Rewe

Ein Kraftakt der Rewe

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 22.09.2021 - 10:06
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© Hannes Eisenberger

Bei Rewe hat sich in den vergangenen Monaten wahrlich viel getan. KEYaccount traf Rewe-Vorstand Marcel Haraszti sowie Adeg-Vorstand Brian Beck. Die beiden Manager sprachen über die Zukunft des Unternehmens, über den AGM-Verkauf, über die ersten Erkenntnisse aus der Billa-Plus-Umfirmierung und über die Entwicklung bei Bipa.

Für Marcel Haraszti war 2021 bisher ein ganz besonderes Jahr. Zwar dreht der Rewe-Vorstand seit seiner Bestellung zum Vorstand der Rewe International AG im Sommer 2017 immer schon stark an der Strategieschraube, in den vergangenen Wochen und Monaten verpasste er dem Unternehmen aber zahlreiche Neuerungen, die man ganz wertfrei als spektakulär bezeichnen kann. Unter anderem stampfte er im Frühjahr die Verbrauchermarkt-Marke Merkur ein und ersetzte sie durch Billa Plus. Der Schritt sorgte für Schlagzeilen, war aber die Konsequenz einer Entwicklung, die sich schon länger abgezeichnet hatte. Unter anderem waren zuvor schon der Einkauf, die Onlineshops und auch das Management von Billa und Merkur vereinheitlicht worden. Bei den Marktanteilen – KEYaccount berichtete ausführlich! – konnten Haraszti und sein Team heuer im Frühling den freien Fall stoppen, der 2020 zu einer Ablöse an der Branchen-Spitze geführt hatte. Das Ganze ging einher mit einer beispiellosen Preissenkungswelle bei Billa und Billa Plus, die sich – zumindest vorerst – als richtige Strategie erwiesen hat. Konkret wurden über 2.500 Kurantpreise massiv gesenkt. „Wir können als eine Marke deutlich besser kommunizieren und wir können jetzt bei der Preiswahrnehmung der Kundinnen und Kunden besser punkten“, sagt Haraszti bei einem Medientermin in Wiener Neustadt. Und auf eine Sache ist Haraszti besonders stolz: Wir konnten bei Billa und Billa Plus den Anteil an regionalen Produkten seit Jahresbeginn um 20 Prozent steigern.“

AGM-Verkauf und die Folgen
Dass die Rewe unter Marcel Haraszti immer wieder für Überraschungen gut ist, konnte man zuletzt vor circa drei Wochen sehen. Da gab das Unternehmen bekannt, dass man Die C+C-Abholmärkte von Adeg in Graz, Klagenfurt, Spittal/Drau, Liezen, Neu[1]siedl am See, Wiener Neustadt, St. Pölten, Bludenz und Hartberg an Metro verkauft. Auch die Firmenzentrale in Salzburg über[1]nimmt der Großhändler. Das kommt einer gewaltigen tektonischen Verschiebung in der C+C-Branche gleich. Immerhin erhöht Metro die Standortdichte mit der Übernahme von aktuell zwölf Filialen auf 21. Es ist eine Zäsur, die auch das Geschäft von Adeg auf einen Schlag verändert. Das Adeg-Business stand bisher auf drei Säulen. Die erste Säule ist das Kerngeschäft, das sich um die selbstständigen Adeg-Kaufleute dreht. Die zweite Säule umfasst die Belieferung der Tankstellenshops bei BP, Shell und Jet. Und die dritte Säule ist das C+C-Geschäft. Diese fällt nun weg. Oder besser: Sie fällt fast weg. Denn die Sache ist komplizierter, als sie im ersten Moment erscheint. Rewe hat nämlich nicht alle C+C-Standorte verkauft. Die Vorarlberger Standorte in Lauterach und Hohenems sowie der Standort in Wien-Floridsdorf wurden nicht veräußert. Wie diese Standorte künftig von Rewe genutzt werden, steht aktuell noch nicht fest. Und: Die Marke AGM wird in Zell am See und in Wolfsberg weiterhin bestehen bleiben. Denn die drei Zeller und die zwei Wolfsberger AGM-Märkte werden von eigenständigen Gesellschaften geführt, bei denen die Rewe jeweils nur eine Minderheitenbeteiligung hält. Diese Märkte werden auch weiterhin von Rewe beliefert werden. Mit dem Verkauf der AGM-Märkte schärft der 41 Jahre alte Adeg-Vorstandssprecher Brian Beck das Profil des Unternehmens. Künftig will man sich auf das Kerngeschäft, also auf die selbstständigen Kaufleute und das Tankstellengeschäft, konzentrieren. Mit dem AGM-Verkauf folgt Rewe der Strategie seiner deutschen Mutter, die ihr C+C-Geschäft bereits im Jahr 2014 an Transgourmet verkauft hat. Spannend wird freilich die Frage, wie sich die Konkurrenzsituation bei den Kaufleuten innerhalb der Rewe entwickeln wird. Denn schon bald sollen die ersten Billa-Filialen von selbstständigen Kaufleuten geführt werden. Im Vorjahr gab es bei Adeg bekanntlich viel Licht, aber auch Schatten. Die selbstständigen Adeg-Kaufleute verzeichneten 2020 ein Umsatzplus von 4,18 Prozent, während Adeg insgesamt, also inklusive dem Großhandelsgeschäft, ein Umsatz-Minus von 8,64 Prozent zu verzeichnen hatte. Klar: Der Großhandel hat massiv unter dem Ausfall von Gastronomie und Hotellerie gelitten. Allein bei AGM musste das Unternehmen einen Umsatzrückgang von mehr als 25 Prozent gegenüber 2019 hinnehmen.

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Rewe-Vorstand Marcel Haraszti baut das Unternehmen konsequent um.
© Rewe Group/Stefan Gergely

Erfreuliche Entwicklung bei Bipa
Eine andere Rewe-Handelsmarke, die dem Unternehmen in der Vergangenheit immer wieder Kopfzerbrechen bereitet hat, ist Bipa. Hier sei eine Trendwende erreicht worden, freut sich Haraszti. Im Vorjahr verzeichnete die Drogeriekette ein Umsatzplus von 2,28 Prozent auf 720 Millionen Euro. Es war bereits das dritte Jahr in Folge mit einem positiven Umsatzwachstum. „Dieses Umsatzplus ist besonders erfreulich, da Bipa im Vorjahr von Frequenzrückgängen und geschlossenen Filialen während der Lockdowns – zum Beispiel in Einkaufszentren – stark betroffen war“, sagt Haraszti. Der Kurs stimmt also. Das würden auch die bisher vorliegenden Zahlen für 2021 belegen, verrät der Rewe-Vorstand. „Wenn wir den Großflächenhändler Müller aus der Rechnung rausnehmen, konnten wir im Vorjahr und heuer sogar stärker als der Markt wachsen“, so Haraszti weiter. Nachdem man das gesamte Filialnetz mit dem neuen Filial-Design ausgestattet hat, setzt man jetzt bei Bipa auf ein Uptrading in Sachen Fläche. Will heißen: Kleinere Märkte werden geschlossen, größere eröffnet. „Dieser Abtausch ist zu 90 Prozent abgeschlossen“, erzählt der Rewe-Vorstand. Das hat logischerweise Auswirkungen auf die durchschnittliche Verkaufsfläche. In der Vergangenheit betrug die Fläche eines Bipa-Marktes im Schnitt 280 Quadratmeter. Aktuell kommt sie auf 300 Quadratmeter und die ideale Fläche würde sich, so Haraszti weiter, auf 350 bis 400 Quadratmeter belaufen. Unterm Strich ist die Anzahl der Filialen in den vergangenen Jahren gesunken. Im Jahr 2017 gab es noch 613 Filialen, heute sind es circa 580. Überhaupt sei man heuer besser als der Businessplan unterwegs, weil die seit 2017 getätigten Maßnahmen gegriffen haben. Will heißen: die komplette Überarbeitung des Sortiments und der Flächenverteilung oder die Einführung von Eigenmarken wie etwa „bi life“ oder „bi good“. Gerade die Eigenmarkenlinien will Harszti stark ausbauen. Und: Rewe will künftig sogenannte Kombi-Standorte forcieren. Will heißen: Bipa-Märkte und Billa beziehungsweise Billa-Plus-Standorte, die unmittelbar nebeneinander liegen. „Diese Kombination funktioniert sehr gut, weil Agglomerationen Kundinnen und Kunden anziehen“, sagt Haraszti.

„Kompetenzzentrum für Gesundheit“
Aber auch das Image des Drogeriemarktes ändere sich gerade. „Bipa etabliert sich immer stärker als Kompetenzzentrum für Gesundheit. Wir haben ein extrem tolles Wachstum bei Medizinprodukten wie etwa Nahrungsergänzungsmittel“, sagt Haraszti. Dass Bipa seit Monaten als Drehscheibe für das Gratis-PCR-Test-Programm „Alles gurgelt!“ fungiert, dürfte dieser Entwicklung bei der Kundenwahrnehmung auch nicht geschadet haben. Wer das Wort Medizinprodukte sagt, ist vom Begriff rezeptfreie Medikamente nicht mehr weit entfernt. DFH-Marktführer dm führt bekanntlich seit Jahren einen juristischen Kampf gegen das Apothekenmonopol in Österreich. Und auch Haraszti nimmt nun die umstrittene juristische Situation in Österreich ins Visier. „Wir haben in Österreich gemeinsam mit Deutschland die geringste Dichte bei Apotheken in Europa. Ich finde, dass der Markt liberalisiert werden soll.“ Gut möglich also, dass Bipa und dm in Sachen Apothekenmonopol künftig gemeinsam marschieren.

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Adeg-Vorstand Brian Beck will sich künftig auf das Kerngeschäft konzentrieren.
© Rewe Group/Stefan Gergely

Starkes Online-Plus
Eines jener Geschäftsfelder, das sich im Vorjahr besonders stark entwickelt hat, war der Onlinehandel. Bei Bipa betrug das Plus 16 Prozent – und zwar ausschließlich mit dem Paketgeschäft. Künftig will man auch Live-Shopping anbieten, also Einkaufen in Echtzeit via Live Streaming. Fans einer Marke können einer Person dabei zusehen, wie diese selbst einkauft oder Waren testet. Rasant gewachsen sind im Vorjahr die Onlinezahlen bei Billa. Dort betrug das Plus 80 Prozent. 2020 war das Jahr, in dem sich der Online-LEH endgültig durchsetzen konnte. Das hat Folgen für den Gesamtmarkt. Selbst Händler wie Hofer, die sich dem Online-Einkauf bisher hartnäckig verschlossen haben, starten nun einschlägige Aktivitäten. Und auch bei Billa wird man künftig noch stärker in diesem Bereich aktiv wer[1]den. Doch dazu braucht es natürlich die passende Infrastruktur. Aktuell unterhält Billa etwa Fulfillment-Center. Mittelfristig sollen ein bis zwei weitere dazukommen. Leicht wird es freilich nicht, sagt Haraszti. Denn: „Die schwierigste Expansion ist die Logistikexpansion.“

Die Sache mit den Marktanteilen
Apropos Billa: Die Entwicklung der Marktanteile ist Haraszti „nicht so wichtig“, wie er auf KEYaccount-Anfrage behauptet. Das sage er gerade auch in Zeiten wie diesen, in denen sich die Marktanteile von Billa und Billa Plus vergleichsweise erfreulich entwickeln würden. „Hart gesagt sind Marktanteile das Ergebnis einer zügellosen Aktionstätigkeit. Wenn ich morgen meinen Aktionsanteil um zehn Prozent erhöhe, schießen meine Marktanteile in die Höhe. Das tun wir aber nicht. Wir investieren lieber ins Kurantgeschäft – wie jede erfolgreiche, internationale Handelskette. Uns ist die Umsatzentwicklung bei den Kurantpreisen am wichtigsten.“ Trotzdem werde man natürlich auch weiterhin Aktionen anbieten. Und dass es bei einer Markenumstellung wie bei Billa Plus kurzfristig zu einer verstärkten Aktionstätigkeit gekommen ist, liege, so Haraszti weiter, auch in der Natur der Sache. Dass der Aktionsanteil aber zu hoch sei, stehe außer Streit. In Österreich beträgt er 40 Prozent, in Deutschland nur zwölf Prozent. Vier Jahre dauert die Ära Marcel Haraszti nun schon. Welches Zwischenfazit lässt sich ziehen? Der Mann hat einen Plan und er setzt ihn zielstrebig um. Und: Es gibt erste Anzeichen, dass der Plan auch langfristig erfolgreich sein kann. Die jüngeren Entwicklungen bei Adeg, Bipa und Billa beziehungsweise Billa Plus geben Anlass zum Optimismus.