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Eine turbulente Dekade

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 04.12.2019 - 11:45
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© Illustrationen: Hannes Eisenberger

In vier Wochen ist es vorbei. Dann geht nicht nur das Jahr 2019, sondern ein ganzes Jahrzehnt zu Ende. Zu behaupten, es sei einiges passiert, wäre die Untertreibung der Dekade. KEYaccount-Chefredakteur Wolfgang Zechner lässt die vergangenen zehn Jahre noch einmal in einem Essay Revue passieren, sieht sich an, welche Entwicklungen und Trends die heimische Branche in den vergangenen zehn Jahren am meisten geprägt haben und wagt einen Blick in die Zukunft.

Die Nostalgie ist auch nicht mehr das, was sie einmal war: Aus heutiger Sicht erscheint das Jahr 2009 gar nicht so lange her. Und gefühlt hat sich seither gar nicht so viel geändert. Vor allem im heimischen Handel. Rewe war damals schon Erster, Spar Zweiter und Hofer Dritter. Doch die Welt selbst hat sich weitergedreht. Das ist aus der Sicht des Jahres 2009 schon mal eine positive Überraschung. Denn damals, am Höhepunkt der Finanzkrise, die schnell zu einer globalen Krise mutieren sollte, sahen Zweckpessimisten schon das Ende des weltweiten Wirtschaftssystems gekommen. Da aber angekündigte Weltuntergänge nie stattfinden, kroch die Weltwirtschaft langsam aber doch aus dem Tal der Tränen wieder heraus. Von großem Optimismus konnte man aber im Jahr 2010 nicht sprechen. Zwar saß mit Barack Obama zu Beginn des Jahrzehnts ein Hoffnungsträger im Weißen Haus, realpolitisch konnte der erste afro-amerikanische US-Präsident die in ihn gesetzten Hoffnungen aber nur bedingt erfüllen.

Auf die globale Finanzkrise der Nullerjahre folgte die moralische Krise der Zehnerjahre, die mit der folgenschweren Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten und dem Brexit-Debakel ihre traurigen Höhepunkte erreichte. Irrationalität und Lüge schienen die Idee der Demokratie langsam aber sicher auszuhöhlen. Fake News wurde zum Schlagwort. Unterstützt wurden diese Tendenzen von der Gewinnorientierung der großen US-amerikanischen Social Media- und Internet-Konzerne und den einschlägigen, staatlich gelenketen Troll-Armeen im Netz.

Die Flüchtlingskrise im Jahr 2015 ließ zudem die Rechtspopulisten europaweit Blut lecken. Die Folge war, dass Rassismus, Xenophobie und nationalstaatliches Klein-Klein eine Renaissance erlebten. Dass gerade der österreichische LEH diesem hässlichen Trend trotz heftigem Gegenwind die Stirn bot und versuchte, junge Geflüchtete als Lehrlinge zu integrieren, kann man gar nicht oft genug loben. Unternehmen wie die Rewe, Spar oder Hofer leisteten hier Großes. Mut kann man eben nicht kaufen, Haltung auch nicht. Apropos Haltung: Diese scheint auch für Handel und Produzenten immer wichtiger zu werden, wenn man den Meinungsforschern Glauben schenken will. Denn eine neue Generation an Konsumentinnen und Konsumenten betrat  am Ende der Nullerjahre die Bühne: jene der Millennials. Und damit wären wir bereits bei der ersten großen Veränderung …

Die Millennials wurden erwachsen

Ich kann mich noch gut erinnern, als der Begriff der Millennials das erste Mal auftauchte. Das erratische Kaufverhalten der Jungen – vor allem der Bessergebildeten – sorgte in der Branche für Unruhe. Zu erratisch, zu wenig markentreu, zu umweltbewusst, zu sehr online-fixiert. Inzwischen sind die Millennials erwachsen geworden, haben eigene Wohnungen bezogen und Familien gegründet. Und die Unternehmen haben sich auf die neuen Konsumentinnen und Konsumenten eingestellt. Zumindest so halbwegs. In der Werbung wird immer öfter auf Online gesetzt, individualisierte Angebote nehmen zu und Social Media-Marketing wurde plötzlich immer wichtiger. Aktuell arbeiten die Marketing-Abteilungen bereits an Rezepten, wie man die Generation nach den Millennials, die sogenannte Generation Z, um den Finger wickeln kann.

Social Media eroberte die Welt

Die Social Media-Revolution der Zehnerjahre hat die Welt verändert. Oder genauer: Sie hat die Weltd der Kommunikation verändert. Der Begriff „Shitstorm“ war eines der Modewörter des nun abgelaufenen Jahrzehnts. Und auch die Handelsketten und Produzenten endeckten in den vergangenen zehn Jahren die unterschiedlichen Plattformen. Zu Beginn des Jahrzehnts tauchten die ersten Facebook-Auftritte auf. Später wurden Twitter und YouTube in die Kommunikations-Strategien eingebaut. Ungefähr ab 2017 gewannen dann die schönen, neuen Bilderwelten von Instagram immer mehr an Bedeutung. Eine Zwischenbilanz fällt gemischt aus. Social Media ist für viele ein Eislaufplatz, auf dem man leicht das Gleichgewicht verlieren kann. Gut geführte Social Media-Redaktionen, vor allem solche, die den Genre-typischen sarkastischen Humor der Plattformen richtig dosieren können, können aber einen positiven Image-Transfer für Unternehmen generieren. KEYaccount erkannte diesen Trend früh und holte mit Alexander Fleischmann einen echten Experten an Bord. Die Rubrik Social Media Watch ist seit vielen Jahren ein fixer Bestandteil eines jeden KEYaccount-Heftes.

Mobilität und Daten

In den Nullerjahren stieg das Internet endgültig zum Massenphänomen auf, in den Zehnerjahren lernte es laufen. Will heißen: Das Internet wurde mobil. Der Siegeszug der Smartphones veränderte auch das Kaufverhalten der Menschen. Von nun an konnte man überall einkaufen – sofern man eine Internetverbindung hat. Ich erinnere mich noch an den Beginn des Jahrzehnts. Damals gab es keine Konferenz, keine Veranstaltung und keinen Branchentreff, in dem nicht behauptet wurde, dass das Online-Business bis zum Ende des Jahrzehnts  auch den Lebensmittelhandel so verändern wird, wie es bereits in anderen Branchen, etwa dem Buchhandel, passiert ist. heute kann man als Zwischenfazit sagen: Angesagte Revolutionen finden nicht – oder langsamer als gedacht – statt. In Österreich und in den meisten europäischen Ländern dümpelt der Online-Handel mit Lebensmitteln im niedrigen einstelligen Bereich herum. Einzig in Frankreich und in England marschiert der Online-LEH Richtung Zehn-Prozent-Grenze.

Wir sind, was wir essen

Vegane Sortimente und Produkte für Menschen mit Lebensmittelunverträglichkeiten haben in den Zehnerjahren massiv an Bedeutung gewonnen. Zumindest in der öffentlichen Wahrnehmung. (...)

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