Hofer

Hofer ist jetzt am Zug

Ein Artikel von Angelika Kraft | 07.09.2021 - 13:59

Im großen KEYaccount-Interview spricht Hofer-CEO Horst Leitner über die Auswirkungen der Corona-Krise, über verlorene Marktanteile und über das neue Marktkonzept, das in Österreich ausgerollt wird. Und er kündigt einen Paradigmenwechsel bei Hofer an: Noch heuer wird Hofer voraussichtlich in das Online-Geschäft mit Lebensmitteln einsteigen.

KEYaccount: Wie stark hat die Corona-Krise den heimischen Lebensmittelhandel aus Ihrer Sicht verändert?
Horst Leitner: Wir gehen davon aus, dass sich der gesamte LEH heuer rückläufig entwickeln wird. Es ist einfach nicht von der Hand zu weisen, dass die Menschen nach Monaten der Quarantäne froh sind, wieder rausgehen zu dürfen und im Restaurant essen zu können. Sie haben es satt, zu Hause zu kochen und zu essen.

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Hofer-CEO Horst Leitner. © Hofer

In den vergangenen Jahren mussten die Diskonter bei den Marktanteilen immer wieder Rückschläge hinnehmen. Laut NielsenIQ kommen Hofer und Lidl im ersten Halbjahr 2021 gemeinsam auf einen Marktanteil von 23,5 Prozent. Das sind um 1,4 Prozentpunkte weniger als noch im Gesamtjahr 2020. Worauf führen Sie diese Entwicklung zurück?
Corona hat das Kaufverhalten verändert: Die Frequenz ist gesunken, One-Stop-Shopping und die Wahl der nächsten Einkaufsstätte wurden bevorzugt. Das sind Entwicklungen, die tendenziell den Vollsortimentern in die Karten spielen. Dennoch ist Hofer nicht nur der mit Abstand größte Diskonter, sondern auch einer der größten Lebensmittelhändler in Österreich mit einem stabilen Marktanteil. Vor diesem Hintergrund ist es heute nicht mehr unser Ziel, um jeden Preis um einzelne Prozentpunkte weiterzuwachsen, sondern in einem etablierten, gesättigten Markt unsere Kundinnen und Kunden immer wieder mit qualitativen und zugleich preisgünstigen Eigenmarken zu begeistern sowie mit abwechselnden Aktionen gespannt und neugierig zu machen.

Mit welchen Strategien wollen Sie die verlorenen Marktanteile von den Vollsortimentern zurückerobern?
Wir arbeiten unermüdlich daran, das beste Preis-Leistungs-Verhältnis anzubieten, keine Kompromisse bei der Qualität einzugehen und optimieren stetig unser Sortiment. Wir haben das Ohr immer nahe bei unseren Kundinnen und Kunden und überlegen laufend, wie wir ihnen genau das anbieten können, was sie wirklich wollen.

Aktuell passen Sie das Marktkonzept in Österreich an. Was ändert sich für die Kundinnen und Kunden?
Wir wollen den Frische-Bereich noch mehr betonen, die Kühlflächen vergrößern und einige Bereiche hinsichtlich der Abfolge in der Filiale anders organisieren. Zudem werden die Filialen in Bezug auf Optik und Design moderner und wir gestalten größere Nachlaufzonen bei den Kassen, um bei diesem Teil des Einkaufs den Stress für Kundinnen und Kunden etwas herauszunehmen.

Wird auch der Anteil an Markenartikeln am Sortiment erhöht werden?
Markenartikel spielen bei Hofer mit einem maximal zehnprozentigen Anteil am Gesamtsortiment weiterhin eine untergeordnete Rolle. Die DNA von Hofer ist ganz klar auf Diskont ausgelegt, das Diskontprinzip ist und bleibt unsere Überzeugung. Wir haben uns in den vergangenen Jahrzehnten zwar stark und kontinuierlich weiterentwickelt, dabei jedoch nie unsere Kernwerte aus den Augen verloren: ein fokussiertes Sortiment, schlanke Prozesse und ein hoher Anteil an hochwertigen Eigenmarken zum günstigen Preis.

Der Frischebereich wird bei Hofer kontinuierlich ausgebaut. Wie viel Frische verträgt das klassische Diskontkonzept?
Als wir vor knapp zehn Jahren in Tirol in den ersten Filialen Testläufe mit der Hofer Backbox gestartet haben, hat sich sehr schnell gezeigt, wie gut sich Diskont und Frische vertragen. Die Backbox war von Anfang an ein Kundenmagnet, weswegen wir bereits 2014 den österreichweiten Rollout starteten. Im Sinne des konstanten Kundenwunsches nach frischen, regionalen Produkten, sind wir darüber hinaus stets um lokale und regionale Kooperationen bemüht. Und das mit Erfolg, denn viele unserer Produzenten beliefern uns bereits seit Jahrzehnten. So haben wir allein im Bereich Obst und Gemüse mehr als 1.500 regionale Partner.

Bei einem Aldi-Marktbesuch in Italien ist mir aufgefallen, dass die Läden dort noch moderner und freundlicher wirken. Ist Italien ein Vorbild für die Überarbeitung der Märkte in Österreich?
Ja, die optische Lösung, wie man sie in unseren Filialen in Italien findet, wird auch in allen österreichischen Hofer-Filialen Einzug halten.

Wie viel Geld werden Sie für diese Neugestaltung in die Hand nehmen und wie lange wird diese Umgestaltung dauern?
Rein für die Modernisierung rechnen wir mit rund 160 Millionen Euro und möchten den Rollout des neuen Designs in den kommenden zwei bis drei Jahren abgeschlossen haben.

Bereits im Frühjahr wurde bekannt, dass die Aldi-Süd-Gruppe 1,5 Milliarden Euro in eine Digital-Offensive investiert. Wie wird sich diese auf Österreich auswirken?
Wir sind mit Hofer in Österreich das Pilotland für eine umfassende Transformation der gesamten Aldi-Süd-Gruppe. Aktuell testen wir unter diesem Gesichtspunkt eine Vielzahl an Maßnahmen. Dazu zählt etwa künstliche Intelligenz bei der Warenbestellung, die beispielsweise bei Frischeartikeln dafür sorgen wird, dass wir Lebensmittelverluste reduzieren können. Auch in Sachen Lebensmittelzustellung wird es voraussichtlich heuer noch konkret werden. Eine kleine, aber nicht unwesentliche Änderung, die Kundinnen und Kunden relativ schnell auch in den Filialen zu Gesicht bekommen werden, sind digitale Preisschilder.

Hofer stand dem Thema Online-Einkauf von Lebensmitteln lange eher skeptisch gegenüber. Hat sich daran durch die jüngsten Entwicklungen – Stichwort Online-Boom in der Corona-Krise – etwas verändert? Kann es sich ein Händler heutzutage überhaupt leisten, hier auf ein einschlägiges Angebot zu verzichten?
Unser Service „Hofer liefert“ für sperrige Non-Food-Artikel wurde und wird nach wie vor sehr gut angenommen, aber wir wissen, dass die Zustellung von Lebensmitteln heute ebenfalls zu den Erwartungen vieler Konsumentinnen und Konsumenten gehört. Wir sehen diesen Service daher als zusätzliches Angebot, das im Rahmen der immer stärker spürbaren Digitalisierung eine bequeme Alternative für alle Hofer-Kundinnen und -Kunden darstellt. In den vergangenen Monaten kamen in diesem Bereich immer mehr Player auf den Markt, die Zustellung von Lebensmitteln ist schrittweise salonfähig geworden und gehört für einige mittlerweile zum Alltag. Bei diesem Trend stehen wir in Österreich dennoch relativ am Anfang. Selbst wenn der Markt im Moment noch überschaubar ist, sehen wir großes Potenzial darin und wollen ganz klar mit einem Angebot dabei sein, das zu Hofer passt. Wir haben viele Gespräche mit allen denkbaren Partnern geführt, um Chancen und Möglichkeiten auszuloten. Wie genau wir uns auf diesem Feld engagieren werden, kann derzeit noch nicht verraten werden, da wir uns in einer Evaluierungsphase befinden. Nur so viel: Ein Start noch in diesem Jahr erscheint durchaus realistisch.

Kaum ein Land hat so eine hohe Supermarktdichte wie Österreich. Gibt es noch Gebiete, wo es aus Ihrer Sicht zu wenige Hofer-Märkte gibt? Und wenn ja, wie viele neue Märkte wollen Sie in den kommenden Jahren aufsperren?
Wir betreiben aktuell mehr als 530 Filialen und damit ein sehr dichtes Netz. 90 Prozent der Österreicherinnen und Österreicher können in weniger als 15 Minuten eine Hofer-Filiale erreichen und dort all ihre Produkte des täglichen Bedarfs kaufen. Neun von zehn Österreicherinnen und Österreichern kaufen bei Hofer ein – das ist ein im internationalen LEH-Vergleich sehr hoher Wert. Das spricht für unser gutes Filialnetz, unser attraktives Angebot, das Wohlfühlambiente in unseren Filialen und nicht zuletzt auch für unseren One-Stop-Shopping-Ansatz. Unsere Strategie geht daher nicht in die Richtung, in einem gesättigten Markt die Filialanzahl um jeden Preis noch weiter zu erhöhen. Das soll aber nicht bedeuten, dass wir unsere Augen nicht offenhalten, und Potenzial – sollten wir es erkennen – unter Berücksichtigung gewisser Faktoren wie Lage, Einwohnerzahl oder Erreichbarkeit ganz genau prüfen.