LANDWIRTSCHAFT

Die Landwirtschaft in der Pandemie

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 22.06.2021 - 15:27
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© Illustration: Hannes Eisenberger

Der Lebensmittelhandel hat im ersten Corona-Jahr 2021 viel geleistet – und dafür auch ein mächtiges Plus eingefahren. Bei den Produzenten gab es Licht und Schatten. Jene, die vor allem für die Gastronomie produzierten, hatten während der Pandemie schwer zu kämpfen. Über Händler und Produzenten wurde in den vergangenen Monaten viel geschrieben. Doch wie erging es der heimischen Landwirtschaft im Seuchenjahr 2020? Ein Blick in den Jahresbericht der Landwirtschaftskammer gibt ein vielschichtiges und widersprüchliches Bild. KEYaccount hat sich durch Daten, Zahlen und Fakten gearbeitet, um ein stimmiges Bild der Landwirtschaft in der Corona-Krise zu zeichnen. Einleitend kann man sagen, dass die österreichische Landwirtschaft durch den monatelangen Wegfall von Gastronomie und Tourismus im In- und Ausland in nahezu allen Bereichen mit massiven Marktverwerfungen zu kämpfen hatte. Doch es gab auch gute Nachrichten: Der Absatz von Frischeprodukten im Lebensmittelhandel stieg im 1. Halbjahr 2020 laut KeyQuest mengenmäßig um 21 Prozent und wertmäßig um 17 Prozent. Trotzdem waren vor allem zu Beginn der Pandemie haltbare Produkte stärker gefragt. Im Jahr 2020 wurde auch erstmals die Schallmauer von zehn Prozent beim Bio-Marktanteil im LEH durchbrochen. Auch Themen wie Herkunft und Regionalität sowie Österreichqualität sind bis heute viel wichtiger geworden.

Kein Schwein gehabt
Soweit die guten Nachrichten. Doch die Landwirtschaft hatte auch mit großen Problemen zu kämpfen. Für den Schweinesektor etwa war 2020 ein schwieriges Jahr. Eine EU-weit steigende Erzeugung wurde durch akuten Nachfrageeinbruch coronabedingt preismäßig zurückgeworfen. Ab Herbst 2020 wurde die Branche durch rund 300 Fälle von Afrikanischer Schweinepest in Deutschland und die damit verbundenen Exportstopps in Drittstaaten und das daraus resultierende Überangebot in ein extremes Preistief gestoßen. Bei stabilen Schlachtungsziffern von rund fünf Millionen Stück waren die Einfuhren von Schweinefleisch um rund zehn Prozent rückläufig, während die Ausfuhren mit rund 127.000 Tonnen relativ stabil blieben. EU-weit erreichten die Schweinefleischexporte in Drittstaaten sogar ein neues Rekordniveau von 5,4 Millionen Tonnen. Das entspricht einem Plus von 19 Prozent gegenüber dem Jahr davor und ist wohl auch eine Folge des niedrigen EU-Preisniveaus.

Milchproduktion stabil
Stabil hat sich im Vorjahr die Milchproduktion entwickelt. Die Milchanlieferung an die Molkereien ist im vergangenen Jahr gerade mal um 0,38 Prozent gesunken. Molkereien, die im Gastro- oder Tourismusbereich stark verwurzelt sind, führten vorübergehend Milchlieferreduktions-Modelle ein. Die Zahl der Milchlieferanten ging im Vorjahr insgesamt um 3,8 Prozent zurück. Der durchschnittliche Erzeugermilchpreis betrug 37,74 Cent pro Kilogramm. Die Einführung der privaten Lagerhaltung im 2. Halbjahr trug zur Stabilisierung des Marktes bei und hielt sich EU-weit auf insgesamt niedrigem Niveau. Der Export blieb weitgehend stabil. Frischeier aus Bodenhaltung, Speisekartoffeln oder Wein waren naturgemäß vom Wegfall von Gastronomie und Tourismus betroffen. Im Zeitraum vom vierten Quartal 2020 bis zum ersten Quartal 2021 wurde versucht, die Nachfragerückgänge mit Sondermaßnahmen abzufangen.Finanzielle Direktbeihilfen standen dabei im Fokus. Positiv entwickelte sich derweil die österreichische Geflügelwirtschaft: Sie konnte im Vorjahr um fast neun Prozent wachsen.

Kürbis im Kommen
Die Getreideernte stellte viele bäuerliche Familien vor besonders große Herausforderungen. Notwendige Arbeiten mussten trotz Corona-Pandemie erledigt werden. Zudem forderten die klimatischen Veränderungen die Landwirtinnen und Landwirte sehr, allen voran eine ungünstige Niederschlagsverteilung und lange Trockenperioden. In Summe konnte nach der Getreide- und Maisernte aber eine positive Bilanz gezogen werden. Die Produktion erhöhte sich auf 5,55 Millionen Tonnen. Verantwortlich dafür waren die gesteigerte Maisernte von 2,37 Millionen Tonnen, die auf 1,59 Millionen Tonnen erhöhte Weizenproduktion und auch die mit 716.000 Tonnen höhere Wintergerstenernte. Flächenmäßig große Gewinner waren die Öl- und Eiweißpflanzen, also Ölkürbis und Sonnenblume. Der Ölkürbis konnte bei der Anbaufläche sogar um 41,1 Prozent zulegen und kam auf eine Anbaufläche von 35.584 Hektar, die sich vor allem in Niederösterreich und in der Steiermark befinden. Die Sojabohne litt unter den teils widrigen Bedingungen und lag ertragsmäßig unter dem Vorjahr. Die Rapsfläche hat auch 2020 stark abgenommen. Illustration: Hannes Eisenberger

Fehlende Erntehelfer
Bei Obst und Gemüse sorgte Corona vor allem für ein großes logistisches Problem. Denn die ausreichende Verfügbarkeit von Saisonarbeitern beziehungsweise Erntehelfern bereitete den Bäuerinnen und Bauern wegen der zwischenstaatlichen Reise-Restriktionen Kopfzerbrechen. In der Regel kommen rund 80 Prozent aller Fremdarbeitskräfte in der Landwirtschaft in absteigender Reihenfolge aus Rumänien, Ungarn, Polen, der Slowakei, Slowenien und der Ukraine. Im April 2020 fehlten in den Bundesländern bis zu 20 Prozent der geplanten Arbeitskräfte. Viele Betriebe haben sich mit familieneigenen Arbeitskräften, mit Nachbarschaftshilfe, mit Personen, die aufgrund von Arbeitslosigkeit oder Kurzarbeit zur Verfügung standen, ausgeholfen. Zudem wurden koordinierte Flugeinreisen für mehr als 1.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Zusammenarbeit mit den regionalen Verbänden aus Rumänien, der Ukraine und dem Kosovo möglich gemacht. 

Und international?
Auf den internationalen Agrarmärkten und Börsen gab es im Vorjahr mehrere unterschiedliche Reaktionswellen auf die Krise: Eine Reihe von großen Importstaaten in Asien, im Nahen Osten oder in Russland deckten sich sicherheitshalber mit Agrarrohstoffen ein oder verhängten sogar Exportsteuern. Die Unsicherheiten auf den Agrarmärkten konnte Österreich aber nicht davon abhalten, erstmals eine positive Außenhandelsbilanz bei Agrarwaren und Lebensmitteln zu erwirtschaften. Die agrarischen Exporte wuchsen im vergangenen Jahr um 3,9 Prozent, die Importe blieben fast gleich. Die Ausfuhren überstiegen mit einem Wert von 12,8 Milliarden Euro die Einfuhren um 10,8 Millionen Euro. „Wer hätte es für möglich gehalten, dass ausgerechnet im Krisenjahr 2020 solche Zuwächse erwirtschaftet werden“, wundert und freut sich Michael Blass, Geschäftsführer der AMA-Marketing, gleichermaßen. Die Freude ist verständlich. Österreichische Agrarprodukte waren gerade in der Krise gefragt – auch international.