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GS1 Austria-Experte Manfred Piller. © Katharina Schiffl

GS1 Austria

Warum Verpackungs-Daten künftig wichtig werden

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 19.07.2022 - 12:32

Bis 2030 will die Europäische die Treibhausgasemissionen um mindestens 55 Prozent im Vergleich zu 1990 senken. Um dieses ambitionierte Ziel zu erreichen, wurde der sogenannte Green Deal ins Leben gerufen. Dieser beinhaltet ein umfangreiches Maßnahmenpaket, das in den unterschiedlichsten Bereichen für Verbesserungen sorgen und von den nationalen Regierungen umgesetzt werden soll. Einer dieser Teilbereiche ist das Thema Verpackung. Hier kommt in den kommenden Monaten und Jahren auch auf den heimischen Handel und die Industrie einiges zu. Die vielleicht bekannteste Maßnahme: Ab 2025 wird für Plastikflaschen und Getränkedosen in Österreich ein Einwegpfand gelten. Doch das ist bei weitem nicht die einzige Änderung, auf die sich die Branche vorbereiten muss. KEYaccount sprach dazu mit Manfred Piller, Verpackungsexperte und Bereichsleiter Standards bei GS1 Austria, der wichtigsten österreichischen Datendrehscheibe.

KEYaccount: Wie bereitet sich die Branche in Österreich auf die kommenden Änderungen im Bereich Verpackungen vor?

Manfred Piller: Hier geht es vor allem darum, die Kreislaufwirtschaft zu fördern. Gerade im Kunststoffbereich gibt es den größten Handlungsbedarf. Die Bundesregierung setzt hier gerade eine Reihe an Maßnahmen, um die Vorgaben der EU zu erfüllen. Für die Produzenten ist das zum einen eine Designfrage: Wie müssen Verpackungen gestaltet sein, damit sie optimal recycelt werden können? Es ist aber auch eine Frage der Standards. Dabei stellt sich eine grundsätzliche Frage: Wie kann ich überhaupt eine einheitliche Nachhaltigkeitsbewertung von Verpackung machen? Hier ist vor allem die ECR Austria gemeinsam mit der FH Campus Wien aktiv geworden, die zu den Themen Design und Nachhaltigkeitsbewertungen Empfehlungen erarbeitet hat.

GS1 Austria ist ja eine Datendrehscheibe. Welche Rolle spielt das Thema Daten in der Green Deal-Optimierung der Kreislaufwirtschaft?

Eine extrem wichtige. Um etwaige Maßnahmen umsetzen zu können, müssen erst Daten zum Thema Verpackung verfügbar gemacht werden. Und zwar entlang der gesamten Supply Chain. Aktuell werden diese Daten nämlich in der Regel noch nicht entlang der gesamten Supply Chain geteilt. Genau hier müssen wir ansetzen.

Was bedeutet das in der Praxis?

In der Kette gibt es in der Regel drei Glieder: Die Verpackungshersteller, die Produzenten, die diese Verpackungen verwenden, und die Händler, die wiederum von den Produzenten beliefert werden. Die Infos der Verpackungshersteller gelangen zwar teilweise an die Produzenten, aber in den meisten Fällen nicht bis zu den Händlern. Das führt dazu, dass gewisse Informationen nicht nur nicht bei den Konsumentinnen und Konsumenten, sondern vor allem auch nicht bei den Sammlungs- und Verwertungssystemen landen. Darum haben wir Verpackungshersteller, Produzenten und Handel an Bord geholt und Empfehlungen ausgearbeitet, in denen definiert wurden, wie diese Informationen künftig auszusehen haben. Wir haben etwa Antworten auf folgende Fragen geliefert: Wie detailliert müssen die Verpackungsinfos sein? Wie müssen sie aufbereitet sein? Wohin müssen sie fließen?

Wenn nun fest steht, wie die Daten auszusehen haben, stellt sich natürlich die Frage, wie diese Daten dann konkret geteilt werden, oder?

Diese Daten werden primär über unser Stammdaten-Service GS1 Sync ausgetauscht. Zwischen Lieferanten und Händlern haben wir schon  begonnen, unsere Schnittstellen zu erweitern. Viele Hersteller geben diese Daten bereits strukturiert an den Handel weiter. Schwieriger ist es bei jenen Daten, die von den Verpackungsherstellern zu den Produzenten gelangen sollen.

Abgesehen von der Optimierung der Kreislaufwirtschaft: Welche zusätzlichen Vorteile bringt es künftig den Händlern und den Produzenten, wenn sie die Verpackungsinfos in die Stammdaten mitreinnehmen?

Es geht auch darum, künftige Meldeverpflichtungen zu erfüllen. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Italien will nach einer Verschiebung demnächst eine Plastiksteuer einführen, um so die Green Deal-Ziele besser erreichen zu können. Handelsunternehmen, die auch in Italien aktiv sind, werden künftig diese Steuer abführen müssen und wollen jetzt zum Beispiel wissen, aus welchen Kunststoffen die Verpackung hergestellt wurde. Diese Informationen bekommen sie nun von den Händlern über den Weg des Stammdatenaustauschs.

Was ändert sich für die Unternehmen in Sachen Recyclingkosten?

Hier ändert sich sehr viel. Das Stichwort heißt Ökomodulation. Wer in Österreich eine Verpackung auf den Markt bringt, muss sich ein Sammel- und Verwertungssystem aussuchen. Der große Platzhirsch ist hier die ARA. Aber es gibt auch alternative Anbieter. Bisher musste man als Hersteller für gewisse Menge an Verpackung gewisse Abgaben leisten, um diese zu entsorgen. Künftig wird die Höhe der Entpflichtungsgebühr von der Recyclingfähigkeit abhängen. Je besser eine Verpackung wiederverwertbar ist, desto weniger wird ein Unternehmen zahlen müssen. Dazu benötige ich aber exakte Informationen über die Art der Verpackung, etwa wie viel Prozent recyclingfähig sind. Oder: Wie hoch ist der PET-Anteil? Dafür benötigt man Daten. Diese Infos kommen von den Verpackungsherstellern.

Viele der geplanten Maßnahmen der Bundesregierung im Zusammenhang mit den EU-Vorgaben sind noch gar nicht im Detail bekannt. Eine aber schon, nämlich das Einwegpfand, das 2025 in Österreich kommen wird. Welche Herausforderungen kommen in diesem Zusammenhang noch auf die heimischen Getränkeindustrie und den Handel zu?

Es kommt nicht nur ein Einwegpfand auf Plastikflaschen und Dosen, sondern es kommt auch eine Quote. Bereits ab dem kommenden Jahr muss der Mehrweganteil im Regal eines Händlers mindestens 25 Prozent betragen. Ab 2025 steigt dieser Anteil auf 40 Prozent und ab 2030 sogar auf 55 Prozent. Auch die Plastiksteuer, von der ich vorhin im Zusammenhang mit Italien gesprochen habe, gibt es im Prinzip in Österreich schon. Aktuell wird diese Steuer noch aus dem Bundeshaushalt begleichen und nach Brüssel abgeführt. Künftig wird diese Abgabe aber wohl von den Verursachern des Plastiks bezahlt werden müssen.