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Verpackung

"Was kompostierbar ist, wird verkauft"

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 14.05.2018 - 12:31

KEYaccount: Die Konjunktur hat angezogen – die stärker nachgefragten Waren kommen in der Regel in irgendeinem Behältnis zum Konsumenten. Daher müsste 2017 auch für die österreichische Verpackungswirtschaft ein positives Jahr gewesen sein, oder?
Manfred Tacker:
Durchaus – das hat sich auch hier ausgewirkt. Vor allem in der Markenartikelbranche und im Onlinehandel läuft es sehr gut und das sind eben Branchen, die verpackungsintensiv sind. Von der Auslastung und den Ergebnissen her hat sich die  österreichische Verpackungswirtschaft gut entwickelt.

Und was erwarten Sie in diesem Jahr?  
Das Wachstum wird wahrscheinlich etwas gebremster als im vorherigen Dreivierteljahr verlaufen. Aber es ist weiter Optimismus angesagt – die Unternehmen sind positiv eingestellt, was die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen betrifft.

Wenn Sie noch etwas weiter in die Zukunft blicken – welche Themen werden die Verpackungsindustrie in Zukunft beschäftigen?
Der demographische Wandel bleibt für uns ein Dauerthema: In Industriestaaten wie auch in Schwellenländern wird die Zahl älterer Menschen wachsen. Und gerade Senioren haben erhöhte Anforderungen an Verpackungen: Sie müssen leicht zu öffnen und zu verschließen, gut lesbar und einfach transportierbar sein. 

Aber in der Forschung und in den Entwicklungsabteilungen blickt man wohl nicht nur auf Pensionisten?  
Nein. Zum Beispiel wird der Anteil von Menschen, die jetzt bereits zu 50 Prozent in Städten leben, wohl weltweit bis 2050 auf 70 Prozent gestiegen sein – und die benötigen und konsumieren nun einmal mehr Verpackungen als auf dem Land. Auch die Zahl der Singlehaushalte steigt – weshalb man ebenfalls vermehrt kleinere Verpackungsgrößen sehen wird. 

Ein Zukunftsthema ist auch die Nachhaltigkeit. Hier sorgt nun die EU für Bewegung in der Verpackungsbranche – durch neue Recyclingrichtlinien.
In der Tat. Die Recyclingquoten wurden unlängst erhöht. Während bislang Packstoffe noch bis zu 22,5 Prozent recycelt werden sollten, wird dieser Richtwert in Zukunft sukzessiv auf 50 Prozent steigen. Damit stellt sich bei jeder Verpackung die Frage, ob sie umkonstruiert werden muss, um diesen Werten gerecht zu werden. 

Deshalb steht nun die „Circular Economy“ in der Branche ganz weit oben auf der Tagesordnung. Was verbirgt sich hinter diesem Begriff?
Die Wirtschaft insgesamt soll sich von einer linearen Ausrichtung verabschieden. Auch im Verpackungsbereich verwendet man noch vielfach zur Herstellung von Produkten Rohstoffe, die zum Schluss als Abfall verbrannt werden. Bei Papier und Glas sieht die Situation etwas anders aus – aber insbesondere bei Kunststoff ist das der Fall. Stattdessen will man aber einen Kreislauf schließen. Deshalb ist zu überlegen, wie man die gesamte Wertschöpfungskette so gestalten kann, dass aus Abfall möglichst viel Recyclat hergestellt und bei jedem neuen Produkt der Verbrauch der eingesetzten Rohstoffressourcen minimiert wird. 

Das ist für die Wirtschaft aber auch eine Kostenfrage. Dieses Schlagwort ist damit wohl auch nicht bloß das heiße Branchenschlagwort der nächsten Monate?
Dieser Begriff bestimmt tatsächlich derzeit viele Diskussionen, aber auch die nächsten fünf bis zehn Jahre wird uns dieses Thema weiterbegleiten. Die Konsumenten sind sich ja schon längst der Problematik bewusst – etwa, dass Verpackungen einen Großteil der Verschmutzung der Meere ausmachen. Deshalb wird derzeit alles, was kompostierbar ist, mehr gekauft. 

Können Sie auch schon konkrete Innovationen nennen?
Zum Beispiel Polyethylenfuranoat – kurz PEF. Das ist ein Ersatzmaterial für PET-Flaschen, das aber auf nachwachsenden Rohstoffen basiert. 

Aber kann sich überhaupt eine Branche, die bislang derartig viel Abfall produziert, noch so verändern, dass sie Teil dieses Wandels sein kann? An verschiedenen Orten wird ja bereits über die komplette Abschaffung der Verpackung nachgedacht.
Es ist anzunehmen, dass circa 30 Prozent des CO₂-Austoßes aus der Landwirtschaft und der Lebensmittelindustrie stammen – und von dieser Produktion werden wiederum 30 Prozent weggeworfen. Meines Erachtens kann man daher die Klimaziele nicht ohne Verpackungen, sondern nur mit verbesserten Verpackungen erreichen: Das ist für die Industrie eine Riesenchance. Daher besteht ein großes Potential, wenn die Verpackungswirtschaft es schafft, aus dem Abfallschmuddeleck wegzukommen. Aber gerade in Österreich ist man hier bereits auf einem guten Weg.

Inwiefern genau?
Verpackungen werden immer leichter und müssen trotzdem dasselbe können, um das Produkt optimal zu schützen. Wie verringert man den Ressourceneinsatz und verbessert gleichzeitig Qualität? Das ist eine Frage der Ingenieurstechnik und da sind wir in Österreich sehr gut aufgestellt. Dennoch ist noch viel zu tun, um Produkte recyclinggerechter und nachhaltiger zu gestalten. 

Was sind denn derzeit insgesamt die größten Baustellen der österreichischen Verpackungswirtschaft? 
Es wird für die Branche immer schwerer, geeignete Fachkräfte zu finden. Der Markt an Spezialisten – seien es Verpackungs-, Kunststoff- oder Papiertechniker – ist ausgetrocknet. Die Unternehmen wissen das und behelfen sich, indem sie Mitarbeiter aus verwandten Bereichen anwerben und selbst ausbilden. Das kostet aber viel Zeit und viel Energie. An unserem Institut in Wien bilden wir derzeit 30 Personen pro Jahr aus – der Markt kann aber sicher das Doppelte vertragen. Hier ist der Staat gefragt, noch weitere Studienplätze – insbesondere an den FHs – zu schaffen.

Dann sind Sie mit dem 2015 an der FH Campus Wien gegründeten Studiengang derzeit voll ausgelastet?
Wir sind in Österreich bislang der einzige Studiengang für Verpackungstechnik und haben zwei- bis dreimal mehr Bewerber als wir ausbilden. Der erste Jahrgang schließt heuer sein Studium ab und alle sind bereits in der Industrie tätig – auch der zweite Jahrgang ist schon komplett untergebracht. Das verdankt sich auch einem Studienprogramm, das wir in enger Zusammenarbeit mit der Branche entwickelt haben. In diesem Jahr starten wir zusätzlich einen Masterstudiengang in englischer Sprache – bis Juni kann man sich noch bewerben.