coverstory | keyaccount 20/2020

Warum Spar dem Mitbewerb davonläuft

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 02.11.2020 - 10:57
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© Hannes Eisenberger

Die aktuellen Nielsen-Zahlen für September 2020 liegen vor und zeigen: Ein Erdrutsch jagt den nächsten. Im Vergleich zum September 2019 konnte Spar um unglaubliche drei Prozentpunkte zulegen. Rewe und vor allem Diskonter mussten im selben Zeitraum Federn lassen. KEYaccount ist der Frage nachgegangen, was Spar anders als der Mitbewerb macht.

Die Nielsen-Zahlen für September liegen vor. Und als ich sie das erste Mal gesehen habe, bin ich einen Moment lang von einem Rechenfehler ausgegangen. Da Nielsen aber bekanntlich keine Fehler macht, war schnell klar: Das unberechenbare Pandemie-Handelsjahr 2020 ist um ein spektakuläres Kapitel reicher. Im Vergleich zum September 2019 konnte Spar im September 2020 um ganze drei Prozentpunkte zulegen. In einer Branche, in der Verschiebungen im Zehntelprozentpunkte-Bereich schon für Erschütterungen sorgen können, ist ein Zuwachs in dieser Höhe ein echter Erdrutsch. Damit konnte Spar seinen Erfolgsrun auch im September fortsetzen. Unterm Strich kam Spar im September auf einen Marktanteil von 34,7 Prozent. Zum Vergleich: Vor genau einem Jahr hielt die Tanne noch bei 31,7 Prozent. Weniger gut ist es für den Mitbewerb im September gelaufen. Rewe verlor im Jahresabstand 0,9 Prozentpunkte und hielt im September einen Marktanteil von 33,4 Prozent. Noch härter traf es die Diskonter: Lidl und Hofer büßten im September gleich 1,7 Prozentpunkte ein und fielen von 26,4 auf 24,7 Prozent.

Spar kaum einholbar

Wenn man sich nun ansieht, wie es in der akkumulierten Jahreswertung steht, dann zeichnet sich nach neun Monaten schon ein sehr deutliches Bild ab. Spar ist ganz klar vorne und wird sich den Gesamtsieg wohl nicht mehr nehmen lassen. Nach neun Monaten hält Spar bei einem Marktanteil von 34,2 Prozent und liegt einen ganzen Prozentpunkt vor dem Verfolger Rewe, der bei 33,2 Prozent steht. Die beiden Diskonter Lidl und Hofer kommen zusammen auf einen Marktanteil von 25,2 Prozent. Wer sich nun fragt, wo Penny liegt, dem sei gesagt, dass die Zahlen des drittgrößten Diskonters von Nielsen in die Rewe-Zahlen integriert werden.

Eine Offensive in der Krise

Angesichts dieser Zahlen habe ich bei Gerhard Drexel telefonisch nachgefragt. Was macht Spar anders als der Mitbewerb? Für den scheidenden Spar-Vorstandsvorsitzenden – er übergibt die Geschäfte mit Jahresbeginn an Fritz Poppmeier – ist die Übernahme der Marktführerschaft die Krönung eines Lebenswerks. Dass die Wachablöse ausgerechnet in diesem Annus horribilis 2020 über die Bühne gegangen ist, schmälert die Leistung keinesfalls. Eher im Gegenteil. „Wir haben speziell zu Beginn der Corona-Krise gemerkt, dass einige Lieferanten in eine Art Schockstarre gefallen sind. Wir bei Spar haben hingegen gleich gesagt: Wir gehen gerade jetzt in die Offensive.“

Das magische Spar-Dreieck

Spar konzentrierte sich in den drauffolgenden Monaten noch stärker auf das „magische Dreieck“, wie Drexel jene drei Bereiche bezeichnet, die das Fundament des Spar-Erfolgs sind. Dabei handelt es sich erstens um das Sortimentsmanagement, zweitens um Marketing und Werbung und drittens um die vertriebliche Umsetzung. Beim Sortimentsmanagement wurde zum einen die Eigenmarken-Range stark ausgebaut. „Allein im ersten Halbjahr haben wir 280 neue Eigenmarken entwickelt. Am Jahresende werden es sogar 600 sein“, sagt Drexel, der in der Vergangenheit immer wieder auch Kritik für seine bedingungslose Private Label-Politik einstecken musste. Die Kritikerinnen und Kritiker sind inzwischen verstummt. Der Erfolg hat Drexel und der Spar recht gegeben. Aber auch die Zusammenarbeit mit den Lieferanten habe sich verändert, betont der Spar-Vorstandsvorsitzende. „Wir haben vor allem die Zusammenarbeit mit jenen vornehmlich österreichischen Lieferanten forciert, die unter dem Einbruch des Gastronomie- und der Hotelleriegeschäfts gelitten haben, also etwa mit Bierbrauern, Winzern, Molkereien oder mit Spirituosen-Herstellern.“ Zum einen habe man mit zeitlich begrenzten Aktionen das Geschäft angekurbelt, zum anderen habe man Produkte gelistet, die vorher nicht im Sortiment waren, so Drexel. Der Spar-Chef nennt als Beispiel etwa Ein-Liter-Joghurt-Kübel, die es vorher nur im Gastrogroßhandel gegeben hat. Zudem hat Spar laut Drexel die Werbeausgaben ausgerechnet in der Coronazeit demonstrativ erhöht.

Umsatzplus von fast 20 Prozent

Eine Investition, die sich auf alle Fälle ausgezahlt hat: „Der September 2019 war im Vorjahr einer unserer schlechtesten Monate, der September 2020 ist heuer unser bester. Im Vergleich zum September 2019 sind im September 2020 unsere Umsätze um knapp 20 Prozent gestiegen.“ Eine 20-prozentige Umsatzsteigerung könnte man jetzt noch als einmalige Anomalie abtun. Aber auch im Zeitraum von Anfang Jänner bis Ende September beträgt die Umsatzsteigerung immer noch 15 Prozent. „Diese Umsatzsteigerung kommt nicht nur uns, sondern auch unseren Lieferanten zugute“, sagt Drexel. Für das Gesamtjahr ist er zu Recht siegessicher. Einen Vorsprung von einem ganzen Prozentpunkt in den verbleibenden drei Monaten zu verspielen, ist kaum vorstellbar – zumal sich das Spar-Wachstum eher beschleunigt als verlangsamt. „Da müsste schon eine Katastrophe passieren“, sagt Drexel, für den der Geschäftsverlauf des Jahres 2020 eine besondere Genugtuung ist. Immerhin ist sein letztes Jahr als Vorstandsvorsitzender der Spar-Gruppe sein erfolgreichstes.