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Andreas Haider ist 100-Prozent-Eigentümer der UniGruppe.  © Unimarkt

Interview

Ein David gegen viele Goliaths

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 06.03.2023 - 17:04

KEYaccount: Sie sind seit zwei Jahren Alleineigentümer der UniGruppe. Was sind für Sie die wichtigsten Erfahrungen und Lektionen aus diesen beiden Jahren?

Andreas Haider: Schon als ich 2017 mit 20 Prozent ins Unternehmen eingestiegen bin, haben mich Kolleginnen und Kollegen gefragt, was nun anders sei. Ich habe schon damals gesagt: Nicht anders als vorher. Immerhin bin ich ja schon über 30 Jahre im Unternehmen tätig. Ich bin gewissermaßen bei Pfeiffer groß geworden und habe hier sozusagen meine Lehrjahre verbringen und die unterschiedlichen Geschäftsfelder verantworten dürfen. 1999 bin ich dann zu Unimarkt gewechselt. Egal ob als Geschäftsführer oder Prokurist – ich habe immer schon so agiert, als wäre es mein Unternehmen. Dadurch habe ich sowohl bei der ersten Beteiligung 2017 als auch bei der Übernahme 2021 nichts an meinem Mindset und an meinem Tun ändern müssen.

Als Alleineigentümer sind Sie am heimischen Markt eine Ausnahmeerscheinung. Haben Sie nie daran gezweifelt, dass Sie das stemmen können?

Nein, ich muss aber ehrlich sagen: Weil 2017 zeitlich kurz nach dem Zielpunkt-Niedergang war, hätten damals einige externe Stakeholder bei einer 100-Prozent-Übernahme Zweifel gehabt, ob das funktioniert. Ich konnte aber seit dem 20-Prozent-Einstieg jedes Jahr beweisen, dass diese kleine Struktur einen Platz am österreichischen Markt hat.

Können Sie schon was zur Performance im jüngsten Geschäftsjahr sagen?

Unser Geschäftsjahr endet erst mit 28. Februar. Ich kann aber bereits so viel sagen: Im ersten Pandemiejahr konnten wir extrem stark um 13 Prozent wachsen. Im darauffolgenden Geschäftsjahr 2021/22 machten wir einen Umsatz von 432 Millionen Euro, was einem ganz leichten Rückgang entsprach. Heuer werden wir dieses Ergebnis gut halten können. Von Wachstum reden wir heuer aber nicht.

Wenn Sie sagen, dass Sie im vergangenen Geschäftsjahr nicht gewachsen sind: Welche Rolle hat die Inflation hier gespielt?

Im ersten Halbjahr 2022 sind wir von den explodierenden Preissteigerungen überrollt worden. Eigentlich ist es ja in der Branche Routine, dass die Industrie zu Gesprächen kommt und acht Wochen später gibt es dann die Preisanpassungen am POS. Das war alles außer Kraft gesetzt. Plötzlich hat die Industrie gesagt: Ab nächsten Montag hast du einen neuen Preis. Und wenn du es nicht machst, ist es auch kein Problem, weil die Mitbewerber warten eh schon auf die Ware. Gegenüber den marktbeherrschenden Unternehmen haben wir als kleinerer Marktteilnehmer einen Wettbewerbsnachteil.

Das heißt, Sie mussten sich die Preise mehr oder weniger diktieren lassen?

Ja, so kann man das sagen.

Generell hängt der Haussegen zwischen Handel und Industrie aktuell schief. Wie beurteilen Sie als vergleichsweise kleinerer Marktteilnehmer diesen Machtkampf?

Es gibt Phasen der verhärteten Fronten, die bis hin zu Auslistungen gehen können. Aber am Ende des Tages finden die beiden wieder zusammen. Das ist auch gut so. Um einen Kompromiss zu erreichen, müssen eben beide Seiten ein wenig von ihrer Linie abweichen. Im Vergleich zu uns sind die großen Händler hier natürlich im Vorteil. Man muss aber auch sagen, dass viele große Hersteller börsennotiert und daher Shareholder-getrieben sind. Diese Unternehmen reizen das aus und nutzen den Rückenwind, um Margen zu erzielen. Zweistellige EBIT-Margen müssen nicht sein. Das Preisthema darf nicht auf dem Rücken der Konsumentinnen und Konsumenten ausgetragen werden.

Sie haben mehrfach erwähnt, dass Sie ein vergleichsweise kleiner Player sind. Wie können Sie im Wettbewerb mit Spar, Rewe oder Hofer bestehen?

Nicht nur Größe ist beständig. Es gibt neben dem Preis auch noch andere, ich nenne sie mal weiche Faktoren. Da wäre unsere Positionierung als Familienunternehmen mit sozialer Kompetenz. Auch das Thema Lokalität und Regionalität leben wir authentisch. Was uns auch sicher stärkt, ist das Rückgrat der selbstständigen Unternehmer, die vor Ort im ländlichen Bereich Local Heroes sind.  Da kommt der Filialbetrieb nie ran.

Auch bei Ihnen im Unternehmen?

Wir haben bei Unimarkt 70 Franchisenehmer und 60 eigene Stores. Wir sehen auch, dass unsere Franchisenehmer im Schnitt eine deutlich bessere Entwicklung als unsere Filialen haben.

Kann man den Unterschied zwischen filialisierten Märkten und jenen, die von Kaufleuten geführt werden, beziffern?

Ein von einem Franchisenehmer geführter Betrieb ist im Schnitt beim Umsatz mindestens um zwei Prozent besser als ein regiegeführter Betrieb.

Sie haben erwähnt, dass Sie 70 Franchisenehmer und 60 eigene Stores haben. Wie wird sich dieses Verhältnis in Zukunft entwickeln?

Ganz klar in Richtung noch mehr Franchisenehmer. Wir haben zuletzt pro Jahr im Schnitt circa zehn Standorte an Franchisenehmer transferiert oder neue Märkte an Franchisenehmer übergeben. Wir eröffnen allein im März zwei neue Unimärkte, die von Franchisenehmern betrieben werden. Unsere Strategie ist so: Wenn wir einen passenden Franchisenehmer gefunden haben, übergeben wir einen neuen Standort an diesen. Wenn nicht, eröffnen wir den Standort zuerst als Filiale und übergeben dann, wenn wir einen geeigneten Franchisenehmer gefunden haben.

Ist es das langfristige Ziel, dass alle Filialen irgendwann von Selbstständigen betrieben werden?

Nein, es wird in unserer Struktur immer auch Filial-Standorte geben. Schon allein deshalb, weil es immer auch Rücktransfers gibt. Ein Franchisenehmer kann im schlimmsten Fall krank werden, oder hat sich das anders vorgestellt und will nicht mehr. Dann können wir diesen Markt relativ schnell in eine Filiale zurückbauen. Diese Flexibilität will ich mir unbedingt erhalten. Ein Drittel oder ein Viertel aller Filialen wird immer filialgeführt bleiben.

Wie viele Standorte werden Sie heuer insgesamt eröffnen?

Im Vorjahr hatten wir drei Neueröffnungen. Im Gegenzug haben wir aber auch drei Standorte geschlossen. Es gibt also immer wieder auch Standorte, die abgetauscht werden. In der Regel kommen jährlich netto zwei bis drei neue Standorte hinzu. 

Eine Frage zu Ihrem Groflhandelsgeschäft: Wie gut hat sich das im Vorjahr entwickelt?

Das Geschäft ist sehr gut gelaufen. Corona hat auch diesen Nahversorgern guten Rückenwind beschert. Ich bin davon überzeugt, dass diese ländlichen Strukturen auf Sicht wieder relevanter werden. Ich denke in diesem Zusammenhang an Themen wie flexible Homeoffice-Regelungen oder leistbares Leben auf dem Land. Auch hier gehen wir neue Wege. Wir haben etwa an zwei Standorten als Pilotprojekt sogenannte nah&frisch-Hybridmärkte eröffnet. Da­runter verstehen wir Läden, in denen es am Vormittag Bedienung gibt. Am Nachmittag tritt der Konsument per Bankomatkarte in den Laden ein, scannt den Einkauf selbstständig ein, bezahlt bargeldlos und verlässt den Laden wieder. Dieses Konzept werden wir heuer ausrollen.

Das ist sozusagen wie Amazon Go auf dem Land ...

Ja genau – und es funktioniert. Wir haben ja 2020 unser erstes mobiles Einkaufssystem Unibox eröffnet. Diese Technologie haben wir jetzt auf die stationäre Fläche transferiert. 

Welche Rolle spielt das Online-Geschäft für einen regionalen Händler?

Eine eher untergeordnete. Nichtsdestotrotz waren wir 2015 die Ersten, die gemeinsam mit der Post österreichweit das Frischesortiment zugestellt haben. Online ist aber nicht profitabel durchführbar.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch mal auf das Preisthema zurückkommen. Zuletzt hat die Schnellschätzung der Statistik Austria einen überraschend hohen Wert von 11,1 Prozent für den Jänner ausgewiesen. Wie beurteilen Sie hier die aktuelle Lage? Rechnen Sie hier in den kommenden Monaten mit einer Verschärfung oder mit einer Entspannung?

Ich habe schon im Frühjahr 2022 prognostiziert, dass wir im Herbst eine zweistellige Inflationsrate haben werden. Das hat sich dann im September bewahrheitet. Ich gehe jetzt davon aus, dass die 11,1 Prozent vom Jänner nicht die höchste Steigerung sein wird. Ich denke, dass die Werte im Februar und März noch höher sein werden. Meine persönliche Einschätzung ist, dass sich die Situation erst im Sommer oder im Herbst entspannen wird.