Schokolade

Lockdown versüßen

Ein Artikel von Johannes Lau | 16.11.2021 - 09:38
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Pieces of chocolate bar with almonds falling down on white background © Shutterstock

Die Weihnachtszeit steht vor der Tür und damit beginnt auch eine der wichtigsten Saisonen für Schokoladeprodukte: „Weihnachten zählt zu den wichtigsten Saisongeschäften, da wünschen sich die Konsumentinnen und Konsumenten emotionale Kampagnen, eine vielfältige Produktauswahl sowie Stimmung im Handel“, analysiert Elisabeth Hülsmann, Geschäftsführerin von Mondelez Österreich. Der Konzern hat als Markeninhaber von Milka unter anderem den Spitzenreiter auf dem Tafelschokoladenmarkt im Portfolio. „Weihnachten spielt bei Mondelez in Österreich eine wesentliche Rolle, bei dem wir uns insgesamt als Marktführer behaupten können. Unser Ziel ist es daher, gemeinsam mit unseren Handelspartnern ein Weihnachtserlebnis am Point of Sale zu schaffen.“ Durch die Pandemie sei man bislang gut gesegelt, berichtet Hülsmann: „Wir sind stolz, dass wir es trotz vieler Widrigkeiten und erheblichem Mehraufwand geschafft haben, unser Geschäft kontinuierlich fortzuführen.“ Denn in diesen ungewöhnlichen Zeiten wurde Schokolade wie eh und je nachgefragt – wenn nicht sogar mehr: „Ausnahmesituationen verlangen einen neuen Alltag und damit verändert sich auch das allgemeine Snacking-Verhalten. Ein Stück Schokolade schenkt Vertrautheit, bietet ein Ritual und ist häufig Nervennahrung in schwierigen Zeiten.“ Dabei ist aber nicht nur das Altbekannte gefragt, sondern die gestiegenen Ansprüche bleiben auch in der Krise bestehen: „Wir beobachten, dass sich Konsumentinnen und Konsumenten intensivere Geschmackserlebnisse und ungewöhnliche Kombinationen wünschen.“

Pralinen im Minus
Dass der Heißhunger auf Süßes in Corona-Zeiten eher zu- als abgenommen habe, hat man auch bei Mars Austria registriert: Geschäftsführer Hendrik de Jong bilanziert: „In Summe verzeichnete Mars im Bereich Schokolade im Jahr 2020 eine Umsatzentwicklung von plus 2,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Besonders erfreulich ist die Dynamik bei unseren Marken M&M‘s und Maltesers mit plus zwölf Prozent ausgefallen. Auch wenn es phasenweise durch die Corona-Krise große Änderungen im Konsumverhalten gab, hat diese Kategorie nicht an Relevanz verloren.“ Dieses starke Wachstum setze sich heuer fort. Einen starken Endspurt erwartet de Jong auch im Bereich der Schokoladenriegel: Vor allem Snickers steuere auf eine fast zweistellige Umsatzsteigerung zu. Jedoch nicht in allen Bereichen lief es im Vorjahr rund – vor allem das Pralinensegment hat unter Corona gelitten: „Wir wissen, dass sich die Art und Weise, Weihnachten zu feiern, durch die Pandemie verändert hat, weshalb das Sub-Segment Pralinen 2020 mit minus 3,5 Prozent rückläufige Umsätze erzielt hat.“ Insgesamt blickt de Jong aber optimistisch auf den Jahresabschluss. Schließlich steckt auch Mars mitten in der Hauptsaison: „Unsere Umfragen belegen, dass 64 Prozent unsere beliebten Schokolade-Marken mit Vorliebe im Winter konsumieren.“ Daher werde man auch weiterhin in die jeweiligen Marken mit speziellen Weihnachtsartikeln investieren.
Vom 2020 gewachsenen Tafelschokoladenmarkt hat Ritter Sport gleichwohl profitiert: Das Gesamtmarktplus von 6,4 Prozent konnte das Unternehmen mit 7,2 Prozent sogar noch übertreffen. Mit diesem Boom ist es den neuesten NielsenIQ-Zahlen zufolge aber erst einmal vorbei. Ein Gesamtmarktminus von 7,1 Prozent spricht dafür, dass sich die Situation offenbar gerade normalisiert: „Nach einem enormen Anstieg des Süßwarenverbrauchs während der Lockdowns 2020 beobachten wir also, dass sich das Konsumverhalten wieder auf dem Niveau von 2019 einpendelt“, berichtet Wolfgang Stöhr, Geschäftsführer von Ritter Sport Österreich. Anderweitig zeigt sich keine Trendumkehr: Vegane Produkte werden weiterhin vermehrt konsumiert. „Der Vegan-Trend ist längst im Tafelschokolade-Markt angekommen. Ritter Sport war der erste Hersteller auf dem Massenmarkt, der bereits 2017 auf diesen Trend reagiert hat und der aktuell drei vegane Sorten im Sortiment anbietet, die zunehmend stärker nachgefragt werden.“ Mit der neuen Sorte „Vegan Pur ohne muh“ werde die Range Anfang nächsten Jahres noch erweitert. Aber auch an anderer Stelle verstärkt man das Sortiment: So übernimmt Ritter Sport ab diesem Monat den Vertrieb der Energieriegel der amerikanischen Marke Clif.

Haselnüsse aus Aserbaidschan
Dem Wunsch nach Produkten ohne tierische Zusatzstoffe kommt Lindt & Sprüngli gleichfalls nach, erzählt Österreich-Geschäftsführer Michael Spiller: „Zuletzt hat sich eine erhöhte Nachfrage nach veganen Alternativen zu klassischer Vollmilchschokolade gezeigt, der wir mit unserer ‚Lindt Hello‘-Range nachgekommen sind.“ Hier wird die Milch in der Schokolade komplett durch Hafer-Drink ersetzt. Die gestiegenen Ansprüche haben sich durch Corona nicht geändert: „Auch während der Pandemie hat sich in Sachen Schokoladenkonsum ein hohes Qualitätsbewusstsein unter den österreichischen Konsumenten abgezeichnet. Während viele Menschen Lockdown-bedingt zu Hause waren, wurde mehr genascht. Gleichzeitig durfte man sich weniger oft besuchen, weshalb sich die Menschen wiederum weniger mit Süßem beschenkt haben.“ Und der fehlende direkte Kontakt hat auch das Schweizer Unternehmen getroffen: „Die strikten Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie und der fehlende Tourismus 2020 hatten einen negativen Einfluss auf den Umsatz unserer österreichischen Tochtergesellschaft. Unsere eigenen Lindt-Stores und das saisonale Geschäft litten. Trotz des schwierigen Marktumfeldes war es uns jedoch möglich, Marktanteile am Schokoladenmarkt zu gewinnen.“ Das habe man unter anderem mit dem Start eines eigenen Onlineshops geschafft. Ohnehin habe sich 2021 die Situation verbessert: „Es freut uns sehr, dass wir nach einem herausfordernden Geschäftsjahr 2020 im ersten Halbjahr 2021 eine äußerst positive Entwicklung erzielen konnten.“ So wurde eine Umsatzsteigerung von 17,4 Prozent auf 1,8 Milliarden Schweizer Franken verzeichnet.
Aber nicht nur die hierzulande vertretenen internationalen Player sind mit den aktuellen Ergebnissen zufrieden, sondern die etablierten einheimischen Unternehmen ebenfalls. So sagt Manner-Geschäftsführer Andreas Kutil: „Manner ist trotz einem he­rausfordernden letzten Jahr auf Wachstumskurs. 2020 konnten wir einen Umsatz von 217,2 Millionen Euro erzielen, der Exportanteil ist auf 62,5 Prozent gestiegen. Vor allem unser wichtigstes Exportland Deutschland zeigt eine sehr positive Entwicklung. Vorsichtig optimistisch gehen wir auch in das Saisongeschäft.“ Die totale Euphorie ist also in Wien-Ottakring noch nicht ausgebrochen – dafür ist vieles nicht genug voraussehbar: „Die nächsten Monate sind noch mit großen Unsicherheiten verbunden. Fehlende Touristen aber auch noch ein allgemein zurückhaltendes Konsumverhalten erschweren eine seriöse Vorschau für den Rest des Jahres.“ Die Kapitalausstattung des Unternehmens und die bisherigen Erfolge, die Kosten zu managen, lassen Kutil dennoch zuversichtlich in die Zukunft schauen. Aber nicht nur Covid-19 stelle einen vor Herausforderungen, sondern auch die aktuellen Rohstoffpreise und die steigenden Kosten im Bereich Verpackung und Energie. Zur Ressourcensicherung hat Manner 2019 deshalb begonnen, Anbaugebiete für Haselnüsse in Aserbaidschan zu erwerben. Der Landkauf ist nun abgeschlossen, im Spätsommer 2024 rechnet man mit einer ersten Ernte. „Bei voller Auslastung können wir zukünftig rund 20 bis 25 Prozent unseres Bedarfs an Haselnüssen von unserer Manner-Haselnussfarm decken.“

Stammkunden halten die Stange
Die Rohstoffproblematik treibt auch den Wiener Mitbewerber Heindl um: „Beinahe ausnahmslos alle Rohstoffe sind in den letzten Monaten teils deutlich teurer geworden. Die Preise haben sich teilweise sogar verdoppelt, sodass eine Preisanpassung im Laufe des kommenden Jahres aus heutiger Sicht unumgänglich sein wird“, bedauert Geschäftsführer Andreas Heindl. Grundsätzlich sei die wirtschaftliche Gesamtentwicklung aber gut: Bis zum ersten Lockdown war man gar auf dem Weg zum besten Geschäftsjahr seit Firmenbestehen. Der weggebrochene Umsatz im Tourismus und die von weiteren Lockdowns geprägten Hauptsaisonen Ostern und Weihnachten haben dem jedoch einen Strich durch die Rechnung gemacht. Heuer habe sich die Lage aber ein wenig entspannt: „Die Ergebnisse sind deutlich verbessert; die Aussichten sind positiv.“ Die Zuwächse im LEH konnten jedoch die anhaltenden Ausfälle im Tourismus nicht wettmachen. Dafür entwickle sich aber der 2020 gestartete Onlineshop erfreulich und die Stammkunden haben Heindl weiter die Stange gehalten. Regionale, nachhaltige und vegane Produkte werden sogar vermehrt nachgefragt – weshalb man das Sortiment entsprechend erweitert habe.
Ein Pionier in Sachen nachhaltiger Schokoladenproduktion ist hierzulande vermutlich Josef Zotter. Das gleichnamige Unternehmen im steirischen Riegersburg ist bereits seit 2007 ein ganzheitlicher Bio-Betrieb. „Wir haben keine fossilen Brennstoffe mehr im Unternehmen, bis auf eine Gasflasche in der Küche“, erklärt der Firmengründer. Aufgrund von Photovoltaikdächern und einem eigenen Heizkraftwerk kann man bis zu 60 Prozent der benötigten Energie selbst erzeugen. Angestrebt ist aber sogar die hundertprozentige Energieautarkie. „Das waren alles Investitionen in die Zukunft. Heute bekommen wir dafür die Rechnung, im positiven Sinn, denn unsere Kunden schätzen dieses Engagement für Umwelt und Soziales.“ Auch deshalb hat Zotter ein sehr erfolgreiches Geschäftsjahr hinter sich. Zudem ist er überzeugt, dass im kommenden Weihnachtsgeschäft der Zuspruch wieder gut ausfallen wird: „Die Auftragslage ist sehr gut, wir sind primär im kleinstrukturierten Biohandel vertreten, da wird auch noch kurzfristig nachbestellt.“ Aufgrund gefüllter Lager gebe es keine Engpässe, aber Zotter schlägt sich derzeit ebenfalls mit Ernteausfällen, gestiegenen Transportkosten und reduziertem Frachtvolumen herum. Ihm wird aber nicht bange – wie auch mit der Pandemie seien das Umstände, mit denen man eben umgehen müsse: „Die Herausforderungen haben sich geändert, aber wir haben bis jetzt immer eine Lösung oder Alternative gefunden.“