schwerpunkt: online

Online rollt der Rubel

Ein Artikel von Johannes Lau | 16.11.2020 - 13:45
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Es ist November, der Lockdown ist zurück. Und wenn man wieder angehalten ist, möglichst zu Hause zu bleiben, schlägt erneut die Stunde des Onlinehandels. Im Frühjahr, als die Maßnahmen noch etwas rigoroser waren, rissen die Konsumenten bereits den Netzkaufleuten die Produkte aus den virtuellen Regalen. Daher ist damit zu rechnen, dass der hiesige Onlineverkauf heuer einen satten Zuwachs verzeichnen wird. Aber bereits im Vorjahr konnte die Branche zufrieden sein, wie Martin Sonntag berichtet – Obmann des Bundesgremiums des Versand-, Internet- und allgemeinen Handels der Wirtschaftskammer (WKO) und Geschäftsführer der MSV Handels- & Dienstleistungs GmbH: „Wie in den Jahren zuvor haben wir 2019 eine moderate Steigerung verzeichnet. Manche haben sich stärker verbessert, manche weniger. Aber über den Daumen hatten wir ein Wachstum von sieben Prozent.“ Insbesondere Freizeitartikel werden weiterhin verstärkt von zu Hause aus gekauft, wie etwa Sportartikel und Bücher. „Den 27. Fernseher pro Haushalt wird es nicht spielen. Da gibt es eine gewisse Sättigung“, schmunzelt Sonntag. „Aber im Hobby-Bereich hat es bis jetzt viel Wachstum gegeben.“

Überzeugte Skeptiker

Zeit für seine Hobbys hatte man ab Mitte März schließlich viel mehr. Auch deshalb ist der Onlinehandel wohl in der Zeit des Lockdowns durch die Decke geschossen. Hinzu kam, dass seinerzeit der stationäre Handel nur noch Lebensmittel und Produkte für den täglichen Bedarf angeboten hat. Das hat dazu geführt, dass nun auch Kunden die Onlineshops beehrten, die sich dem virtuellen Konsum bisher verweigert hatten. „Menschen, die vorher nie online gekauft haben, mussten bei Bedarf im ersten Lockdown darauf ausweichen“, erklärt Sonntag. Der WKO-Obmann betont aber, dass diese Skepsis nicht so sehr mit dem Alter der Konsumenten zu tun habe: „Wie technikaffin jemand ist, das ist keine Frage der Generationszugehörigkeit, sondern der Lebenseinstellung.“ Und diese Haltung konnte die Branche offenbar bei vielen ändern: Denn aus dem in der Not geborenen kurzen Flirt mit dem Onlinehandel seien viele neue, stabile Kundenbeziehungen entstanden: „Skeptiker haben gesehen, dass das doch funktioniert und seriös abläuft und man seine Ware bekommt.“ So konnte die ganze Branche dazugewinnen und nach dem verständlichen Abflachen des Umsatzes nach den ersten Lockerungen dennoch eine Steigerung auch über den Sommer erhalten.

Im ersten Lockdown sei die größte Herausforderung gewesen, angesichts der gestiegenen Nachfrage Mitarbeiter zu finden: Das AMS war natürlich mehr mit anderen Themen wie der Kurzarbeit beschäftigt. Die aktuellen Herausforderungen bleiben Sonntag zufolge aber auch die, die es schon vor der Pandemie gab: In diesem relativ jungen Geschäftsfeld können neue gesetzliche Regelungen vieles durcheinander wirbeln – etwa die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), die unlängst viele Händler zu großen digitalen Umbauten zwang. Inzwischen habe die Branche diese Hausaufgabe aber erledigt. Somit könne der hiesige eCommerce-Markt nun insgesamt weiter stetig wachsen.

„Turboboost“ Corona

Laut dem Handelsverband wird er 2020 sogar einen sehr großen Schritt nach vorne machen. Geschäftsführer Rainer Will pro­gnostiziert: „In Österreich wird der Onlinehandel heuer um mehr als 17 Prozent zulegen. Drogeriewaren wachsen um ein Viertel, der Online-Lebensmittelhandel sogar um fast 30 Prozent. Selbst bei Elektronik, Möbeln und Bekleidung haben wir online zweistellige Wachstumsraten.“ Corona sei ganz klar ein „Turboboost“ für den eCommerce in allen Waren- und Altersgruppen: „Am Ende des heurigen Jahres werden wir erstmals einen eCommerce-Anteil am gesamten Einzelhandelsumsatz von mehr als elf Prozent erreichen. Viele heimische Händler haben das Potenzial in den letzten Monaten erkannt und in ihren Webshop investiert – eine gute Entscheidung.“ Und auch wenn der digitale Verkauf weiter von ausländischen Handelshäusern dominiert wird, zeigt sich laut Will online ein deutlich gestiegenes Interesse seitens der Konsumenten am regionalen Einkauf: 2020 ist im eCommerce-Bereich das erste Mal seit mehr als zehn Jahren der Kaufkraftabfluss ins Ausland von 57 auf 54 Prozent zurückgegangen. Will: „Wir erleben hier tatsächlich ein Umdenken. Das ist eine Chance für die 13.500 heimischen Webshops mit Qualität „Made in Austria“ zu punkten.“ Der Handelsverband hat bereits im März mit eCommerce Austria ein eigenes Verzeichnis für heimische Webshops gestartet.

Umsatzvolumen schaufeln

Zahlreiche regionale Onlinehändler versammelt auch Shöpping.at, die eCommerce-Plattform der Österreichischen Post. Seit dem Start im April 2017 habe sich das Geschäft sukzessive wie geplant weiterentwickelt, freut sich Shöpping-Geschäftsführer Robert Hadzetovic: „Seit dem Beginn konnten wir den Umsatz in jedem Jahr verdreifachen und werden das wahrscheinlich auch heuer wieder schaffen.“ Das Weihnachtsgeschäft kommt schließlich erst noch und auch bei Shöpping.at gab es durch Corona einen größeren Zulauf – auf Kunden-, aber auch auf Händlerseite: Inzwischen sind auf diesem eCommerce-Marktplatz über tausend Shops aktiv. „Die Idee war von Anfang an, österreichischen Händlern eine Plattform zu bieten, um sich schnell im eCommerce zu etablieren.“ Die Händler betreiben ihre Geschäfte hier gebührenfrei, lediglich pro Order kassiert Shöpping eine Provision. „Händler, die noch nicht Fuß gefasst haben, erspart das Investitions- und Akquisitionskosten. Und selbst Händler, die bereits länger dabei sind, profitieren von unserer Markenbekanntheit. Bei uns findet man damit Verkäufer unterschiedlicher Größe aus allen Bundesländern und eine entsprechende Produktvielfalt – wie es sich für einen Marktplatz gehört.“ Ein Selbstläufer sei das Geschäft aber auch mit Shöpping nicht. „Es ist eine Herausforderung, eCommerce profitabel zu betreiben, weil sie viel Umsatzvolumen über ihren Kanal schaufeln müssen. Da scheitern viele dran.“ In der Theorie sei ein eCommerce-Kanal schnell eingerichtet, aber in der Praxis ist das Geschäft viel aufwendiger, weil sich aus zahlreichen Aspekten wie Logistik, Verpackung, Kundenservice, Retourenmanagement ein komplexer Zusammenhang ergibt. „Es ist wichtig zu wissen, was man tut.“ Denn um einen Boom am Leben zu erhalten, braucht es kompetente Leute.