COVERSTORY | KEYACCOUNT 01/2021

Wohin geht die Reise im Jahr 2021

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 26.01.2021 - 09:39

Was sind die großen Trends der kommenden Monate? KEYaccount hat bei den zwei mächtigsten Männern im heimischen LEH nachgefragt: bei dem neuen Spar-Vorstandsvorsitzenden Fritz Poppmeier und bei Rewe-Vorstand Marcel Haraszti.

Das Jahr 2020 war wie kein anderes Jahr in der österreichischen Handelsgeschichte. Die Pandemie krempelte nicht nur das Land und die Branche völlig um, sie bescherte den Lebensmittelhändlern auch Rekordumsätze. Mit Ende Dezember stand ein historisches Plus von 10,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu Buche. Das zeigen aktuelle NielsenIQ-Zahlen, die KEYaccount exklusiv vorliegen. NielsenIQ? Ja, das wichtigste Marktforschungsunternehmen für die Branche firmiert seit 2021 unter einem neuen Namen. Die Hintergründe dazu lesen Sie in dieser Ausgabe auf Seite 9. Doch zurück zum Rekordjahr. Nach dem Ausnahmejahr 2020 lautet auch in der Branche die bange Frage: Wann kommt endlich die Rückkehr zu jenem Zustand, den man etwas unbeholfen „die Normalität“ nennt? Die schlechte Nachricht zuerst: Es wird noch dauern. Denn zumindest für die ersten Monate des Jahres wird uns Corona weiter fest im Griff haben. Oder anders formuliert: Das lange Jahr 2020 wird bis weit ins Jahr 2021 hinein dauern. Doch die ersten Chargen an Impfungen sind ausgeliefert. Schleppend, aber doch beginnt auch in Österreich der lange Weg der Immunisierung. Dass die Bundesregierung nicht prioritär die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Supermärkten impft, ist eigentlich ein Skandal. Die ganze Pandemie über haben die Handelsangestellten ihre Köpfe hingehalten, um die Versorgung der Bevölkerung zu gewährleisten, und nun werden sie impftechnisch im Regen stehen gelassen.

Spar: Belegschaft zur Impfung bewegen

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Fritz Poppmeier, Spar-Vorstandsvorsitzender © Spar/evatrifft

Und trotzdem: Der Handel ist für die Zukunft bereit. Was wird 2021 bringen? Wo orten die Experten die großen Trends im LEH? Eine der augenscheinlichen Veränderungen, die das neue Jahr bringt, betrifft eine Personalie. Gerhard Drexel war rund zwei Jahrzehnte das Gesicht der Tanne. Mit Jahresbeginn übergab er den Vorstandsvorsitz an Fritz Poppmeier und wechselte in den Aufsichtsrat des Unternehmens, wo er nun den Vorsitz innehat. Spar blickt auf das erfolgreichste Jahr der Unternehmensgeschichte zurück. Wird man das hohe Niveau halten können? Welche Auswirkungen wird Covid auf den Geschäftsverlauf im Jahr 2021 haben? Ich habe bei Fritz Poppmeier nachgefragt. Alles hänge jetzt auch davon ab, wie wir mit der Impfung vorankommen und wie schnell das in der Bevölkerung positive Energien freisetze, sagt Poppmeier. Und der frischgebackene Vorstandsvorsitzende weiter: „Unser gemeinsames Ziel muss sein, möglichst viele Mitarbeiter zur Impfung zu bewegen. Die Lebensmittelbranche ist eine starke Branche, Händler gemeinsam mit Erzeugern. Wenn wir alle mithelfen, unsere Mitarbeiter zur Impfung zu motivieren, können wir viel erreichen.“ Klar, das Geschäft im LEH läuft, trotzdem hat Spar auch zu kämpfen – man denke nur an die Spar-Einkaufszentren, die von der SES Spar European Shopping Centers gemanagt werden. Poppmeier: „Wir spüren vor allem aus dem Bereich der Shoppingcenter eine sehr angespannte Lage bei einigen Branchen, allen voran die Textil- und Schuhbranche und die Gastronomie. Dies treibt die eh schon hohe Arbeitslosenquote und ein Kaufkraftschwund wird bemerkbar werden. Der Lebensmittelhandel spürt zwar Kaufkraftschwankungen nicht ganz so stark wie andere Branchen, aber zu spüren wird es sein, vor allem im Vergleich zum Vorjahr.“

Und wie sieht es mit den Trends im LEH aus? Poppmeier bestätigt, dass gerade die Produkte aus biologischer Landwirtschaft aktuell durch die Decke gehen. „Dieser Trend wird sicherlich anhalten“, ist er sich sicher. Das treffe auch für regionale Produkte und für zuckerreduzierte Produkte zu, so Poppmeier weiter. „Gesunde, saubere Lebensmittel mit sicherer Herkunft werden von den Konsumenten gefordert, gerade wenn sich die Umwelt unsicher darstellt. Hinter den Kulissen schreitet der Trend zur Digitalisierung weiter voran“, so der Spar-Vorstandsvorsitzende.

Optimismus bei der Rewe

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Marcel Haraszti, Rewe-Vorstand © REWE International

Auch beim großen Spar-Rivalen Rewe steht 2021 die fortschreitende Digitalisierung im Fokus. Gegenüber KEYaccount sagt Rewe-Vorstand Marcel Haraszti: „Im digitalen Bereich sehen wir eine starke Entwicklung, so ist beispielsweise die Nachfrage im Billa Online Shop seit dem ersten Lockdown um rund 80 Prozent gestiegen – mit weiterem Trend nach oben.“ Haraszti versteht das Digitalgeschäft als Ergänzung und Erweiterung des stationären Handels: „Ganz aktuell ist die 500. Billa Click & Collect Filiale in Österreich ans Netz gegangen, wo die Kundinnen und Kunden online bestellte Waren in der Filiale ihrer Wahl selbst abholen können.

Einen weiteren Trend sieht der Rewe-Vorstand eindeutig in Richtung Bio und Produkte aus der Region. „Allein bei Billa finden sich 62.000 Tonnen heimisches Obst und Gemüse im Angebot und Hunderte Lieferanten beliefern unsere Märkte mit mehr als 7.000 regionalen Produkten. Wir freuen uns, auch in Zukunft diesen Bereich auszubauen und weitere Partnerschaften mit lokalen Lieferantinnen und Lieferanten einzugehen“, sagt Haraszti. Das Krisenjahr 2020 habe aufgezeigt, wie wichtig es sei, strukturell und personell richtig aufgestellt zu sein, ist sich Haraszti sicher. „Dadurch konnten wir trotz der volatilen Situation und der Zusatzbelastungen unseren Auftrag, Österreich mit Lebensmitteln zu versorgen, zuverlässig erfüllen und waren in der Lage, unseren bestehenden und sogar vielen neuen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern einen sicheren Arbeitsplatz zu bieten.“ Bei Pro­gnosen für 2021 ist der Rewe-Manager vorsichtig: „Angesichts der nach wie vor schwierigen und sich laufend ändernden Situation ist es unmöglich, eine seriöse Prognose abzugeben. Doch die vergangenen Monate stimmen mich optimistisch: Wir haben gezeigt, dass wir in Krisenzeiten unsere Kundinnen und Kunden bestmöglich versorgen und ein Stück Normalität im Alltag geben können. Diesen Auftrag werden wir weiterhin erfüllen – auch wenn Covid einmal Geschichte sein wird.“

Die beiden größten Player blicken auf ein für die Branche schwieriges, aber trotzdem ungemein erfolgreiches Jahr zurück. Das dürfte allen Branchenteilnehmern Hoffnung geben, dass auch 2021 erfolgreich sein wird. Ein erneut zweistelliger Umsatzzuwachs erscheint aber illusorisch. Auch die heimischen Produzenten können mit Optimismus nach vorne blicken: Zwar fällt die Gastronomie als Abnehmerin noch aus, dafür bleibt der LEH ein verlässlicher Absatz-Partner.  Nun fehlt nur noch die Impfung. Aber auch die wird in den kommenden Monaten für breite Teile der Bevölkerung kommen. Es gibt – endlich – Licht am Ende des Tunnels.