiben. Das hat sich nämlich auch heuer wieder gezeigt: Im August hat etwa südlich von Krems ein Hagelschlag starke Schäden verursacht – manche Weingärten wurden vollständig zerstört.

Kostproben via Zoom

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© shutterstock.com

Dieses verheerende Unwetter haben ebenfalls die Mitbewerber aus der Region wie die Domäne Wachau zu spüren bekommen: „Wir müssen in Spitz mit einem leider sehr großen Ernteausfall rechnen“, seufzt Weingutsleiter Roman Horvath. Das trifft einen in diesem Jahr natürlich doppelt hart. 2019 noch konnten die Umsätze leicht gesteigert werden. Das wollte man heuer noch intensivieren und mit Events in die Vermarktungsoffensive gehen. Der Lockdown machte dem einen Strich durch die Rechnung. „Unsere Erwartungen sind für das komplette Jahr 2020 und auch für die Folgejahre runterzuschrauben“, prognostiziert Horvath. Vor allem die Vollschließung der Gastronomie habe sein Unternehmen massiv getroffen: „Erst im August kamen die Geschäfte wieder halbwegs in Gang. Wir sind aber bei Weitem noch nicht da, wo wir eigentlich sein wollten. Dies werden wir auch im restlichen Jahr 2020 nicht mehr aufholen können.“ Laut einer Studie der Österreich Wein Marketing GmbH wurden während des Lockdowns in der Gastronomie 23 Millionen Liter Wein nicht verkauft. Dennoch ließ sich Horvath nicht unterkriegen. „Im Handel gab es rasch koordinierte Absprachen. Distributoren, die für die Gastronomie arbeiten, befanden sich zuerst etwas in Schockstarre. Das hat sich aber schnell geändert und wir hatten zum Beispiel viele Online-Tastings mithilfe von Zoom und anderen Programmen.“ Dass die technischen Mittel von heute in der Krise eine große Hilfe sind, meint auch Michael Toifl von der gleichnamigen Kellerei. „Nachdem alles elektronisch geht, hatten wir keine Probleme bei der Zusammenarbeit mit unseren Partnern.“ Da der Familienbetrieb in Hadersdorf am Kamp ausschließlich den LEH beliefert, traf ihn der Lockdown überhaupt nicht. Die Erwartungen für 2020 werden sogar nach oben abgeändert. Die einzige spürbare Auswirkung heuer: „Überstunden ohne Ende.“

Starkes Standbein LEH

Sein burgenländischer Kollege Leo Hillinger beurteilt die diesjährige Produktion etwas ambivalenter: „Der Sommer war sehr durchwachsen. Es war ein Wechsel aus milden und heißen Temperaturen mit sehr wenig Wasser, woraufhin sich ab der zweiten Augusthälfte Großereignisse reingemischt haben. Wir hatten ein Rekordunwetter, was die Situation jetzt so kurz vor der Ernte extrem anspannt.“ Und ein bislang nie dagewesener Lockdown macht die Arbeit dabei nicht leichter: „Ab Mitte März waren die Zeiten selbstverständlich besonders herausfordernd, jedoch blicken wir dem verbleibenden Jahr mit einer qualitativ hochwertigen Ernte und positiven Gedanken entgegen.“ Das komplette Wegbrechen wichtiger Absatzkanäle wie Gastronomie und Hotellerie sei zwar auch an Hillingers Betrieb nicht spurlos vorbeigegangen, aber mit dem größten Standbein kam man bislang relativ gesichert durch die Krise: „Durch die langjährige, gute Positionierung unserer Produkte im LEH konnten wir unsere Absätze stabil halten.“ Auch den Marktführer Lenz Moser hat der Lockdown durch das große Engagement im LEH nicht so gravierend getroffen wie manch anderes Unternehmen: „Da wir rund 80 Prozent unseres Umsatzes im Lebensmitteleinzelhandel erzielen, sind wir mit heutigem Stand in der Corona-Krise noch relativ glimpflich davongekommen“, berichtet Marketingleiter Friedrich Wimmer. Die Zahlen in den wichtigsten Absatzkanälen entwickeln sich derzeit gleich wie in den Vorjahren. Auch bei der Ernte erwartet Wimmer im Wesentlichen kein anderes Ergebnis als 2019. „Bis dato ist die Witterung relativ feucht geblieben, dennoch haben wir dank konsequenter Laubarbeit kaum Probleme mit Rebkrankheiten. Dafür ist bei durchschnittlichen Sommertemperaturen die Wasserversorgung sehr gut, was das Beerenwachstum positiv beeinflusst.“

Wenige Spätfrostschäden

Wer nicht so sehr in der Gastronomie engagiert ist, den traf die Krise bislang weniger. Das macht sich natürlich gerade bei den firmeneigenen Weingütern der LEH-Größen bemerkbar: „Da wir ausschließlich den Lebensmittelgroßhandel beliefern, hielten sich die temporären Absatzrückgänge in Grenzen, insgesamt konnten wir den Mengenausstoß über den Vergleichszeitraum des Vorjahres und sogar über Plan steigern“, erzählt Klaus Klein, Geschäftsführer des Spar-eigenen Weinguts Schloss Fels. Die guten Umsatzerwartungen für 2020 haben sich daher nicht geändert. Aber dennoch stellte einen hier der Lockdown ebenfalls vor große Herausforderungen: „Der vorübergehende Ausfall knapp der Hälfte unserer Mitarbeiter durch Quarantäne in den Herkunftsländern und Krankenstände brachte uns an die Grenzen der Leistungsfähigkeit.“ Auch Schloss Fels sei unlängst vom Hagelgewitter getroffen worden, insgesamt ist Klein mit dem Wetter aber heuer zufrieden: Der Regen im Frühjahr war gut verteilt, Spätfrostschäden gab es nur wenige. Bei der Konkurrenz – der Rewe-Kellerei Wegenstein – zeigt man sich ähnlich positiv gestimmt: „Wegenstein verzeichnet für das Jahr 2019 starke Absatz- und Umsatzzuwächse“, freut sich Geschäftsführer Herbert Toifl. „In diesem Jahr können wir nach derzeitigem Stand eine weitere deutliche Steigerung prognostizieren.“ Der noch einmal gestiegene Absatz stellte die Produktions- und Lieferfähigkeit auf eine harte Probe und benötigte massiven Einsatz – und das werde auch erst einmal weiter so bleiben.

Korken knallen wieder

Peter Szigeti, Geschäftsführer der gleichnamigen Sektmanufaktur, wiederum hat seine Erwartungen für 2020 nach unten korrigiert: 20 bis 25 Prozent weniger werden wohl am Ende zu Buche stehen. Der Grund dafür ist klarerweise das zwischenzeitliche Umsatzminus in der Gastronomie von 100 Prozent. Da wohl wenigen in dieser Zeit zum Korken knallen zumute war, lief das Geschäft auch im Handel anfangs zurückhaltend – jedoch sei bereits wieder Besserung eingetreten: „Das hat sich mittlerweile stabilisiert und ist sogar leicht gestiegen.“ Erschwerend seien vor allem die Grenzkontrollen für seine ungarischen Arbeiter gewesen, die Produktion selbst sei aber dennoch weitergelaufen – nur eben mit Masken und Abstand. Stroh hat der Lockdown auch nicht wirklich in die Karten gespielt, verrät Geschäftsführer Harold Bur­stein. Jagertee trinkt man ja vor allem auf der Hütte: „Das abrupte Ende der Skisaison und die europaweiten Reiseeinschränkungen blieben natürlich nicht ohne Auswirkung. Das ist bis dato noch gar nicht absehbar.  Aber zu Corona-Zeiten ist eben nichts planbar. Morgen kann wieder alles anders sein.“

Internationale Angelegenheit

Für Stroh war der Lockdown auch deshalb keine einfache Zeit, weil die Schließung der Gastronomie ja eine internationale Maßnahme war. Das trifft ein Unternehmen mit einem Exportanteil von 75 Prozent natürlich stark: Im Ausland hat das Traditionsunternehmen aus Klagenfurt vor allem der zweimalige Lockdown mit einem kompletten Alkoholverbot in Südafrika und der große Einbruch im Travel-Retail-Geschäft getroffen. Burstein: „Das konnten wir auch durch positive Entwicklungen in anderen Märkten nicht komplett kompensieren. Für 2021 erwarten wir nur eine sehr langsame Erholung im Travel-Retail-Bereich und rechnen in Summe mit stagnierenden Umsätzen.“ Während bei Stroh das Reisegeschäft noch großteils daniederliegt, sind bei Pernod Ricard Austria die derzeit weiter geschlossenen Clubs das größte Sorgenkind. „Der Lockdown hat die Gastronomie, vor allem die Nachtgastronomie, vor große Herausforderungen gestellt und ein Absatzkanal ist somit auch für uns komplett weggefallen“, sagt Marketingleiterin Regina Loster. Trotzdem sei man mit dem ersten Halbjahr 2020 zufrieden. Der Lockdown habe die Chance geboten, im LEH wiederum mehr Relevanz und Sichtbarkeit zu bekommen. So konnten die Einbußen in der Gastronomie teilweise durch Angebote für den Genuss zu Hause aufgefangen werden: „In den letzten Monaten ist der Genuss zu Hause bedingt durch den Lockdown angestiegen. Das hat natürlich auch für uns eine Auswirkung auf den LEH-Anteil gehabt – volumen- und wertmäßig. Aufgrund der Corona-Krise hat sich dieser Anteil von vorher 50:50 zugunsten eines größeren Einzelhandelsanteils verlagert.“ Im Herbst, wenn draußen die Gastgärten zusperren oder es gar zu einem zweiten Lockdown kommt, könnte sich diese Tendenz möglicherweise noch verstärken.

Wein in Zahlen

Österreich verfügt über 46.500 Hektar Rebfläche. Mit einer Produktionsmenge von 2,3 Millionen Hektolitern, die die hiesigen 4.000 Abfüller in die Flaschen brachten, wurde auch 2019 der langjährige Durchschnitt erreicht. Österreichs Weinexporte erwirtschafteten im selben Jahr einen Gesamtumsatz von 183 Millionen Euro – eine Steigerung von acht Prozent, die Exportmenge wuchs mit 63 Millionen Litern gar um 20 Prozent. Der Weißweinanteil beträgt in der österreichischen Weinwirtschaft 67 Prozent – dabei dominiert wenig überraschend der Grüne Veltliner mit 31 Prozent.
(Quelle: Österreich Wein Marketing GmbH)