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KEYaccount-Gespräch

"Am Ende gewinnt derjenige, der die beste Verfügbarkeit hat"

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 09.06.2022 - 09:43

Eugen Lamprecht legte bei der traditionsreichen Wiener Schlumberger-Gruppe eine temporeiche Karriere hin. Über Umwegen verschlug es den ausgebildeter Wirtschaftsanwalt aus Südtirol in die Gastronomie, ehe er 2017 bei der Wein- und Sektkellerei Schlumberger als Key Account-Manager seine Laufbahn im Unternehmen startete. Nur zwei Jahre später übernahm Lamprecht die Geschäftsführung der Wein-Vertriebstochter P.M. Mounier. Seit Juli 2021 ist er Geschäftsführer der Vertriebstochter Top Spirit und damit für die Zusammenarbeit mit dem Handel verantwortlich. Dass das Geschäft gerade vor Lamprechts Wechsel in die Geschäftsführung im Lebensmittelhandel besonders gut lief – Stichwort Gastro-Schließungen – bescherte dem Manager einen relativ problemfreien Start. „Es ist immer gut, wenn man eine neue Position übernimmt und nicht gleich zahlreiche Baustellen vorfindet“, sagt Lamprecht rückblickend. Hätte er die Geschäftsführung ein Jahr zuvor übernommen, also zu Beginn der Corona-Krise, wäre die Situation wohl um einiges problematischer gewesen. Apropos Probleme: Diese sollten noch auf Lamprecht zukommen. Stichwort Preise. Stichwort Rohstoffe. Stichwort Verfügbarkeit. Doch dazu später mehr.

Handel und Gastronomie

Nachdem 2020 sehr problematisch war, pendelte sich das Geschäft im Vorjahr wieder ein. „2021 haben wir zum Beispiel mehr als 1,5 Millionen Flaschen Schlumberger verkauft. Das war ein neuer Rekord“, sagt der Top Spirit-Chef. Vom 2021er-Rückgang in der Gastronomie sei Schlumberger nicht so stark betroffen gewesen, weil die großen Volumina bei der Sektmarke Schlumberger naturgemäß im Handel gemacht würden, erklärt Lamprecht. Die großen Rückgänge als Folge der Gastro-Schließungen habe man eher bei den Spirituosen-Spezialitäten verzeichnet. „In einem normalen Jahr“, so Lamprecht weiter, „verteilt sich unser Geschäft zu zwei Drittel auf den Handel und zu einem Drittel auf die Gastronomie. Im vergangenen Jahr entfielen auf den Handel 78 Prozent.“ Interessant ist in diesem Zusammenhang auch die Entwicklung im ersten Quartal 2022. „Schlumberger konnte in der Gastronomie im Vergleich zum ersten Quartal 2021 um rund 30 Prozent zulegen. Im Handel konnten wir im selben Zeitraum trotzdem um drei Prozent wachsen.“ Das, so Lamprecht weiter, sei beachtlich, weil man eigentlich mit einem leichten Rückgang gerechnet habe. 

Marktanteile gewonnen

Im Schaumweinbereich ist der Gesamtmarkt im Handel im ersten Quartal im Vergleich zum Vorjahresquartal deutlich zurückgegangen, nämlich um neun Prozent beim Volumen und um sechs Prozent beim Wert. Die Schaumwein-Marken des Hauses Schlumberger verloren dabei weniger als der Mitbewerb. Die Schlumberger-Marke Hochriegel legte im ersten Quartal im Jahresvergleich sogar zu. Insgesamt konnte man beim Marktanteil daher 1,1 Prozent dazugewinnen. Am meisten verloren hat im ersten Quartal die Kategorie Champagner. Hier betrug das Handels-Minus im Vergleich zum ersten Quartal des Vorjahres 19,2 Prozent. Wobei Lamprecht das Minus der Schaumweinkategorie auch relativiert: „Man darf nicht vergessen, dass der Markt im Jahr 2021 um 36 Prozent gewachsen. Da die Gastro jetzt wieder geöffnet hat, hat sich auch das wieder ein wenig eingependelt. Insgesamt war das Geschäft im Handel im ersten Quartal 2022 trotzdem besser als vor der Coronakrise.“

Wenn nicht aus dem Schaumweinbereich, woher kommt der Zuwachs beim Volumen im Handel dann, wollte KEYaccount von Lamprecht wissen. Seine Antwort ist ein klein wenig überraschend, denn das Plus sprudelte aus ungewöhnlicher Quelle: „Wir importieren auch internationale Mineralwasser-Marken, wie etwa Evian. Und der Absatz dieser Produkte ist mit der Rückkehr der Touristen im ersten Quartal gerade in Westösterreich wieder stark gestiegen. Touristen greifen eher zu internationalen Mineralwassermarken, während die österreichische Bevölkerung vorwiegend regionale Marken konsumiert.“

Premium als Trend

KEYaccount will von Lamprecht wissen, welche Trends die Branche aktuell prägen. Lamprecht sieht das Thema Qualität immer stärker in den Mittelpunkt rücken: „Nicht nur für den Schauweinbereich, sondern für alle alkoholischen Getränke gilt, dass sich der Trend zu Premiumprodukten weiter fortsetzt.“ Auch der Rückgang der Kaufkraft habe diese Entwicklung bisher noch nicht einbremsen können. „Wer sich einmal an ein gewisses Niveau gewöhnt hat, will offenbar nicht mehr zu einem einfacheren Schaumwein zurückkehren“, vermutet der Experten. Bei Sekt, so der Top Spirit-Geschäftsführer weiter, zeige sich zudem, dass dieser immer öfter nicht mehr nur anlassbezogen getrunken werde. Die Zeit, in der Sekt ausschließlich zum Geburtstag oder zu Silvester konsumiert wird, scheint sich langsam dem Ende zuzuneigen. „Jeder dritte Österreicher gönnt sich auch schon mal zum Essen ein Glas Sekt“, freut sich Lamprecht.  

Steigende Preise

Weil vorhin bereits vom Verlust der Kaufkraft die Rede war: Die Preisverwerfungen am Rohstoffmarkt bereiten auch dem Vertriebsprofi von Top Spirit Kopfzerbrechen. Der Preis von Sektgrundwein, der für die Herstellung von Sekt benötigt wird, ist laut Lamprecht zuletzt um 20 Prozent gestiegen. „Das wirkt  sich bei uns erst zeitverzögert aus, weil in den von uns verarbeiteten Kategorien die Lagerzeiten relativ lange sind. Bei Schlumberger haben wir eine durchschnittliche Reifezeit von zwölf bis 15 Monaten. Früher als bei Schlumberger werden uns die Preiserhöhungen bei Hochriegel treffen. Dort  dauert die Reifezeit nur neun Monate und außerdem sind die Mengen an benötigtem Sektgrundwein hier deutlich höher.“

Handel zeigt Verständnis

Doch nicht nur der Preis für Sektgrundwein ist gestiegen. Auch Kartonagen, Etiketten und Glas sind empfindlich teurer geworden. Die Preiserhöhungen für 2022 habe man mit dem Handel gemeinsam umsetzen können, erklärt Lamprecht und betont, dass der Handel heuer Verständnis für die Situation der Hersteller gezeigt habe. „Die Preiserhöhungen federn aber nur einen Teil der aktuellen Teuerungswelle ab. An eine zweite Preiserhöhung glaube ich heuer nicht. Wir werden aber frühzeitig eine Preiserhöhung für 2023 ankündigen und womöglich sogar vorziehen müssen“, so Lamprecht. Diese 2023er-Preiserhöhung werde sich dann wohl im Rahmen der 2022er-Preiserhöhung bewegen, also bei sieben bis acht Prozent liegen, glaubt Lamprecht. Nachsatz: „Drunter wird’s nicht gehen.“

Neben den gestiegenen Preisen sorgt auch das Thema Verfügbarkeit für Diskussionen. „Gerade bei der Zustellung von Spirituosen und Weinen aus den USA gab es zuletzt erstmals Verzögerungen und Probleme, weil Schiffe nicht gelöscht werden konnten und man daher die Waren nicht oder nur schwer von Hamburg nach Wien bekommen hat. Doch auch darauf haben wir reagiert: Wir lagern jetzt ein, was geht“, so  Lamprecht. Das alles lässt natürlich die Logistikkosten nach oben schnellen. Trotzdem ist Lamprecht überzeugt davon, die richtige Strategie zu fahren: „Am Ende gewinnt derjenige, der die beste Verfügbarkeit hat.“