01_Ikarus1.jpg

© Hannes Eisenberger

Marktvolumen und Marktanteile

Ein Höhenflug, der Sorgen macht

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 07.11.2022 - 15:30

Das Jahr 2022 wird als Horrorjahr in die jüngere Geschichte eingehen. Zum einen wäre da die Corona-Pandemie, die nicht und nicht verschwinden will – auch wenn sie von anderen Katastrophen ein wenig aus dem Fokus der öffentlichen Wahrnehmung verdrängt wurde. Die größte Katastrophe ist natürlich der Krieg in der Ukraine. Sie ist die Ursache für viele Probleme, die aktuell die Weltwirtschaft belasten, etwa die stark steigende Inflation. So wurde in Österreich im September mit einem Plus von 10,5 Prozent die höchste Teuerungsrate seit 70 Jahren gemessen. Kurz vor Redaktionsschluss erreichte uns dann noch die Nachricht von der ersten Schnellschätzung für Oktober: 11 Prozent.

Marktvolumen mit Rekordplus

Diese stark steigende Teuerungsrate wirkt sich auch massiv auf das Marktvolumen im LEH aus. Laut aktuellen NielsenIQ-Zahlen wuchs das Marktvolumen im August im Vergleich zum Vorjahresmonat um elf Prozent. Im September kam es dann sogar noch dicker: Da legte das Marktvolumen gleich um 13,8 Prozent zu. Das dürfte der stärkste Anstieg in einem Monat sein, der je in Österreich gemessen wurde. Die monatlichen Veränderungen beim Marktvolumen zeichnen auch ganz deutlich die welt- und wirtschaftspolitische Malaise des Jahres 2022 nach. Bis März war das Marktvolumen noch rückläufig. Mit dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine und der damit einhergehenden Energiekrise begann auch die Inflationsentwicklung zu kippen. Und das hatte auch für die Lebensmittelbranche Folgen. Produkte des täglichen Bedarfs wurden teilweise empfindlich teurer. Als direkte Folge davon setzte das Marktvolumen im heimischen LEH zum Steigflug an. Zuerst noch relativ flach – im April betrug das Plus gerade mal 0,5 Prozent, ab dem Spätsommer dann steil (siehe Tabelle rechts). Übrigens: Übers bisherige Jahr gesehen – also akkumuliert von Jänner bis September – beträgt die Teuerungsrate 3,6 Prozent. Man muss aber über keine prophetische Gabe verfügen, um zu sagen, dass dieser Wert Ende Dezember deutlich höher sein wird.

Match ist entschieden

Bei den Marktanteilen ist die Vorentscheidung indes längst gefallen. Nach neun Monaten kommt Spar auf einen Marktanteil von 36,1 Prozent. Das sind um 0,2 Prozentpunkte mehr als im selben Zeitraum des Vorjahres. Der Abstand zum ersten Verfolger Rewe hat sich damit weiter vergrößert. Nach neun Monaten trennt die beiden Rivalen ein Abgrund von 2,6 Prozentpunkten. Rewe kommt aktuell auf einen akkumulierten Marktanteil von 33,5 Prozent. Das sind 0,4 Prozentpunkte weniger als in der Vorjahresperiode. Die Diskonter Hofer und Lidl, die von Nielsen­IQ bekanntlich gemeinsam ausgewiesen werden, können nach neun Monaten den Trend bestätigen, der sich seit Monaten schon abzeichnet: Der Abwärtstrend ist gestoppt. Wobei man immer dazusagen muss, dass die jahrelange Talfahrt der Diskonter in den Nielsen-Zahlen von der Performance des „großen Diskonters“, also von Hofer, bestimmt wurde. Sei es wie es sei: Nach neun Monaten kommen Hofer und Lidl auf einen gemeinsamen Marktanteil von 23,4 Prozent. Das Minus im Vergleich zum selben Zeitraum des Vorjahres beträgt gerade mal 0,2 Prozentpunkte. Im Einzelmonat September konnten Hofer und Lidl hingegen das Vorjahresniveau halten. Gemeinsam kommen sie hier auf 22,6 Prozent des Gesamtkuchens. Interessant: Spar und Rewe legten im September jeweils um 0,3 Prozentpunkte zu. Die großen Verlierer im September waren Markant sowie der restliche LEH. Markant verlor im Jahresvergleich 0,4 Prozentpunkte, der restliche LEH büßte 0,3 Prozentpunkte ein.

Und vor fünf Jahren?

Im Zuge der jüngsten Marktanteilrecherchen habe ich auch im Archiv gewühlt, um einen längerfristigen Trend herauszuarbeiten. Konkret habe ich mir die Marktanteilszahlen des Gesamtjahres 2017 angesehen und mit den jüngsten Daten abgeglichen. Welche Erkenntnisse über die Branche lassen sich mit einem Abstand von fünf Jahren gewinnen? Da wäre zum einen der Zuwachs von Spar. Ende 2017 kam Spar auf einen Marktanteil von 31,2 Prozent. Damals lag man ganze drei Prozentpunkte hinter Rewe. Rewe hielt damals die Marktführerschaft mit einem Marktanteil von 34,2 Prozent. Bis zur Wachablöse an der Spitze sollte es noch drei Jahre dauern. Ende 2020 überholte Spar erstmals Rewe. Erstaunlich ist aber Folgendes: Spar legte bei den Marktanteilen seither 4,9 Prozentpunkte zu. Rewe büßte hingegen im selben Zeitraum gerade mal 0,7 Prozentpunkte ein. Will heißen: Spar gewann viel stärker als Rewe verlor. Daraus folgt freilich, dass sich Spar die Marktanteile woanders geholt hat. Nämlich von den Diskontern. Hofer und Lidl kamen Ende 2017 noch auf einen gemeinsamen Marktanteil von 26,6 Prozent. Das bedeutet, dass die Diskonter in nur fünf Jahren 3,2 Prozent eingebüßt haben. Die massive Eigenmarkenpolitik von Spar, gerade im Preiseinstiegsbereich, hat ihre Wirkung nicht verfehlt. Spar hat die Marktführerschaft auch und gerade auf Kosten der Diskonter gewonnen.