INTERVIEW   

"Wir wollen im Kundenvertrauen vorne bleiben"

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 29.03.2022 - 08:46
SparFritzPoppmeier_(c)Spar_evatrifft.jpg

© Spar/evatrifft

KEYaccount: In Österreich konnte Spar einen Verkaufsumsatz von 8,63 Milliarden Euro erwirtschaften. Wie zufrieden sind Sie mit diesem Wachstum von 3,9 Prozent im Vergleich zum Jahr davor?
Fritz Poppmeier: Ich bin mit der Umsatzentwicklung sehr zufrieden. Der Gesamtmarkt ist laut NielsenIQ im Vorjahr um 0,3 Prozent zurückgegangen. Wir konnten unseren Marktanteil daher deutlich ausbauen. Das ist sehr erfreulich. Noch erfreulicher ist fast, dass uns diese Zuwächse gleichmäßig über alle Vertriebsschienen und bei unseren Spar-Kaufleuten gelungen sind. Auch mit dem Finanzergebnis bin ich sehr zufrieden. Wir mussten zwar bei der Gesamtrendite einen kleinen Rückgang hinnehmen, aber das ist einerseits den Krisenaufwendungen und andererseits der Tatsache geschuldet, dass wir gemeinsam mit den Lieferanten derzeit auf Marge verzichten müssen, um den Konsumenten weiterhin leistbare Lebensmittel anbieten zu können.

Lieferanten. Das ist ein gutes Stichwort. Einige Vertreter der Industrie sind derzeit nicht unbedingt gut auf sie zu sprechen. Günter Thumser, der Geschäftsführer des Verbands der Markenartikelindustrie, mokierte zuletzt im KEYaccount-Interview, dass der Handel die gestiegenen Produktionskosten einfach ignorieren würde. Was sagen Sie dazu?
Das ist für mich einfach spitzes Lobbying mancher Politiker, Ministerinnen oder Markenartikelvertreter für ihre Klientel. Für uns gilt: Möglichst alle sollen sich gute Lebensmittel leisten können. Damit das gelingt, muss man sich gerade in Krisenzeiten sehr anstrengen. Uns geht es um das Kundenvertrauen. Wenn in schwierigen Zeiten – Stichwort Ukrainekrieg – die Energiepreise steigen, dann ist das für die gesamte Kette eine schwierige Herausforderung und betrifft Produzenten, Verarbeiter, Händler und vor allem die Endverbraucher. Wir versuchen hier einen Gesamtblick einzunehmen.

Wenn Sie „Ministerinnen“ meinen, dann spielen Sie wohl auf Elisabeth Köstinger an. Die Landwirtschaftsministerin attackiert die LEH-Ketten seit Monaten massiv und sprach sogar von erpresserischen Zuständen. Wie beurteilen Sie dieses Vorgehen der Ministerin?
Ja, ich rede von Elisabeth Köstinger. Was sie gesagt hat, ist inhaltlich falsch. Sie vertritt nicht die Bauerninteressen, sondern sie vertritt eindeutig die Interessen der genossenschaftlich organisierten Verarbeiter. Das muss man ganz klar sagen. Die ständige Kritik am Angebot im Supermarkt schädigt nämlich das Vertrauen der Kundschaft in die Produkte. Das schädigt wiederum die Bauern und die Händler. Dabei ist die Realität eine ganz andere. Wenn man einen breiteren Blickwinkel einnimmt und sich die Situation vom Bodensee bis ins Burgenland ansieht, kann man sich einige Fragen stellen. Wie viele Supermärkte gibt es? Wie viele Bauern gibt es? Wie ist die Qualität der Produkte? Und wie viele Menschen können sich diese Produkte leisten? Wenn man all diese Fragen ehrlich beantwortet, muss man sagen: Wir, also Bauern und Händler, sind in den Top drei in Europa. Das könnte man auch mal erwähnen, anstatt den besten Partner der Bäuerinnen und Bauern im Zwei-Monats-Abstand von hinten zu foulen. Ich sag’s noch mal ganz deutlich: Die Zusammenarbeit von Bauern und Händlern ist in Österreich eine Win-win-Situation.

Die Ministerin hat unlängst ja ein weisungsfreies Fairness-Büro im Landwirtschaftsministerium einrichten lassen, wo sich Lieferanten gegen vermeintlich unfaire Geschäftspraktiken der großen Händler beschweren können. Was halten Sie von diesem Vorstoß?
Auch da gibt es zwei Sichtweisen. Auf der einen Seite finde ich es gut und richtig, dass diese Stelle geschaffen wird. Sie hätte viel früher kommen sollen. Seit der Spar-Gründung gilt: Wir begegnen den Lieferanten auf Augenhöhe. Klar, manchmal passieren auch Fehler. Dann muss man diese korrigieren und sich entschuldigen. Nur so sind langfristige Partnerschaften überhaupt möglich. Ich hoffe, dass Johannes Abentung, der Leiter des Fairness-Büros, seine Arbeit so unabhängig und offen wie möglich machen wird. Auf der anderen Seite gibt es diese Schwellenwerte. Geschützt werden sollen Lebensmittelproduzenten mit einem Jahresumsatz bis zu einer Milliarde Euro gegenüber Händlern mit einem Jahresumsatz von mehr als fünf Milliarden Euro. Das ist doch eine Lex Raiffeisen. Ich kenne nämlich nicht viele Bauern, die eine Milliarde Euro Umsatz machen.

Kommen wir noch einmal zurück zum Jahresergebnis von Spar. Was sind denn Ihrer Meinung nach die Gründe dafür, dass Spar den Abstand zum Mitbewerb im Vorjahr sogar noch ausbauen konnte?
Wir verfolgen seit mindestens zehn Jahren eine konsequente Strategie: beste Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, beste Standorte und bestes Konzept beziehungsweise bestes Sortiment. In der Pandemie sind die Konsumentinnen und Konsumenten zumeist nur in ein Geschäft gegangen. Und sie haben den Supermarkt gewählt, dem sie am meisten vertrauen. Es hat sich 2020, 2021 und in den ersten Wochen des aktuellen Jahres gezeigt, dass wir die Nummer eins in Sachen Kundenvertrauen sind. Das ist der Unterschied.

Lassen Sie mich eine provokante Frage stellen: Ist der Erfolg von Spar vielleicht auch den Schwächen des Mitbewerbs geschuldet?
Das ist Ansichtssache. Wenn du der Beste sein willst, muss dir klar sein, dass es keinen Windschatten gibt. Und du musst Standards setzten. Es mag sein, dass der eine oder andere Wettbewerber bei diesem Tempo nicht schritthalten kann. Aber es sind alles immer nur Momentaufnahmen. Unsere Mitbewerber sind allesamt starke Unternehmen. Wir gehen immer davon aus, dass sie mit großem Engagement daran arbeiten, auch besser zu werden. Aber unsere Zielsetzung ist klar: Wir wollen im Kundenvertrauen vorne bleiben.

Das Konzernergebnis betrug im Vorjahr 334 Millionen Euro. Wie viel davon werden Sie heuer reinvestieren?
Wir werden – wie auch in den Jahren davor – ein Vielfaches davon investieren. Im Prinzip versuchen wir, die Investitionen aus dem Cashflow abzudecken. Heuer werden wir mehr als 800 Millionen Euro in die Hand nehmen. Im Unterschied zu vielen anderen Unternehmen entnehmen wir nur einen vergleichsweise kleinen Anteil als Gewinn. Bei uns bleibt praktisch fast alles im Unternehmen.

In welchen Regionen wollen Sie in Österreich in den kommenden Jahren besonders stark expandieren?
Wir haben zwei wesentliche Schwerpunktsetzungen im Rahmen unserer Strategie des Wachstums und der Modernisierung. Erstens: Aus einem kleinen Supermarkt machen wir einen großen. Das heißt: Aus Spar-Märkten werden Eurospar-Märkte und aus Eurospar-Märkten werden Interspar-Hypermärkte. Das haben wir sowohl bei den Filialen als auch bei den Kaufleuten im Vorjahr konsequent vorangetrieben. Zweitens: Wir konzentrieren uns bei der Expansion auf die Bundeshauptstadt und auf die Landeshauptstädte. Wien etwa wächst sehr stark und genau in den sogenannten Flächenbezirken gibt es für uns noch zahlreiche weiße Flecken. Gerade in Ballungsgebieten ist es aber nicht nur wichtig, neue Standorte zu eröffnen, sondern auch bestehende Standorte zu verbessern. Auch unsere Spar-Kaufleute gehen diesen Weg konsequent mit uns. Die Erweiterungen der Familien Spruzina (Eurospar Kindberg) und Kitzer (Eurospar Aich-Assach) 2021 sind beispielgebend.

Wie hat sich eigentlich der Eigenmarkenanteil am Gesamtsortiment im Vorjahr entwickelt? 
Der Eigenmarkenanteil liegt bei etwa 40 Prozent. Die Eigenmarken haben wir in den vergangenen 20 Jahren strategisch ausgebaut, oft sind wir mit unseren Eigenmarken auch Trendsetter im österreichischen Markt, wie zum Beispiel mit der ersten vegetarischen Eigenmarke SPAR Veggie oder auch unsere zucker-raus-initiative. Anhand der Entwicklung der verschiedenen Eigenmarken-Linien kann man gut die aktuellen Trends erkennen. So ist beispielsweise SPAR Natur*pur um plus zwölf Prozent gewachsen, SPAR PREMIUM um plus zehn Prozent.

Würden Sie sagen, dass die Vollsortimenter mit ihren Preiseinstiegsmarken den Siegeslauf der Diskonter in Österreich gestoppt haben? 
Das würde ich so unterschreiben. Im Mai 2008 haben wir S-Budget in Österreich eingeführt. Seit diesem Zeitpunkt gibt es eine relativ flache Kurve bei der Entwicklung der Diskonter. Im Prinzip gab es seit damals nur mehr zwei Ausschläge nach oben. Einen Zuwachs gab es, als die Diskonter ihre Backstationen eingeführt haben und einen weiteren, als sie die Öffnungszeiten auf 72 Stunden erhöht haben. Abgesehen von diesen beiden Ereignissen haben sich die Marktanteile der Diskonter in Österreich deutlich schwächer entwickelt als in den umliegenden Ländern.

Kommen wir zu den schrecklichen Ereignissen der vergangenen Wochen. Wie ist Spar vom Krieg in der Ukraine betroffen?
Für mich persönlich sind sowohl die Ukraine als auch Russland ein Teil von Europa. Dass nun mitten in Europa Krieg herrscht, ist für mich ein echter Schock. Wir versuchen aber auf verschiedene Arten zu helfen. Die befreundete Spar-Organisation in der Ukraine unterstützen wir mit Geld und Waren. Wir sind mit unserer Spar-Organisation in Ungarn ja sehr nah am Kriegsgeschehen dran. Gemeinsam mit dem Souveränen Malteserorden, der gute Verbindungen in die Ukraine hat, versuchen wir über SPAR Ungarn, Waren ins Kriegsgebiet zu bekommen. Wir unterstützen auch die Caritas Österreich und andere Organisationen finanziell für die Flüchtlingshilfe vor Ort in Österreich. Wir beschäftigen uns auch damit, ob Geflüchtete bei uns arbeiten möchten. Wobei wir im Moment eher davon ausgehen, dass ein Großteil der Geflüchteten nach Kriegsende in die Ukraine zurückkehren wird.

Letzte Frage: Was sind Ihre wichtigsten Wünsche an die österreichische Bundesregierung?
Ich wünsche mir, dass wir alle trotz Krise eisern an den Themen Umweltschutz und Klimaziele dranbleiben. Von der Regierung wünsche ich mir eine Senkung der Lohnnebenkosten sowie eine Abschaffung der kalten Progression. Denn für den Aufschwung ist es unabdingbar, dass sich Arbeit lohnt. Und noch eine Bitte hätte ich an die Regierung: Es wäre nur fair, wenn auch Supermarkt-Mitarbeitende künftig nicht mehr gezwungen werden, Masken zu tragen.