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Der BMÖ-Vorstand von links:  Harald Miessner (Vertrieb), Michael Paterno (Insights), Marcel Haraszti, Elke Wilgmann (Consumer), Robert Nagele (Immobilien) und Erich Szuchy (Category Management/ Einkauf).  © Stefan Gergely

Hintergrund

Billa und Merkur verschmelzen zur BMÖ

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 02.07.2020 - 17:24

 

Es ist  ein echter Paukenschlag und die vielleicht wichtigste organisatorische Neuordnung, die die Rewe seit ihrem Markteintritt in Österreich im Jahr 1996 vorgenommen hat. Das Unternehmen bündelt die zentralen Verwaltungseinheiten von Billa und Merkur. In der Praxis bedeutet dieser Schritt, dass Billa und Merkur de facto zu einem Unternehmen verschmelzen, das mit zwei Marken auftritt.  Mit der neuen Organisationseinheit „Billa Merkur Österreich“ (BMÖ) werden künftig beide Supermarkt-Vertriebsformate des Lebensmittelhändlers aus einer Organisation und einem Unternehmen heraus von einem gemeinsamen Vorstand geführt. Wichtig: Auch der Bereich Ware, also das Category Management und der Einkauf sowie die Immobilien werden im Zuge dessen Teil der operativen Einheit. Die Neuaufstellung der BMÖ hat auch gesellschaftsrechtliches Folgen für die Rewe Group in Österreich. Der Betrieb Merkur wird aus der Merkur Warenhandels AG herausgelöst und in die Billa AG überführt.  Penny bleibt eine eigene GmbH. Bipa und Adeg bleiben auch gesellschaftsrechtliche in ihrer derzeitigen Form bestehen.

Für die Konsumentinnen und Konsumenten ändert sich auf den ersten Blick wenig. „Die Marken Billa und Merkur bleiben bestehen“, betont Rewe-Vorstand Marcel Haraszti, Auf den zweiten Blick wird sich aber auch einiges in den Geschäften ändern. Die Sortimente von Billa und Merkur werden ähnlicher werden. Bereits seit einigen Wochen läuft ja bereits die Aktion „Billa zu Gast bei Merkur“, bei der Produkte der Billa-Eigenmarke auch bei Merkur verkauft werden. Die Rückmeldung der Konsumentinnen und Konsumenten sei dabei sehr positiv verlaufen, darum werde man diesen Ansatz ausbauen, bekräftigt Haraszti.

Das ist der BMÖ-Vorstand

Während sich in den Geschäften noch relativ wenig ändert, bleibt hinter den Kulissen kein Stein auf dem anderen. So verschwinden etwa die Geschäftsführungen von Billa und Merkur ganz. Denn auch diese Bereiche werden in die geschaffene BLÖ integriert. Künftig wird das Vollsortimentsgeschäft in Österreich  von einem fünfköpfigen Vorstand geleitet. Dieser wird sich wie folgt zusammensetzen:

*Harald Mießner, bisher Merkur-Vorstand, übernimmt das  entscheidende Ressort Vertrieb, das für regionalisierte Unterstützung der Formate aus einer Hand sorgen wird. 

*Elke Wilgmann, bisher Vorständin der Billa AG wird das Consumer-Ressort verantworten. Darin fallen die Marketingagenden, die Nachhaltigkeit sowie  der Digitalbereich.

*Robert Nagele, bisher Vorstandssprecher der Billa AG leitet das Ressort Immobilien und ist für die Standort-Politik zuständig.

*Erich Szuchy, bisher Mitglied der Geschäftsführung von BILLA CEE, verantwortet das Ressort Category Management/Einkauf. Er beerbt damit die ehemaligen Bereiche Ware I und II. Seine Vorgänger haben entweder das Unternehmen verlassen (Josef Siess) oder gehen in Pension (Alfred Probst). Szuchys Bestellung ist bereits seit ein paar Wochen bekannt –  siehe auch KEYaccount 11/2020.

*Michael Paterno, bisher Bipa-Geschäftsführer leitet das das Ressort Insights. Er soll hier vor allem Instrumente entwickeln, die auf Basis von Datenanalyse genauere Entscheidungen für Sortimente, Markenführung, Vertriebsmaßnahmen ermöglichen.

Jobabbau in der Konzernzentrale

Ein Name der auf dieser Liste fehlt ist Alexandra Draxler-Zima. Die ehemalige Merkur-Vorständin wird nicht im BMÖ-Vorstand sitzen. Sie wechselt in das Ressort von Rewe International AG-Vorstand Christoph Matschke und wird neue Geschäftsführerin der Rewe International Dienstleistungs GmbH. Dort wird sie in der Abteilung „Zentrale Unternehmensorganisation und Finanzen Österreich“ unter anderem für die Bereiche Finanzen, Rechnungswesen, Recht, Prozesskontrolle und Governance aber auch Datenschutz verantwortlich sein. Doch zurück zur BMÖ: Das Vorstands-Team wird an Marcel Haraszti berichten, der zusätzlich zu seinem Job als Rewe-Vorstand nun auch noch Aufsichtsratschef der BMÖ wird  - und somit der starke Mann in Wiener Neudorf bleibt. Mit dem Zusammenlegen der verschiedenen Organisationen und Abteilungen soll eine alte „Rewe-Krankheit“ in Österreich beseitigt werden, nämlich der Reibungsverlust. Ab sofort will man mit nicht nur mit einer Stimme handeln, sondern auch managen, sprechen, einkaufen und vermarkten. Es ist ein ehrgeiziges Ziel, das Haraszti verfolgt, der mit den entscheidenden Playern in der  Kölner Konzernzentrale des deutschen Mutterunternehmens bestens vernetzt ist. Er genießt das volle Vertrauen des Vorstandes der deutschen Rewe Group. Und dieses Vertrauen wird er auch brauchen. Denn der Zusammenlegungs-und Restrukturierungsprozess wird für viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schmerzhaft sein. Mehr als 200 Jobs sollen in der Wiener Neudorfer Konzernzentrale wegfallen. Mit dem Betriebsrat soll das alles bereits abgeklärt sein. Ein Sozialplan steht. Und weil vorhin nicht nur vom BMÖ-, sondern auch vom Rewe-Vorstandsteam die Rede war: Auch hier wird es einen Abgang geben. Franz Nebel geht nach 40 Jahren in Pension. Seine Agenden übernehmen ab Juli Marcel Haraszti und Christoph Matschke.

Sieben Regionalorganisationen kommen

Doch die Gründung der BMÖ hat noch einen weiteren Hintergrund: Haraszti will den Konzern regionaler aufstellen. Zu diesem Zweck werden sieben  regionale Organisationen gegründet. Diese Regionen bekommen eigene Vertriebsteams und jeweils eine Direktorin oder einen Direktor. Dieser Schritt wird von Branchenkennern als besonders ambitioniert gewertet. Denn die Neuaufstellung in sieben Regionen ist sicherlich mit einem beträchtlichen Aufwand organisatorischen verbunden. Haraszti will hier eine weitere Schwäche des Unternehmens beheben: Der große Rivale Spar wird von vielen Konsumentinnen und Konsumenten als „regionaler“ empfunden. Nun will die Rewe also der Tanne auch organisatorisch das Wasser abgraben. Süffisantes Detail am Rande: Ein hochrangiger Spar-Mitarbeiter kommentierte diesen Schritt gegenüber KEYaccount mit Erstaunen: „Die kopieren ja jetzt unsere Organisations-Struktur“. Selbst wenn das zutrifft: Bei Spar sollte man das als Anerkennung sehen. In der Regel werden nämlich Erfolgsrezepte kopiert.   

Die große Frage, die sich jetzt viele Frage: Warum gerade jetzt? Ist die völlige Neuausrichtung eine Reaktion auf den Verlust der Marktführerschaft? Eine Antwort darauf zu geben ist schwierig. Fest steht: Die Restrukturierungsmaßnahmen der Rewe wurden von Haraszti bereits vor zwei Jahren eingeläutet. Die aktuelle Schaffung der BMÖ ist in gewisser Weise nur die logische Konsequenz aus Harasztis bisherigem Handeln. Haraszti selbst sagt: „Mit dieser Reorganisation setzen wir für Österreich einen weiteren wesentlichen Meilenstein unserer Langfrist-Strategie um:  Lag 2018 und 2019 der Fokus auf der Zusammenführung der Systeme – etwa durch die Bündelung von Beschaffung und Category Management in WARE I und II oder den Launch des jö Bonus Club und die damit verbundene Weiterentwicklung in der Kundenbindung – geht es 2020 um die Zusammenführung der Organisationen in eine schlagkräftige und schlanke Verwaltungseinheit BMÖ.“ Trotzdem überrascht die Geschwindigkeit, mit der Umbruch passiert. Der Schock des Verlustes der Marktführerschaft sitzt tief. Kampflos konnte der mächtige Rewe-Vorstand diese Niederlage nicht hinnehmen.

Kampfansage an den Mitbewerb

Wie schnell die Marktführerschaft zurückgewonnen werden kann, bleibt abzuwarten: In den ersten fünf Monaten hatte Spar die Nase vorne. Aber ob das so bleibt? Die ersten fünf Monate 2020 waren auch eine Anomalie in der Geschichte des österreichischen LEH – das sollte in diesem Zusammenhang nicht unterschlagen werden. Das offizielle Langfristziel der Rewe lautet ja wie folgt: bis zum Jahr 2025 sowohl die Nummer eins bei den Kunden als auch Wachstumsführer im LEH sein. Das Wort Marktführerschaft fehlt hier. Und Wachstum soll künftig „nachhaltig“ sein, wie Haraszti nicht müde wird zu betonen. „Darum investieren wir auch in die Kurantpreise. Am Höhepunkt der Coronakrise im April etwa haben wir uns auf die Warenversorgung konzentriert und die Aktionen komplett rausgenommen. Der Mitbewerb ist einen anderen Weg gegangen und das Ergebnis sieht man bei den Marktanteilen“, so der Rewe-Vorstand. Auch wenn er tunlichst vermeidet, Spar beim Namen zu nennen: Wer in der Lage ist, eins und eins zusammenzuzählen, weiß, gegen wen sich diese Spitze richtet.

Das Duell bleibt spannend

Ein Aspekt sollte man im Duell zwischen Spar und Rewe nicht außer Acht lassen. Nicht nur bei Rewe, sondern auch bei Spar stehen große Umbrüche vor. Mit Jahresende endet die Ära Gerhard Drexel. Ab Jänner 2021 wird das neue Vorstandsteam unter Fritz Poppmeier versuchen, Drexels erfolgreichen Weg weiterzuführen. Ob das reibungslos funktionieren wird? Die Zeit wird die Antwort liefern. Aus dem Fußball kennt man ja den Fall, dass sich mit dem Abgang einer Trainerlegende auch der Erfolg verabschiedet. Man denke in diesem Zusammenhang nur an Manchester United und Sir Alex Ferguson. Im österreichischen LEH stellen sich in den kommenden Monaten beide Spitzenteams neu auf. Das Match bleibt spannend. Ach was, das Match wird 2021 spannender denn je zuvor.