COVER-STORY KEYACCOUNT 01-2020

Warum Handelsmanager den Käfig gerade jetzt öffnen wollen

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 22.01.2020 - 06:00
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© Illustration: Hannes Eisenberger

Jahrelang war es still um den Sonntag. Nun hat Spar einen neuen Anlauf gestartet, zumindest an vier bis sechs ausgewählten Sonntagen aufsperren zu dürfen. KEYaccount über die Argumente der Branche und warum ausgerechnet die Salzburger Tanne hier Druck macht.

Von wegen „Am siebten Tag sollst Du ruhen“: Wenn es nach Marcus Wild, dem CEO der Spar European Shopping Centers (SES), geht, dann sollen die Geschäfte auch an ausgewählten Sonntagen – Wild denkt an vier bis sechs pro Jahr – offenhalten dürfen. Der erfahrene Handelsmanager ist sich der Brisanz dieses Vorstoßes bewusst. Leicht wird’s nämlich nicht. Schnell sieht man sich bei diesem Thema hierzulande einer ungewöhnlichen Koalition aus Kammer, Gewerkschaft und Kirche gegenüber. Denn das fast religiöse Dogma vom geschlossenen Sonntag strahlt hierzulande weit über die Kirchturmspitzen und bis hinein in die Büros vieler schwarzer Kämmerer und roter Gewerkschafter. Dabei kann von einem generellen Arbeitsverbot am Sonntag natürlich keine Rede sein. Ob in der Gastronomie, im Tourismus, im öffentlichen Verkehr, im Gesundheitswesen oder in den Medien: Für viele Branchen ist das Arbeiten am siebten Tag der Woche eine zumeist lukrative Selbstverständlichkeit. Auch Handelsbedienstete arbeiten auch am Sonntag, etwa in Tourismusgebieten oder an speziellen Standorten wie an Flughäfen oder in Bahnhöfen.

Kann die Sonntagsöffnung die Ortskerne stärken?

Wild hat nun einen Brief an Vertreter der Wirtschaftskammer geschrieben, der KEYaccount exklusiv vorliegt. Darin begründet er seine Entscheidung, den Ruf des Shopping-Center-Verbands ACSC und des Handelsverbands nach vier bis sechs verkaufsfreien Sonntagen pro Jahr zu unterstützen. Zuerst stellt der SES-Chef fest, dass er eine generelle Sonntagsöffnung ablehnt. Und zwar ohne Wenn und Aber. Vier bis sechs offene Sonntage, so Wild weiter, würden den Kundinnen und Kunden aber die Möglichkeit bieten, den Einzelhandel in den Städten und den Regionen neu zu entdecken. Wild sieht die Sonntagsöffnung auch als Revitalisierungsprojekt für Städte und Regionen. Wild hat sich dabei folgendes Modell vorgestellt: Zum Beispiel könnte jeder 13. Sonntag einer sein, an dem man sechs Stunden arbeitet. Jede Stadt, jeder Stadtteil, jede Einkaufsstraße und jede Region könnte dabei einen anderen Rhythmus, also einen anderen Sonntag, wählen. So böte sich, so Wilds Überlegungen weiter, mithilfe einer geschickten Inszenierung eine Chance, tatsächlich nicht mehr besuchte Orte wieder ins Bewusstsein der Konsumentinnen und Konsumenten zurückzuführen. „Ich bin überzeugt, dass man so etwa die Ortskerne und andere Standorte wirklich stärken kann, wenn sie dann als Handelsstandorte aktuell noch existieren“, so der SES-CEO. Für Wild ist die partielle Sonntagsöffnung also ein Beitrag zur Revitalisierung von Ortskernen.

Einschlägigen Plänen, wonach es in touristischen Zonen, etwa in Wien, eine dauerhafte Sonntagsöffnung geben soll, erteilt Wild hingegen eine Absage. „Das ist tatsächlich eine ,allgemeine Sonntagsöffnung‘ und eine solche qualifiziert damit Standorte in gute und weniger gute in geradezu planwirtschaftlicher Manier. Das wollen wir nicht!“

Was das Internet damit zu tun hat

Warum dem Spar-Manager das Thema so wichtig ist, hat vor allem auch mit dem Siegeszug der Onlineriesen wie Amazon zu tun. Denn im Internet haben die Shops 24 Stunden am Tag und sieben Tage die Woche geöffnet. Der Onlinehandel würde „das System aushöhlen“, warnt Wild. „An Sonntagen ist der Umsatz im Internet um 200 bis 300 Prozent höher als an Wochentagen“, schreibt er weiter. Für Wild steht aber fest, dass eine partielle Sonntagsöffnung „ein gutes Alternativprogramm zum Online-Sonntags-Shopping“ wäre. Wild schließt seinen Brief mit einem Appell: „Daher bitte ich Sie, mit uns darum zu kämpfen, an vier bis sechs Sonntagen offenzuhalten und die Attraktivität unserer Standorte weiterhin in den Köpfen unserer Kunden zu behalten und die Arbeitsplätze im stationären Handel auch künftig zu halten.“

Ob sich Wild Gehör verschaffen wird können, bleibt abzuwarten. Fest steht, dass auch die Wiener ÖVP in Sachen Sonntagsöffnung mobil macht. (...)

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