coverstory-interview | keyaccount 21/2020

"Wir haben uns besser als unsere Mitbewerber geschlagen."

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 16.11.2020 - 13:29
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Dipl.-Betriebswirt Harald Bauer (Mitglied dm-Geschäftsführung)
© dm

KEYaccount: Ein Umsatzplus von 1,6 Prozent. Wie zufrieden sind Sie angesichts der Umstände mit dem Jahresergebnis 2019/2020?
Harald Bauer: Zuallererst empfinde ich Demut. Vor vielen Jahren wurde die Entscheidung getroffen, dass wir Güter des täglichen Bedarfs anbieten. Diese Entscheidung hat dazu geführt, dass wir auch während des ersten Lockdowns offenhalten durften. Unser Geschäftsjahr beginnt im Oktober. Das heißt, wir hatten bis zum Lockdown im März fünf Monate, in denen das Geschäft sehr gut gelaufen ist. Jetzt könnte man natürlich sagen: Mein Gott, was wäre das für ein schönes Jahr geworden, wenn das alles nicht gekommen wäre. Aber solche Überlegungen sind ist vollkommen fehl am Platz. Wie müssen dankbar dafür sein, dass wir überhaupt so eine Umsatzentwicklung haben konnten und dass wir uns – wie auch schon in den Jahren zuvor – besser als unsere Mitbewerber geschlagen haben. Ganz wichtig: Ich bin dankbar dafür, für das, was unsere Mitarbeiter geleistet haben. Das war vorbildlich! Viele unserer Mitarbeiter haben gesagt: Gerade in dieser schwierigen Zeit sind wir für unser Unternehmen da.

Sie betreiben ja auch 165 Friseur- und 111 Kosmetikstudios. Die mussten während des Lockdowns geschlossen werden. Wie sehr hat das Ihr Ergebnis belastet?
Die sechswöchige Schließung hat uns sehr getroffen. Mit unseren Friseur- und Kosmetikstudios machen wir in etwa zehn Prozent unseres Gesamtumsatzes. Das sind im Monat immerhin rund acht Millionen Euro, die uns gefehlt haben. Aber auch nach dem Lockdown gab es eine deutliche Abschwächung bei der Frequenz in den Friseur- und Kosmetikstudios. Dieses Geschäft hat sich leider noch immer nicht ganz erholt.

Hatten Sie während des ersten Lockdowns auch mit Lieferengpässen zu kämpfen?
Ja, das muss man offen sagen – wir hatten Lieferengpässe. Wie haben durch unser Dauerpreissystem sehr geglättete Warenströme. Wir haben gut ausgestaltete Lieferprozesse und können dadurch hart am Wind segeln, was unsere Bestände angeht. Das heißt, wir können ganz gut Präsenzlücken vermeiden, weil wir voraussehen können, wie sich der Abverkauf entwickeln wird. Außerdem haben wir eine vergleichsweise hohe Drehung und hatten deshalb nicht so hohe Überbestände wie vielleicht andere Marktteilnehmer. Was wir verfügbar hatten, haben wir also sehr schnell in die Filialen gebracht. Dann sind wir leider auf die Lieferengpässe bei manchen Partnern aus der Industrie gestoßen.

Wie kann man diese Engpässe in der Zukunft vermeiden?

Wir sind gerade dabei, das sehr deutlich mit unseren Industriepartnern nachzubesprechen. Bei manchen war nämlich auffällig, dass die Abverkäufe bei unseren Mitbewerbern lustig weitergegangen sind. Hier dürfte es also schon noch Verfügbarkeiten gegeben haben. Aber da hat es vielleicht eine Rolle gespielt, dass wir nicht zu einem großen Lebensmittelhandelskonzern gehören.

Das klingt unerfreulich.
Ja.

Weil Sie den Lebensmittelhandel erwähnt haben: Wie sehr hat es Ihnen wehgetan, dass die Konsumentinnen und Konsumenten Ihre Drogerieartikel vermehrt im LEH gekauft haben?
Das war genau das Phänomen, mit dem wir im ersten Lockdown zu kämpfen hatten. Jetzt, während des zweiten Lockdowns, ist das übrigens nicht so. Ich sehe das mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Weinend, weil der LEH als großer Mitbewerber einfach den Drogeriefachhandel abgezogen hat. Lachend, weil wir innerhalb des DFH derjenige Marktteilnehmer waren, dem am wenigsten weggenommen wurde. Darum konnten wir dank unserer treuen Kunden unseren Marktanteil auch ausbauen.

Putz- und Reinigungsmittel sollen sich während des Lockdowns gut, Körperpflegeprodukte weniger gut verkauft haben. Entspricht das ungefähr Ihren Erfahrungen?
Es gibt hier kleine, aber feine Unterschiede: Mascara etwa hat sich besser verkauft, Lippenstifte weniger gut. Der Grund: Die Augen sieht man trotz Maske, die Lippen aber nicht. Insgesamt ging der Trend mehr in Richtung Pflegeprodukte und weg von der dekorativen Kosmetik.

Sie steuern von Salzburg aus auch die Italien-Expansion. Dieses Land war vor allem zu Beginn der Pandemie so stark betroffen wie kein zweites europäisches Land. Wie sehr war dm von der italienischen Corona-Katastrophe betroffen?
Ja, natürlich waren wir massiv betroffen. Wir hatten eine komplette Überplanung der Filialumsätze. Wir konnten aber davon profitieren, dass wir in Italien auf einem sehr hohen Niveau gestartet sind. In Italien haben wir den zweithöchsten Durchschnittsumsatz in den Filialen aller verbundenen Länder – gleich hinter Österreich. Wir sind dort zwar im Lockdown tief gefallen, konnten das aber über das ganze Jahr gesehen gut aussteuern.
Sie haben die Preise heuer trotz Pandemie halten können. Wie wichtig war Ihnen das?
Das war uns ein ganz wichtiges Signal. Leider waren unsere Industriepartner nicht ganz so vorbildlich. Die haben ihre Preiserhöhungen weiter durchgezogen. Es gibt kein deutlicheres Bild für die dm-Philosophie als das, was wir heuer mit den Preisen gemacht haben. Der normale Schritt als Händler wäre folgender gewesen: Wenn der Umsatz nicht kommt, geht man mit den Preisen rauf. Wir haben gesagt: Nein, wir machen das anders. Das sind wir unseren Kunden schuldig. Darum haben wir die Preise im ersten Quartal nur minimal erhöht und im dritten Quartal sogar um 0,5 Prozent gesenkt.  Eine Preissenkung bei steigenden Einkaufspreisen – da kann man sich die Folgen ausrechnen. Das ist ein Investment im mehrstelligen Millionenbereich.

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