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Kann der „Mohr“ gehen?

Ein Artikel von Johannes Lau | 21.07.2020 - 12:24
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© Alexandra Koch/pixabay.com

2020 ist nicht nur das Jahr von Corona, sondern auch das von #blacklivesmatter. Heuer wurde die US-amerikanische Protestbewegung endgültig zum globalen Phänomen. Und an der von ihr entzündeten Debatte über Rassismus im alltäglichen Leben kommt auch die Wirtschaft nicht vorbei: Manches Unternehmen reagierte bereits. So kündigte L’Oreal an, in Zukunft auf Produktbezeichnungen wie „Aufheller“ und „Bleicher“ verzichten zu wollen. Mars verlautbarte, dass das bekannte Logo von „Uncle Ben’s“ – die stereotype Darstellung eines Schwarzen – bald Geschichte sei. Das Gleiche passiert bei der zu Quaker Oats gehörenden Pfannkuchenmischung „Aunt Jemima“. Auch hierzulande gibt es ähnliche Beispiele solch problematischen, weil rassistischen Marketings. Julius Meinl mottete seinen bekannten „Mohr“ bereits 2004 ein. Seitdem schmückt ein Barockengel mit Fez den Firmennamen. Die Mohrenbrauerei aus Dornbirn dagegen sträubte sich bislang gegen die auch schon in der Vergangenheit vorgebrachte Kritik an ihrem Firmennamen und -logo, das den Scherenschnitt eines Schwarzen mit den typischen Klischees wie lockigen Haaren und ausgeprägten Lippen zeigt. Man verteidigte sich stets mit dem Verweis auf die Firmentradition: Der Gründer habe nun einmal Josef Mohr geheißen, der beanstandete Kopf sei sein Familienwappen.

Birnbaum statt Beleidigung

 Jetzt aber kommt Bewegung in die Sache: In den vergangenen Monaten gab es erneut heftige Proteste – der Vorarlberger Vincent Hehle legte sogar schon einen Alternativvorschlag vor: Man könne doch den Lockenkopf durch einen Birnbaum – die Wappenpflanze Dornbirns – ersetzen. Zwischenzeitlich sah sich die Brauerei sogar genötigt, ihren Facebook-Account abzudrehen, weil dort die Diskussion zwischen Gegnern und Befürwortern einer Logoänderung völlig aus dem Ruder gelaufen sei. Der ganze Wirbel scheint die Brauerei aber ins Grübeln gebracht zu haben. Schließlich richtete sie sich unlängst an die Kritiker mit einem offenen Brief. Ein Auszug: „In den vergangenen Tagen ist die Debatte um unseren Markenauftritt mit großer Heftigkeit neu ausgebrochen. Wir haben uns deshalb entschieden, die Situation neu zu bewerten. Gemeinsam mit unabhängigen Expertinnen und Experten aus ganz verschiedenen Bereichen werden wir in den nächsten Monaten in Ruhe prüfen, ob und wie wir unseren Markenauftritt weiterentwickeln. Das Ergebnis dieses Prozesses ist offen.“

Laut Simon Inou, einem aus Kamerun stammenden Wiener Journalisten, ist das ein Schritt in die richtige Richtung: „Dass die Brauerei über einen neuen Markenprozess nachdenkt, ist sehr begrüßenswert.“ Inou hatte das Unternehmen über die Jahre immer wieder kritisiert und selbst schon den Austausch mit dem Birnenbaum angeregt: „Das Logo ist rassistisch, und die Gründe dafür sind, dass der Begründer der Mohrenbrauerei kein Schwarzer war, und sich trotzdem einfach an diesem Klischee bedient. Das müssen wir unbedingt thematisieren, dass dieses Logo nicht zeitgemäß ist.“

Gegen Gewohnheiten

Auch Katrin Wladasch, Rassismusexpertin vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Menschenrechte in Wien, lässt an dem Logo und der bisherigen Verteidigung kein gutes Haar: „Es gibt inzwischen einen gesamtgesellschaftlichen Konsens, dass es nicht in Ordnung ist, Menschen typisierend abzubilden.“ Wenn sich der gesellschaftliche Diskurs ändere, würden auch Begrifflichkeiten und Abbildungen neu eingeordnet und bewertet. Und spätestens wenn Dinge, die zwar auch vorher schon problematisch waren, von der Gesamtgesellschaft verurteilt werden, sei der Gebrauch solcher Gegenstände endgültig nicht mehr zeitgemäß. Wenn so etwas auffalle, müsse man gleich handeln: „Wenn wir uns in einer Gesellschaft bewegen, in der solche Bilder immer noch so präsent sind, besteht die Gefahr, dass wir diesen Stereotypen erliegen, gerade weil wir es gewohnt sind.“ Die Politikwissenschaftlerin stört sich aber nicht nur am Bild, sondern auch am Namen: Der Verweis auf den Firmengründer sei zwar eine Erklärung, werde aber konterkariert durch den Plural. Wenn schon, dann müsse es „Mohrbräu“ oder „Mohrs Bräu“ heißen. Im Blick darauf war auch die Formulierung „Wir sind Mohren!“ im Statement nicht sehr geschickt. Wladasch unterstellt der Mohrenbrauerei zwar keine rassistischen Absichten, aber auch der Einwand, dass man keine herabwürdigende Intention gehabt habe, sei nicht zulässig: „Das hier ist ein klassisches Beispiel dafür, dass etwas, auch wenn man es nicht böse meint, trotzdem rassistisch und beleidigend sein kann.“ Dass die Brauerei aus marketingtechnischen Gründen am Logo festhalte, könne sie zwar nachvollziehen, jedoch müsse dann eben ein ähnliches neues Emblem her, das niemanden verletze.

Entspannte Erneuerung

Aber auch im Sinne der Markentechnik sei das Beharren auf dem alten Logo fatal, erklärt Franz Hirschmugl vom Institut für Markenentwicklung Graz: „Die Erneuerung der gewachsenen Substanz ist für Marken ganz wichtig, sonst wird man zum Oldtimer. Wenn die Mohrenbrauerei diesen Grundsatz befolgen will, muss sie einfach ihr Logo ändern, um das in eine neue Epoche zu transportieren.“ Sich dagegen zu sträuben und einfach emotional auf die Tradition zu pochen, sei reine Bockigkeit – die Inhaber fühlten sich offenbar beleidigt, weil man jetzt ihr Logo abwertend beurteile. Ein Beharren auf dem Logo gieße aber nur unnötig Öl ins Feuer und koste langfristig Geld: „Mit voranschreitender Zeit wird das immer mehr Kunden aufstoßen. Je später man das ändert, desto größer ist der Schaden für das Unternehmen. Der Druck wird doch immer größer.“ Auch die Angst vor einem scheiternden Rebranding sei kein stichhaltiges Argument, da eine Marke viel mehr als bloß das Logo sei: „Mein Rat an das Unternehmen ist: Entspannen Sie sich und entkoppeln Sie sich emotional von dem Thema.“ Das Bier werde den Käufern genauso schmecken – egal wie das Etikett aussehe. Eine Marke sei in erster Linie das Bauchgefühl einer entsprechenden Anzahl von Menschen – nämlich der Kunden. „Markenführung ist eine Haltung und die kostet nichts. Branding hat somit nur an der Oberfläche mit Corporate Design und Logos zu tun. Ein Logo zu ändern, ist noch lange kein Rebranding. Das ist bloß die Vorstellung von Laien und Amateuren.“ Als Experte stoße er in den Marketingabteilungen aber immer wieder auf diese falsche Vorstellung. Diskussionen über Logos breche er daher in der Regel gleich ab, weil das häufig nur eine rein ästhetische Diskussion sei und keine gesellschaftliche wie im Fall der Mohrenbrauerei: „Das Logo ist nur die Krawatte eines Unternehmens.“ Und wenn die schmutzig ist, muss man sie eben wechseln.