SCHWERPUNKT

Bio-Boom bringt Bauern Bares

Ein Artikel von Johannes Lau | 06.11.2019 - 12:04
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Industrielle Fließbandware wollen die Lebensmittelkäufer immer weniger: Wie das RollAMA-Haushaltspanel zeigt, erfreuen sich Bio-Produkte weiterhin wachsender Beliebtheit: Seit 2015 haben in jedem Jahr in Österreich die Einkäufe in Menge und Wert zugenommen – und auch im ersten Halbjahr 2019 ist der Absatz wieder um ein paar Prozente gewachsen. „Im österreichischen Totalmarkt ist der Ausgabenanteil für Bioprodukte über die Jahre stetig angestiegen und liegt nun bei circa zehn Prozent“, analysiert Klara Fichtenbauer, Referentin beim Marktforschungsinstitut GfK. Insbesondere im LEH sind Bioprodukte derzeit äußerst beliebt: Die Ausgaben für Biolebensmittel wachsen jedes Jahr stärker.

Da diese Waren nicht vom Himmel fallen, hat man auch in der landwirtschaftlichen Produktion auf den gesteigerten Appetit auf Bio-Produkte reagiert. „Sowohl die Anbau-Flächen als auch die Anzahl der Bio-Betriebe haben in den letzten Jahren stark zugenommen“, berichtet Gertraud Grabmann, Obfrau von Bio Austria.

„Mittlerweile werden über 25 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Fläche biologisch bewirtschaftet und über 20 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe wirtschaften biologisch.“

Lange Warteschlange

Auch der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln steige seit Jahren kontinuierlich an. So wurden 2018 in Österreich über alle Kanäle Bio-Lebensmittel im Wert von 1,9 Milliarden Euro abgesetzt – ein Plus von fünf Prozent gegenüber dem Vorjahr. „Bio-Produkte sind ein richtiger Treiber im Lebensmittelhandel, die Zuwächse liegen etwa fünf Mal höher als bei konventionellen Lebensmitteln.“ Aber obwohl Bio boomt, laufe das Geschäft noch nicht so rund, wie es möglich wäre, sagt Grabmann: „Der Einstieg in die Bio-Förderung ist für Bauern in Österreich immer nur für eine bestimmte Zeit möglich. Daher bildet sich eine lange Warteschlange. Das führt dazu, dass viele Betriebe und damit Waren auf einmal auf den Markt kommen. Eine kontinuierliche Einstiegsmöglichkeit wäre hier im Sinne einer homogenen Entwicklung sinnvoller.“

Eine homogene Entwicklung können in der Landwirtschaft die Bauern der Arge Heumilch aber bereits jetzt schon vorweisen. „Seit dem Start der Initiative 2004 wurden Wertschöpfung, Absatz und Bekanntheit der Heumilch kontinuierlich erhöht und wir konnten heuer zum 15-Jahr-Jubiläum eine sehr positive Bilanz ziehen“, freut sich Geschäftsführerin Christiane Mösl. Der Absatz habe sich im österreichischen Lebensmittelhandel seit dem Start um mehr als 124 Prozent erhöht, die Exportquote liege inzwischen bei satten 60 Prozent. Daher blickt Mösl zuversichtlich auf den Jahresabschluss: „Unsere Maßnahmen werden vom Konsumenten gut aufgenommen und wir sind guter Dinge, dass auch 2019 ein erfolgreiches Jahr wird.“ Schließlich bediene man mit dem Produkt den derzeitigen Trend: „Gerade der Biomarkt entwickelt sich sehr positiv. Heumilch trifft diesen Zeitgeist genau.“

Erbitterte Scheidung

Dass diese Aspekte den Konsum zunehmend bestimmen, hat auch ein Pionier im Bio-Bereich bemerkt. Alnatura bietet seit Jahrzehnten Bioprodukte an, jedoch zeichnet sich eine Trendwende ab, berichtet der Leiter des Produktmanagements Robert Poschacher: „Früher war das Hauptmotiv, Bioprodukte zu kaufen, der Gesundheitsaspekt. Seit ein, zwei Jahren geht es bei der Nachfrage dieser Produkte aber auch vermehrt um Tierwohl und Nachhaltigkeit.“ Wie sich das zuletzt bei Alnatura in konkreten Zahlen niederschlägt, kann Poschacher noch nicht sagen: Das Geschäftsjahr habe erst im September geendet, der Jahresabschluss sei noch in Arbeit. So viel kann er aber schon verraten: „Wir sind sehr zufrieden und können von einem zweistelligen Wachstum ausgehen. Unsere Erwartungshaltung ist, dass wir im nächsten Jahr deutlich besser wachsen werden als der Biomarkt gesamt. Ein Wachstum von fünf bis zehn Prozent sollte möglich sein.“ Über die guten Zahlen freut man sich in Darmstadt auch deshalb, weil die vergangenen vier Jahre nicht einfach waren: Die jahrzehntelange Vertriebspartnerschaft mit dm ging wegen unterschiedlicher Auffassungen in die Brüche, die Scheidung wurde bis vor Kurzem erbittert vor Gericht ausgefochten. Alnatura hat reagiert und neue Partner gefunden – in Österreich etwa Rewe, MPreis und Müller. „Die Absätze haben sich sehr deutlich entwickelt. Alnatura war in Österreich noch nie so erfolgreich wie jetzt in dieser neuen Vertriebsstruktur – auch weil die Menschen nun einen wesentlich breiteren Zugang zur Marke haben.“

Kräftiges Wachstum

Im Biobereich ist also ebenfalls der Handel gefragt, um die Produkte an die Frau und den Mann zu bringen. Ein Spezialist dafür ist denn’s – die Supermarktkette bietet ausschließlich Bioprodukte an. Seit 2005 hat man in Österreich munter expandiert. „Generell sind wir laufend auf der Suche nach neuen, geeigneten Flächen. Wir wollen nach wie vor kräftig wachsen“, zeigt sich Geschäftsführerin Mareike Nossol motiviert. Anfang nächsten Jahres wird man bei 32 Märkten stehen und rund 400 Personen beschäftigen. Das ist klein im Vergleich zu den großen Händlern, für einen derartigen Spezialisten hierzulande aber durchaus eine achtbare Bilanz. Denn gegen die LEH-Riesen, die längst auf den grünen Zug aufgesprungen sind, muss man sich erst einmal behaupten, betont Nossol: „Die Bio-Eigenmarken der großen Mitbewerber schöpfen viel Potenzial der Hersteller ab. Produzenten sind häufig nicht interessiert, eine eigene Bio-Marke am österreichischen Markt zu lancieren, sondern füllen ihre Produkte lieber nur in die Labels der großen Handelsketten ab. Was wir suchen und brauchen sind starke Bio-Herstellermarken aus Österreich – da bleibt das Angebot nach wie vor ,dünn‘.“ Daher versucht man, sich im Sortiment von den großen Mitbewerbern abzusetzen: So hatte denn’s vor Kurzem einen Riegel mit Grillenmehl im Angebot. Bio ist schließlich nicht nur was für vegane Körneresser.