Österreichisches Bier

Der Kampf ums Bier

Ein Artikel von Wolfgang Zechner | 05.10.2021 - 09:15
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© Hannes Eisenberger

In der österreichischen Brauereilandschaft fliegen die Fetzen beziehungsweise die Bierkrüge. Die kleinen Brauereien schließen sich zusammen und attackieren die Brau Union und ihr angebliches „Einheitsbier“.

Es ist ein bisschen wie David und Goliath. Nur mit dem Unterschied, dass nicht mit Steinschleudern, sondern mit Untergriffen, Gütesiegeln und juristischen Mitteln gekämpft wird. Denn in Österreich tobt ein Kampf ums Bier. Es ist ein Kampf, der mit ungleichen Mitteln, harten Bandagen und teilweise zweifelhaften Argumenten geführt wird. Dass es in der Bierbranche ein ungleiches Machtverhältnis gibt, kann niemand, der die Branche kennt, ernsthaft bestreiten. Auf der einen Seite steht der Marktführer, die Linzer Brau Union. Das Unternehmen gehört seit 2003 zur Heineken-Gruppe – einem der drei größten Bierkonzerne der Welt. Die Marktmacht der Heineken-Tochter ist beträchtlich. Der Marktanteil in Österreich liegt bei rund 50 Prozent. Im Lebensmittelhandel fällt er dabei deutlich höher aus als in der Gastronomie. Auf der anderen Seite stehen acht kleinere Brauereien (Murauer, Schremser, Zwettler, Freistädter, Hirter sowie Schloss Eggenberg, Trumer und die Mohrenbrauerei), die seit Jahren gemeinsam unter dem Label „CulturBrauer“ auftreten. Nun konnten die CulturBrauer auch Ottakringer und Stiegl für ihre Sache gewinnen. Gemeinsam haben sich diese zehn Brauereien zum „Verein der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs“ zusammengeschlossen und wollen der Brau Union ordentlich einschenken.

Es begann in Fohrenburg …
Doch warum gerade jetzt? Marktbeobachter sind sich einig, dass vor allem ein Ereignis das Bierfass zum Überlaufen gebracht hat: die Übernahme der Vorarlberger Brauerei Fohrenburg durch die Brau Union. Zum Entsetzen des lokalen Vorarlberger Rivalen Mohrenbrauerei hat die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) nämlich die Mehrheitsübernahme der Brauerei Fohrenburg im Vorjahr durchgewunken. Die BWB genehmigte den Deal mit Auflagen. Unter anderem werden die Rabattaktionen der Brau Union in den kommenden Jahren überwacht. Zudem darf die Brau Union fünf Jahre lang keine weitere österreichische Brauerei kaufen. Dennoch sorgte die Tatsache, dass der absolute Marktführer noch eine weitere Brauerei übernehmen durfte, für Entsetzen in der Branche. Das Ergebnis ist der „Verein der Unabhängigen Privatbrauereien Österreichs“, der aus seiner Abneigung gegen den Marktführer kein Hehl macht. Zweck des Vereins sei es, „unabhängige österreichische Privatbrauereien auszuzeichnen“, wie es im Mission Statement auf der Homepage heißt. Ein Herkunfts-Siegel mit der Aufschrift „Österreichische Privatbrauerei – 100% unabhängig“ soll den Kundinnen und Kunden „als Orientierungshilfe dienen und aufzeigen, welche Biere auch tatsächlich aus Österreich stammen“.

Was ist eine Privatbrauerei?
Und weiter heißt es auf der Homepage: „Alle Mitglieder verfolgen gemeinsam das Interesse, sich in der Öffentlichkeit sichtbar als unabhängige österreichische Privatbrauereien von internationalen Großkonzernen abzugrenzen.“ Das klingt für manche Beobachter hart an der Grenze zum Nationalismus. Zumal die Unabhängigkeit auf der Homepage so definiert wird: „Die Mitglieder des ‚Vereins Unabhängige Privatbrauereien Österreichs‘ sind eigentümergeführte österreichische Unternehmen. Sie stehen unter keinem Einfluss internationaler Konzernzentralen. Sie treffen ihre Entscheidungen selbst, ihre Unternehmenssitze sind ausschließlich in Österreich.“ Skurril ist in diesem Zusammenhang, dass auf der einen Seite „gegen Konzerne“ Stimmung gemacht wird und auf der anderen Seite ein Mitglied des Vereins, nämlich Ottakringer, im Internet über die Adresse www.ottakringerkonzern.at erreichbar ist. Auch über die großzügige Verwendung des Begriffs „Privatbrauerei“ ließe sich trefflich streiten. Immerhin ist Ottakringer börsenotiert. Zwar hält die Ottakringer Holding selbst 88,28 Prozent am Unternehmen, dennoch befinden sich aktuell immerhin 11,72 Prozent der Aktien im Streubesitz.

„Einheitsbier“ als Schreckgespenst
Bei der Präsentation der Initiative griff Ewald Pöschko, Chef der Braucommune in Freistadt und Obmann des neuen Vereins, den Marktführer frontal an: „Wenn es so weitergeht, kommen wir in eine Art Monopolsituation“, so Pöschko. „Wir wollen kein Einheitsbier.“ Und Siegfried Menz, der ehemalige Ottakringer-Geschäftsführer und nunmehrige Aufsichtsrat sowie Miteigentümer, wiederholte das Mission Statement des Vereins: „Wir wollen uns von den internationalen Großkonzernen abgrenzen.“ Dass die Brau Union mit den Angriffen keine große Freude hat, ist selbstredend. Vor allem die Doppelrolle von Menz stößt in Linz einigen Managern gehörig auf. Immerhin ist Menz nicht nur Mitglied in dem neu gegründeten Verein, sondern außerdem Obmann des Brauereiverbands. Dass ausgerechnet der oberste Interessenvertreter Stimmung gegen das größte Verbandsmitglied macht, sorgt bei der Brau Union dem Vernehmen nach für Ärger. Andere Marktbeobachter sprechen hinter vorgehaltener Hand von einem „inneroberösterreichischen Konflikt“. Dass ausgerechnet Ewald Pöschko der Obmann des neuen Vereins ist, sei kein Zufall, so ein Kenner der oberösterreichischen Bierszene. Freistadt ist mit dem Auto nur eine gute halbe Stunde von Linz entfernt. Hier würden auch persönliche Feindschaften eine Rolle spielen, so der Brauerei-Insider. 
Nach außen kommuniziert man von Seiten der Brau Union Gelassenheit. „Wir begrüßen die Vielfalt und befürworten eine Zusammenarbeit der Bierbrauer. Wir wollen uns gemeinsam im Brauereiverband für die Interessen der Bierbranche einsetzen, etwa wenn es darum geht, eine Erhöhung der Biersteuer zu verhindern“, sagt etwa Brau Union Geschäftsführerin Gabriela Straka, die außerdem die Kommunikation des Unternehmens verantwortet. Hinter den Kulissen soll es freilich auch bei der Brau Union brodeln. Dem Vernehmen nach soll es gewichtige Stimmen im Unternehmen geben, die sich für eine härtere Gangart im Bierstreit starkmachen. Eine härtere Gangart könnte etwa bedeuten, dass die Brau Union juristische Schritte gegen den neuen Verein einleitet.

Opferrolle und Eigentor
Ob das freilich eine sinnvolle Strategie wäre, ist zu bezweifeln. Die Mitglieder des Verbandes kommen gemeinsam auf einen Marktanteil von gerade mal 28 Prozent. Ein offener Gegenschlag des Marktführers könnte ganz im Sinne des neuen Vereins sein. Dann könnte man das Narrativ vom aggressiven „ausländischen Konzern“ noch stärker streuen und sich selbst als „österreichisches Opfer“ inszenieren. Apropos Strategie: Ein Eigentor hat sich die Brau Union indes mit dem „Linzer Bier“ geschossen. Dieses groß angekündigte, neue Bier wird nämlich noch gar nicht in Linz, sondern in Zipf gebraut. Als der Mitbewerb davon Wind bekam, leitete er sofort juristische Schritte ein. Mit Erfolg – das Unternehmen muss nun die Behauptung unterlassen, dass das Linzer Bier in Linz gebraut wird. Es ist nur eine der vielen Fronten, die sich im großen österreichischen Bier-Streit derzeit auftun.
In der Branche wartet man nun gespannt auf die nächsten Schritte der zehn Brauereien. Was man auch immer von der Initiative halten will: Es ist ein starkes Lebenszeichen der kleineren Marktteilnehmer. Die konzertierte Aktion zeigt auch, dass sie die „Absolute“ der Brau Union nicht länger kampflos hinnehmen wollen. Die Bierkultur lebt im Land. Von einem angeblichen „Einheitsbier“ ist Österreich noch weit entfernt.