Feinkost

Heißhunger auf Heimat

Ein Artikel von Johannes Lau | 05.10.2021 - 09:19
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Frisch auf den Tisch: So haben es die Menschen doch am liebsten. Deshalb wird sich auch in Pandemie-Zeiten keineswegs bloß aus der gebunkerten Konserve ernährt – im Gegenteil: Auch in den härtesten Lockdownphasen herrschte trotz Kontaktbeschränkung an den Feinkosttheken des LEH reger Betrieb, berichtet Spar-Unternehmenssprecherin Nicole Berkmann: „Nur in den allerersten Tagen des ersten Lockdowns wollten die Menschen lieber verpackte Ware. Die Menschen haben viel selbst gekocht und wollten sich auch was Gutes gönnen.“ Besonders gefragt werden von Konsumenten aller Altersgruppen Steaks, regionale Frischfleischprodukte und frischer Fisch. Folgerichtig kann man sich bei der Tanne derzeit auch im Frischsegment nicht beklagen: „Wir sind äußerst zufrieden mit unseren Feinkosttheken, sowohl im vergangenen Jahr als auch dieses Jahr.“ Die Theke punktet laut Berkmann vor allem damit, dass Produkte mit Qualität dort auch so behandelt werden und vor Ort entsprechend verarbeitet werden: So wird je nach Bedarf filetiert, entschuppt oder aufgeschnitten. Jedoch sei es immer noch eine Herausforderung, dafür kompetentes Personal zu finden, weshalb bei Spar nicht nur Experten der Materie gefragt sind: „Wir bilden auch gerne Quereinsteiger aus.“
Dass sich seit einer Weile viele Personen für das Werkeln am eigenen Herd begeistern, hat man ebenso bei Savencia Fromage & Dairy beobachtet. Und das werde auch noch eine Weile so bleiben, meint Österreich-Geschäftsführerin Andrea Fuhrmann: „Wir erwarten einen anhaltenden Home-
Cooking-Trend im Vergleich zu der Zeit vor Covid.“ Die Corona-Turbulenzen habe man bislang gut überstanden: „Bedingt durch die Lockdowns haben wir im Gas­tronomiegeschäft stark verloren. Im Einzelhandelsgeschäft haben wir dies aufgrund der geänderten Konsumentennachfrage ausgleichen können.“ Das sei gelungen, weil man frühzeitig auf die neue Lage reagiert und auch die Konsumentenkommunikation angepasst habe. Fuhrmann sieht ihr Unternehmen auf einem sehr dynamischen Markt weiterhin gut aufgestellt: „Wir sind in einem sehr kompetitiven Umfeld, dennoch überzeugen die Savencia-Käsespezialitäten die österreichischen Konsumenten. Somit ist es uns gelungen, ein stabiles Geschäftsergebnis für 2020 zu erwirtschaften. Dies erwarten wir auch für 2021.“

Gestiegene Ansprüche
Vorsichtig optimistisch gibt sich auch Radatz-Geschäftsführer Franz Radatz: „Wir konnten 2020 im Gesamtunternehmen die 200-Millionen-Marke durchbrechen, wollen aber auch 2021 demütig bleiben. Wir alle kennen die schwierige wirtschaftliche Lage.“ Dass man in dieser alles andere als einfachen Zeit ein so gutes Ergebnis erzielt habe, sei auch darauf zurückzuführen, dass viele Konsumenten im Lockdown nicht den Kopf in den Sand gesteckt haben, sondern sich selbst kulinarisch neue Aufgaben stellten: „2020 war geprägt vom ‚Home-Grilling‘: Es wurde – wo möglich – mehr daheim gegrillt. Auch war es die Zeit, um sich privat an ‚schwierigere‘ Grillvorhaben heranzuwagen. Der Verkauf an hochwertigem Grillzubehör inklusive hochwertigen Fleisch- und Wurstwaren wurde dadurch beflügelt.“ Diesen Umschwung bei der Nachfrage hat Doris Ploner, Geschäftsführerin von Die Käsemacher, ähnlich registriert: „Zu Beginn der Pandemie sind unsere Gastro-Gebinde stark eingebrochen, der Absatz in diesem Segment stagniert nach wie vor. Dahingegen hatten wir einen Absatz- und Umsatzzuwachs bei unseren Verbrauchergrößen, diese steigen nach wie vor. Die Produktion der Gastro-Größen wurde gedrosselt, die Produktion der Verbrauchereinheiten erhöht.“ Da alle Produkte des Waldviertler Unternehmens aus regionaler Schaf- und Ziegenmilch hergestellt werden, profitiere man davon, dass aktuell die Konsumenten noch lieber in der Nachbarschaft zugreifen: „Die Qualität der Produkte, die Verarbeitung regionaler Rohstoffe und eine regionale Erzeugung sind während der Krise noch wichtiger geworden. Durch die sehr handwerkliche Herstellung unserer Produkte können wir die Produktqualität nachhaltig beeinflussen und so den Ansprüchen unserer Kunden und den aktuellen Herausforderungen bestmöglich entsprechen.“

Trend Tierwohl
Im Lockdown sind die Ansprüche der Kunden also noch einmal gestiegen. Florian Hütthaler, Eigentümer des gleichnamigen Fleischereibetriebs, bestätigt das: „Die Themen Regionalität und Tierwohl wurden speziell in Zeiten von Covid-19 nochmals hervorgehoben und werden auch künftig eine große Rolle spielen. Seit dem ersten Lockdown ist der Trend zu Regionalität deutlich spürbar. Die Konsumenten schauen darauf, wie das Tier gelebt hat.“ Deswegen soll der Schlachthof von Schwanenstadt nach Tierwohlgrundsätzen bis 2022 erweitert werden. Und auch bei Lieferanten sei in der Hinsicht zuletzt einiges weitergegangen: „Trotz, oder vielleicht auch gerade wegen Corona, konnten wir unsere Tierwohl-Landwirte um knapp 20 Prozent aufstocken, um die steigenden Kundenanfragen langfristig abdecken zu können. Mittlerweile sind es 37 Landwirte, die nach den Hofkultur-Grundsätzen ihre Tiere halten. Tendenz steigend. Wir sind überzeugt, dass die Nachfrage nach solchen Produkten auch in Zukunft mehr an Bedeutung gewinnt und werden dadurch ganz klar regionale Qualitätsprogramme fokussieren.“
Auch Berger Schinken schweift nicht in die Ferne und setzt weiter auf Qualität aus der Heimat: „Wir bei Berger sind davon überzeugt, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Bio aus Österreich bevorzugen beziehungsweise davon ausgehen, dass heimische Rohstoffe verarbeitet werden“, sagt Geschäftsführer Rudolf Berger. Jedoch stellt der Heißhunger auf nachhaltige Produkte aus der Region die Branche auch vor neue Herausforderungen: „Aktuell erleben wir sowohl seitens des LEHs als auch der Gemeinschaftsverpflegung eine steigende Nachfrage. Leider steht dem steigenden Absatzmarkt zu wenig Rohstoff gegenüber. Bio ist nicht unendlich ‚skalierbar‘ und die Umstellung von konventioneller auf Bio-Landwirtschaft erfordert Zeit und Geld. Die heimischen Schweinebauern sind überwiegend Ackerbauern, das Futter für die Tiere kommt vom eigenen Betrieb. Daher muss der gesamte Betrieb auf biologische Bewirtschaftung umgestellt werden.“ Die Fokussierung auf Tierwohl sei eine taugliche Alternative: Die Umstellung auf Tierwohl-Aufzucht sei zwar auch mit kostenintensiven Hofumbauten verbunden, jedoch helfen dabei auch die neuen Fördermittel. Berger Schinken hat inzwischen ein Zehntel seiner Vertragslandwirte auf Tierwohl-Produktion umgestellt – und es werden vorrausichtlich noch weitere folgen: „Wir forcieren diesen Umstieg aktiv. Auch wenn das Thema noch in den Kinderschuhen steckt, sind wir überzeugt vom Potenzial.“