Senf & Grillsaucen

Jetzt ist GUTE SAAT teuer

Ein Artikel von Johannes Lau | 26.04.2022 - 09:28
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In der Ukraine tobt derzeit ein Krieg nicht weit entfernt von Österreich. In der Vergangenheit wären damit auch für manchen hiesigen Lebensmittelproduzenten wichtige Gebiete zur Rohstoffbeschaffung betroffen gewesen – etwa bei Ramsa-Wolf: „Seit der Gründung im Jahr 1926 ist das Unternehmen darum bemüht, Zutaten aus der Region zu verwenden. Zur Gründungszeit waren es die traditionellen Anbaugebiete der k. u. k. Monarchie, aus denen die Senfsaat bezogen wurde“, blickt Geschäftsführerin Karin Segel zurück. Und dazu gehörten auch Teile der Ukraine, die heute zusammen mit Russland zu den größten Senfkornproduzenten weltweit gehört. In Wien-Erdberg greift man aber seit über einem Jahrzehnt fast nur noch zu einheimischen Rohstoffen: „Seit 2009 stammt unser Senfkorn von heimischen Bauern aus Niederösterreich. Lediglich Gewürze, die bei uns nicht kultiviert werden können, müssen importiert werden.“ Die steigende Nachfrage nach Handwerk und regionalen Zutaten decke Ramsa-Wolf somit bereits durch seine Qualitätsansprüche ab: „Bei Ramsa-Wolf wird auf die regionale Herkunft der Zutaten größter Wert gelegt. Die nachhaltige Förderung von österreichischen Produzenten und der heimischen Landwirtschaft ist ein essenzieller Teil unserer Unternehmensphilosophie.“ Die starke Verankerung in der hiesigen Rohstoffproduktion bedeutet aber nicht, dass man von den aktuellen Krisen in der Welt unberührt bleibt. Schließlich betrifft diese Problematik die gesamte Branche, wie Segel betont: „Durch den Krieg in der Ukraine und die in diesem Zusammenhang stehenden voraussichtlichen Ernteausfälle sowie die Importbeschränkungen für Belarus und Russland nimmt die Nachfrage nach regionalem Senfkorn stark zu. Die geringere Verfügbarkeit der Rohstoffe und immense Kosten für Dünger oder Diesel treiben den Senfkornpreis zusätzlich in die Höhe.“

Hoffnung auf gutes Wetter
Auch Corona bestimmt weiterhin das Leben stark: „Die Pandemie und auch der Ukraine-Krieg hinterlassen für die gesamte Wirtschaft sehr starke Spuren. Rohstoffe, Verpackungsmaterialien, Energie, Logistik – all diese Komponenten sind aktuell schwierig zu beschaffen und preislich nicht vergleichbar mit den Jahren davor.“ Auf das vergangene Jahr blickt Segel aber positiv zurück: „2021 war für Ramsa-Wolf ein erfolgreiches Jahr. Wir konnten unsere Umsätze wieder auf 2019-Niveau bringen und darüber hi­naus ausbauen. Sowohl im LEH als auch bei den C&C-Märkten und der Gastronomie konnten wir unsere Position weiter stärken.“ Zum Start der Grillsaison hofft sie vor allem auf gutes Wetter, da gerade diese Zeit ein großes Potenzial habe: „Wir gehen davon aus, dass die Konsumenten dieses Jahr wieder besonders viel grillen werden. Es ist pandemiebedingt weiterhin am sichersten, Zeit mit Freunden und Familie im Freien zu verbringen.“
Auf diese für die Branche so wichtige Saison freut sich auch Jürgen Brettschneider, Geschäftsführer von Mautner Markhof: „Mit den wärmer werdenden Temperaturen steigt auch wieder die Lust aufs Grillen. Österreich ist eine Grillnation, es wird gerne und viel gegrillt: Laut einer aktuellen Studie werfen die Österreicherinnen und Österreicher den Griller im Durchschnitt drei Mal pro Monat von April bis September an. Dabei darf natürlich Senf nicht fehlen.“ Das zeigen auch die aktuellen Marktzahlen – laut Brettschneider konnte der Senfmarkt im LEH seit 2019 um acht Prozent zulegen. „Ein Grund für dieses starke Wachstum ist, dass die Österreicherinnen und Österreicher in den letzten beiden Jahren mehr zu Hause gekocht haben.“ Nach diesem Wachstum habe sich der Markt aber wieder normalisiert. Im Gastronomie-Bereich sei es jedoch durch die Lockdowns zu Rückgängen gekommen. Ungemach droht heuer dagegen vor allem im Bereich der Preise: „Wir spüren bereits seit letztem Jahr generelle Preissteigerungen, seit Beginn des Jahres nochmals massiv. Dazu kommen knappe Ressourcen – von Verpackungsmaterialien bis zu Rohstoffen. Besonders betroffen ist auch die Senfsaat. Dramatisch steigende Energie- und Logistikkosten kommen noch dazu. All diese Faktoren lassen unsere Erzeugungskosten deutlich steigen.“ Dennoch sieht sich Brettschneider für die nächste Zeit gut gerüstet: Regionalität und Nachhaltigkeit spielen beim Konsum längst eine wichtige Rolle. 2019 habe man die Bio-Variante des „Original Estragon Senf“, einer der beliebtesten Senfsorten in Österreich, auf den Markt gebracht. Und auch die Zuckerreduktion wird zunehmend bedeutender: Der neue „Süße Hausmachersenf“ von Mautner Markhof enthält im Vergleich zu ähnlichen Produkten 30 Prozent weniger Zucker.

Der Preis ist Trumpf
Dass sich nach dem großen Run auf Senf im ersten Pandemie-Jahr die Lage 2021 etwas beruhigt hat, wurde auch bei Spitz beobachtet. Geschäftsführer Walter Scherb: „Nach dem Corona-Jahr 2020, in dem der Absatz von Ketchup und Senf aufgrund des hohen Heimversorgungsgrads sehr hoch war, haben sich beide Kategorien 2021 leicht rückläufig entwickelt, lagen im Endeffekt aber dennoch leicht über Vor-Pandemie-Niveau.“ Saucen haben in Attnang-Puchheim aber noch einmal deutlich angezogen: „Diese Kategorie liegt erheblich über Vorkrisenniveau.“ In der aktuellen Krise sieht Scherb daher auch positive Effekte: „Im Hauptgeschäftsfeld von Spitz, dem Bereich Eigenmarken, sehen wir, dass sich die Inflation generell eher positiv auswirkt, da den Konsumentinnen und Konsumenten das Preis-Leistungs-Verhältnis wichtiger wird. Wir gehen aktuell daher davon aus, dass sich Eigenmarkenprodukte über Marktdurchschnitt entwickeln, während im Vorjahr der Trend eher zu den Marken vorherrschend war.“ Erfreulich sei auch, dass sich das Gastronomiegeschäft langsam wieder erhole. Dennoch befindet man sich ebenso bei Spitz mitten in einem turbulenten Jahr: „Die volatile Situation auf den Beschaffungsmärkten aufgrund der aktuellen geopolitischen Lage stellt die gesamte Branche nach einem ohnehin schon schwierigen Jahr im Einkauf vor noch nie dagewesene Herausforderungen. Wir sind zum Teil mit Preissteigerungen für Rohstoffe und Verpackungen in noch nie dagewesenen Dimensionen im Sinne von Kurzfristigkeit und Höhe konfrontiert.“ Mehr als je zuvor zehrt man nun von den Partnerschaften entlang der gesamten Wertschöpfungskette. „Insgesamt wird das Ausmaß des Krieges – aufgrund der Beschaffungssituation zum einen, aber auch aufgrund der Sanktionen zum anderen – auf den Lebensmittelmarkt insgesamt aus unserer Sicht sehr lange Auswirkung haben.“ Was sich bislang aber nicht verändert hat, sei in Österreich der Appetit auf Senf, der in den bekannten Sorten ein „Alltime-Klassiker“ sei. Beim Ketchup wiederum haben die Konsumenten neue Wünsche: „Bei Ketchup wird neben zucker- und salzreduzierten Varianten ‚Spezialketchup‘ vor allem während der Grillsaison immer beliebter.“ Auch Saucen aus den verschiedenen Küchen der Welt werden mehr gefragt. „Derzeit ist beispielsweise die koreanische Küche sehr beliebt. Bei Spitz haben wir darauf mit Saucen im Streetfood-Style reagiert.“
Ein verändertes Konsumverhalten im Grillsegment hat auch Gunnar Widhalm, Director Foods & Refreshments bei Unilever, registriert: „Während früher vorwiegend Fleisch gegrillt wurde, werden mittlerweile vermehrt auch diverse Gemüse- und Käsesorten auf dem Grill zubereitet.“ Und auch dabei wird nach der passenden Beigabe verlangt: „Der Markt für Party- und Grillsaucen wächst seit Jahren stetig und dieser Trend wird auch für die nächsten Jahre erwartet. Das Grillen gewinnt in Österreich stetig an Popularität, wird von vielen zele­briert und als Event angesehen.“ Dabei nehme auch der Convenience-Trend zu: „Konsumentinnen und Konsumenten fragen vermehrt Produkte nach, die sättigend sind und schnell und einfach zubereitet werden können.“ Im Saucen-Bereich bedient Unilever die Grillfans vor allem mit den Marken Kuner und Hellmann’s – und hat unter diesen Dächern unlängst erneut Produktinnovationen lanciert. Insbesondere das vegane Angebot wurde hier zuletzt im Blick auf eine gestiegene Nachfrage ausgebaut.

Leere Lager
Dass trotz der anhaltenden Krise zuletzt noch nicht alles im Argen lag, dem stimmt Peter Spak, Geschäftsführer von Spak, zu: „Auch wenn wir 2021 noch nicht von ‚Normalität‘ sprechen können, verzeichnen wir viele positive Impulse. Haben wir 2020 vor allem im Handel ein deutlich höheres Volumen verzeichnet, sehen wir mittlerweile die Gastronomie-Umsätze wieder steigen, wenn auch bei Weitem noch nicht auf 2019er Niveau.“ 2021 sei ein Jahr mit vielen Herausforderungen gewesen – vor allem in den Bereichen der Mengenplanung, Verfügbarkeit und Preisgestaltung. „Man könnte sagen, wir sind mit einem blauen Auge durchgekommen. Man hat aber in der schwierigen Zeit dem Wort Partnerschaft wieder einen deutlich höheren Stellenwert beimessen können.“ Eine wirkliche Entspannung sei jedoch 2022 noch nicht zu beobachten. Trotzdem geht man bei Spak aber von einem guten Sommer aus: „Starke Gastro-Aktivitäten und auch Grillfeiern im Privaten mit dem im Lockdown erworbenen Grill-Equipment werden stark bemerkbar sein.“ Durch das aktuelle Krisenmanagement bleibe zwar wenig Zeit für die Entwicklung von Neuprodukten, dennoch wolle man vor allem die Schwerpunkte in den Bereichen Bio, Vegan und Regional weiter forcieren. Einfach werde das aber nicht, räumt Spak ein: „Egal ob Speiseöle, Tomatenmark oder Verpackungen – die Lager sind größtenteils leer, die Preise ziehen in noch nie da gewesenen Dimensionen an und vor allem der sensible Bereich Preiseinstieg ist überproportional betroffen.“ Positiv sei der Bedarf nach österreichischen Produkten und Rohstoffen sowie die anhaltende Nachfrage nach veganen und biologischen Produkten, wo sein Unternehmen vor allem aufgestellt sei. Aber der Ukraine-Krieg lässt natürlich auch Spak nicht kalt: „Unseren Geschäftsbereich treffen vor allem die Auswirkungen des Rohstoffmarktes. Auch wenn wir so gut wie keine Ware aus der Ukraine beziehen, fehlen die Mengen am europäischen Markt und heizen die Preise weiter massiv an.“ Aber angesichts der zahlreichen betroffenen Menschen vor Ort und auf der Flucht ist das für Spak im Vergleich nur eine geringe Sorge: „Unsere Gedanken und unser Mitgefühl gelten den Millionen Schicksalen, die durch diesen sinnlosen Krieg verursacht werden.“