Handel

Halbzeitpfiff im Lebensmittelhandel

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 06.07.2021 - 09:45
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© Hannes Eisenberger

Das erste Halbjahr 2021 ist vorbei – und die sechs Monate fühlen sich je nach Tagesverfassung nach ein paar Wochen oder nach ein paar Jahren an. Passiert ist viel. Standen die ersten vier Monate noch knietief im Pandemie-Sumpf, machte sich Anfang Mai ein vorsichtiger Optimismus breit, der sich im Juni fast schon zu einer Post-Corona-Euphorie auswuchs. Die guten Nachrichten rissen im Juni tatsächlich nicht ab: Die Impfquote stieg, die Anzahl der Corona-Kranken sank, die Bettenbelegung in den Spitälern nahm drastisch ab und die Öffnungsschritte wurden vorangetrieben. Der Sommer scheint – wie im Vorjahr auch schon – eine Zeit der Unbeschwertheit zu werden. Nichtsdestotrotz ziehen am Horizont auch bedrohliche Gewitterwolken auf. Die sogenannte Delta-Variante des Coronavirus lässt die Experten bereits Alarm schlagen. In manchen Ländern, etwa in Großbritannien, steigen die Zahlen der Neuerkrankungen wieder sprunghaft an. Gut möglich also, dass auch Österreich spätestens im Herbst von einer neuen Welle heimgesucht werden könnte.

Spar marschiert weiter
Doch das ist momentan noch Zukunftsmusik. Aktuell beschäftigen wir uns noch mit dem ersten Halbjahr. Zumindest für die ersten fünf Monate des Jahres liegen NielsenIQ-Marktzahlen vor, die ein interessantes Bild auf die Entwicklung des LEH im zweiten Pandemie-Jahr werfen. Nach fünf Monaten zeigt sich ein Bild, das für beide großen Vollsortimenter sehr positiv ist. Beginnen wir mit dem Marktführer. Spar hat im Ausnahmejahr 2020 alles richtig gemacht und mit einer offensiven Preis- und Expansionspolitik die Marktführerschaft nicht nur erobert, sondern auch ausgebaut. Am Ende des Jahres erreichte die Tanne 34,6 Prozent und ließ den ehemaligen Branchenprimus Rewe um 1,3 Prozent hinter sich. Im ersten Halbjahr 2021 konnte Spar weiter zulegen – nämlich im Vergleich zum Gesamtjahr 2020 um 0,9 Prozentpunkte – und hält jetzt bei einem Marktanteil von 35,5 Prozent. Das ist ein absoluter Rekordwert im österreichischen LEH, der sich wahrlich sehen lassen kann.

Rewe startet Comeback
Aber der Mitbewerb schläft nicht. Denn die Zahlen der ersten fünf Monate zeigen deutlich, dass Rewe den Abwärtstrend nicht nur gestoppt hat, sondern das Comeback voll angelaufen ist. Hielten die Wiener Neudorfer am Jahresende noch bei einem Marktanteil von 33,3 Prozent, so kommen sie nach fünf Monaten auf 34,1 Prozent, was einem Zuwachs von 0,8 Prozent entspricht. Das bedeutet auch: Während Spar im Vorjahr Rewe noch kräftig davonzog, konnte die Tanne heuer den Vorsprung nur mehr minimal, nämlich um 0,1 Prozentpunkte ausbauen. Dass die beiden Rivalen wieder fast gleich schnell wachsen – Spar um 0,9 und Rewe um 0,8 Prozentpunkte – liegt aber nicht an der Spar-Performance, sondern vor allem an der Rewe-Performance. Denn Rewe-Vorstand Marcel Haraszti hat aus den Lehren des Vorjahres die richtigen Schlüsse gezogen. Mit massiven Preissenkungen bei Billa, die schon im Vorfeld der Merkur- Umstellung auf Billa-Plus angelaufen sind, konnte Haraszti das Ruder herumreißen. Unter anderem wurden 2.000 Regalpreise dauerhaft gesenkt. Im LEH gilt halt immer noch: Niedrige Preise bringen Marktanteile. Selbst bei Spar zeigt man sich von der Rewe- Performance in den ersten fünf Monaten nicht unbeeindruckt. Ein hochrangiger Manager sagte mir hinter vorgehaltener Hand: „Respekt vor dem Zuwachs – auch wenn sie unsere Preisstrategie aus dem Vorjahr mehr oder weniger übernommen haben.“ Manchmal ist gut kopiert halt besser als schlecht erfunden. Trotzdem bleibt gerade der Blick auf die Rewe-Zahlen spannend: Denn in den nächsten Monaten wird sich zeigen, wie nachhaltig sich die Billa Plus-Umfirmierung in den Marktanteilen niederschlagen wird.

Diskonter verlieren stark, aber ...
Jetzt fragen Sie sich sicher: Wer sind denn nun die Verlierer der ersten fünf Monate? Denn die Marktanteilsgewinne der beiden Großen müssen ja irgendwo herkommen. Die Antwort auf diese Frage lautet: Hofer und Lidl. NielsenIQ weist die beiden Diskonter bekanntlich gemeinsam aus. Und zufrieden können sie mit dem Ergebnis sicher nicht sein. Am Jahresende 2020 hielten die beiden noch bei einem Marktanteil von 24,9 Prozent. Fünf Monate später sind es nur mehr 23,7 Prozent. Das entspricht einem Rückgang von 1,2 Prozentpunkten. Minus 1,2 Prozentpunkte in nur fünf Monaten – man darf gespannt sein, mit welchen Strategien Hofer und Lidl hier die Trendwende einläuten wollen. Wobei: Womöglich haben die Diskonter die Trendwende schon geschafft. Das zumindest legen die Marktzahlen vom Mai nahe. Hier kommen Hofer und Lidl bereits wieder auf 24,9 Prozent. Sie sind im letzten Betrachtungsmonat somit wieder auf dem Stand vom Gesamtjahr 2020. Der Verdacht liegt nahe, dass die Diskonter sich im harten Lockdown schwertun und besser performen, wenn das Land wieder geöffnet ist. Oder anders formuliert: Im Lockdown zieht es die Konsumentinnen und Konsumenten eher zu den Vollsortimentern hin.

Wonnemonat Mai
Auch bei Spar und Rewe lohnt sich der Blick auf die Marktzahlen für Mai. Im Mai kam Spar auf 34,7 Prozent und Rewe auf 33,5 Prozent. Beide konnten im Vergleich zur Fünf- Monats-Wertung also nochmals leicht zulegen. Rewe wuchs hier sogar leicht stärker als Spar. Hier dürfte vor allem die starke Medienpräsenz, also die mediale Berichterstattung rund um Billa Plus, eine Rolle gespielt haben. Im Mai trennten Spar und Rewe nur mehr 1,2 Prozentpunkte. Zur Erinnerung: Im Gesamtjahr 2020 waren es noch 1,3 Prozentpunkte gewesen. Und auf die ersten fünf Monate gerechnet betrug der Abstand 1,4 Prozent. Bei Rewe kann man nicht nur mit der bisherigen Jahres-Performance, sondern besonders auch mit der Mai-Performance sehr zufrieden sein. Der Medienrummel rund um die Billa-Plus- Einführung im April hat im Mai offenbar den Umsatz angekurbelt. Der eingeschlagene Weg scheint also der richtige zu sein, die Strategien beginnen langsam zu greifen. Der große Verlierer im Mai steht damit aber auch fest: Es war der restliche Lebensmittelhandel. Es waren die kleineren Player. So wie es aktuell aussieht, scheint Spar heuer nicht mehr der Konkurrenz zu enteilen. Doch bis zum Jahresende ist noch eine Menge Zeit. KEYaccount bleibt auch in der zweiten Halbzeit dran und wird das Match um die Marktanteile auch in den kommenden Monaten für Sie journalistisch begleiten.