Flaschenpfand

Ein Land setzt auf Pfand

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 20.10.2021 - 10:36
Flaschenpfand_(c)HannesEisenberger.jpg

© Hannes Eisenberger

Es kommt also doch. Die Rede ist vom Einwegpfand auf Aluminium- und Plastikgebinde. Drei der vier großen Handelsketten sind mit an Bord und auch die für eine Umsetzung nötige Bundesregierung ist nun doch nicht auseinandergefallen. KEYaccount leuchtet die Hintergründe eines spektakulären Paradigmenwechsels aus, der die Kreislaufwirtschaft im Handel völlig verändern wird.

Lange Jahre haben sich einige Handelsketten gegen das Plastik- und Dosenpfand gewehrt. Nun unterstützen Lidl, Hofer und Rewe die einschlägigen Regierungspläne zur Einführung eines Einwegpfands bei Dosen und Plastik. Man wolle einen Beitrag zum Umwelt- und Klimaschutz leisten, aber auch Planungssicherheit für alle Beteiligten entlang der Wertschöpfungskette schaffen, heißt es nun vonseiten der drei Handelsketten. Spät, aber doch, nämlich am vergangenen Mittwoch, wurde die Einigung im Ministerrat schließlich der Öffentlichkeit präsentiert. Ab 2025 wird auf Plastikflaschen und Getränkedosen Einwegpfand eingehoben, schon 2024 kommt das verbindliche Mehrwegangebot. Konkret kehrt also bereits 2024 das verbindliche Mehrwegangebot für alle Getränkekategorien zurück. Das gilt zu Beginn für alle LEH-Filialen, die größer als 400 Quadratmeter sind. Ab 2024 muss also in mindestens jeder dritten Filiale Mehrweg angeboten werden, ab 2025 in 90 Prozent der Filialen und mit Jahresende 2025 gilt die Mehrwegquote auch für die restlichen Standorte. Bis 2030 sollen 30 Prozent der in Österreich verkauften Getränke in Mehrwegflaschen abgefüllt sein. Das Einwegpfand für Plastikflaschen und Getränkedosen gilt dann ab 2025. Weitere Details, etwa die Pfandhöhe, sollen nun gemeinsam von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des Klimaschutzministeriums in Zusammenarbeit mit Partnerinnen und Partnern aus der Wirtschaft erarbeitet werden.

Turbulenter Zeitplan
Bevor wir zu den Hintergründen des Gesinnungswandels kommen, noch kurz ein paar Sätze zum Zeitplan. Denn das machiavellistische Wesen der österreichischen Innenpolitik wirbelte den Zeitplan in den vergangenen Tagen gehörig durcheinander. Eigentlich hätte die Lösung bereits am Freitag davor präsentiert werden sollen. Dazu kam es aber nicht. Die Gründe sind bekannt. Die rechtlichen Konsequenzen der Inseratenaffäre und die hochnotpeinlichen WhatsApp-Dialoge zwischen Bundeskanzler Sebastian Kurz und seinen „Prätorianern“ stürzten die Bundesregierung in eine existenzielle Krise. Und weil besagter Freitag für die Türkisen zum schwarzen Tag mutierte, fiel die Vollzugsmeldung in Sachen Einwegpfand kurzerhand unter den Tisch. Für ein, zwei Tage sah es sogar aus, als ob die Einigung beim Thema Einwegpfand kurz vor der Ziellinie das Zeitliche segnen könnte. Wäre die Regierung geplatzt, wären auch die offenen Regierungsvorhaben hinfällig gewesen oder zumindest auf eine Zeit irgendwann nach Neuwahlen geschoben worden. Doch so weit kam es freilich nicht. Kurz trat als Bundeskanzler zurück und übergab die Regierungsgeschäfte an  Außenminister Ale­xander Schallenberg. Die Grünen waren damit befriedet, die Regierung gerettet – und das Dosenpfand mit ihr.

Mehrweg oder Einweg?
Bereits im April hatte das von Leonore Gewessler (Grüne) geführte Klimaschutzministerium die Novelle zum Abfallwirtschaftsgesetz (AWG) in Begutachtung geschickt. Darin war eine verpflichtende Ausweitung des Mehrwegsystems auf alle Lebensmittelhändler vorgesehen. Ein Pfand auf Einwegflaschen und Dosen fehlte aber. Schnell dämmerte es den Führungskräften im LEH und in der Getränkeindustrie, dass die meisten Handelsketten aus logistischen Gründen eine Erhöhung der Mehrwegquote ohne ein Einwegpfand bei Aluminium und Plastikgebinden einfach nicht schaffen würden. Also stimmten sie dem Pfand auf Einwegflaschen zu. Eine allzu große Freude dürften sie damit nicht haben, obwohl Rewe, Lidl und Hofer die neuen Pläne öffentlich begrüßen. Denn auf die Handelsketten kommt nun ein erheblicher Mehraufwand zu.

Spar sträubt sich
Ein wenig anders gestaltet sich die Situation beim Marktführer Spar. Dort war man immer ein Gegner des Dosen- und Plastikpfands und ist es bis heute geblieben. „Wir bieten heute das größte Mehrweg-Getränkesortiment im heimischen Lebensmittelhandel an“, sagt Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann. Bei Spar ist man sich sicher, dass man die Erhöhung der Mehrwegquote mit leichten Adaptionen geschafft hätte. Freilich: Die politischen Realitäten sehen nun anders aus. Auch bei Spar hat man sich inzwischen damit abfinden müssen, dass die Dosenpfand-Regelung fix kommt. Zwar hätte man den von der Wirtschaftskammer propagierten „Zehn-Punkte-Plan für eine alltagstaugliche Kreislaufwirtschaft“ bevorzugt, aber der Marktführer weiß: Weiterer Widerstand ist zwecklos. Die Realität sieht anders aus. Plastik- und Dosenpfand kommen – egal ob Spar dagegen ist oder nicht.

Lob und Kritik
Auch in der heimischen Getränkeindustrie finden sich namhafte Unterstützer der kommenden Pfandregelung – unter anderem Coca-Cola HBC Österreich, Red Bull und Waldquelle. Begrüßt wird der Vorschlag auch von den Sammel- und Verwertungssystemen Altstoff Recycling Austria (ARA) und Reclay, der ARGE österreichischer Abfallwirtschaftsverbände. Greenpeace und Global 2000 begrüßten den Beschluss zwar, sahen aber doch Mängel. Für Greenpeace blieb die „Kompromisslösung deutlich hinter den Erwartungen und den notwendigen Maßnahmen für eine Reduktion der Verpackungsflut zurück“. Die Maßnahmen würden laut Greenpeace außerdem mit dem Jahr 2025 nicht nur zu spät kommen, auch die Mehrwegquote sei aufgrund zahlreicher Ausnahmen, zum Beispiel für antialkoholische Getränke bis 0,5 Liter, deutlich zu niedrig. Für Global 2000 zeigte eine erste Analyse ebenfalls „massive Einbußen bei den Mehrweg-Vorgaben“. Die Wirtschaftskammer kritisierte, dass die nun gefundenen Lösungen für kleine Nahversorger  eine massive Mehrbelastungen und Wettbewerbsnachteile bedeuten würden.

Und die Konsumentinnen und Konsumenten? Das Thema Plastikreduktion liegt vielen Menschen am Herzen. Bleibt abzuwarten, wie viele Kundinnen und Kunden die Nase rümpfen werden, wenn sie mitbekommen, dass Getränke dadurch indirekt teurer werden. Indirekt deshalb, weil man Einweggebinde in den Supermärkten zurückgeben wird können und dafür ein mögliches Pfand von rund 20 bis 30 Cent zurückbekommt.