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Saure Zeiten für den Zucker

Ein Artikel von Johannes Lau | 04.09.2020 - 10:17
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Die  Zuckerproduktion von Agrana wird bald allein in Tulln fortgeführt. In einer Aussendung des Konzerns wurde die Entscheidung wie folgt begründet: „Der Kampagnenbetrieb 2020 an beiden Standorten ist ökonomisch sinnvoll. Bei gegebenen Rübenanbauflächen ist dies jedoch künftig nicht möglich und daher wurde die Konzentration auf einen Standort beschlossen.“ Denn laut Agrana ist eine Rübenanbaufläche von mindestens 38.000 Hektar nötig, um beide Standorte wirtschaftlich betreiben zu können. Die derzeitige Anbaufläche von 26.000 Hek­tar ist daher deutlich zu wenig. Witterung, Preisverfall und Schädlinge machen es für Landwirte aber immer weniger lukrativ, Zuckerrüben anzubauen. Sollte dem Unternehmen jedoch bis Mitte November keine Erweiterung auf die notwendige Flächenzahl zugesichert werden, ist die Werksschließung endgültig Fakt. Für den 5.100-Einwohner-Ort Leopoldsdorf war diese Ankündigung ein Schock: Laut Bürgermeister Clemens Nagel (SPÖ) stehen 150 ganzjährige und 100 Kampagnen-Arbeitsplätze auf dem Spiel – ein großer Verlust für die Region. Unter der Belegschaft und in der Gemeinde geht daher die Angst um.

Runder Tisch

Der Betriebsratsvorsitzende am Standort, Walter Rotter, hat dennoch Verständnis für die Entscheidung: „Ich kann der Geschäftsführung ja gar nichts vorwerfen – das ist das Schlimme“, räumte er gegenüber dem ORF ein. „Wir bekommen den Rohstoff nicht. Wie soll ich mit 26.000 Hektar Anbaufläche mit zwei Fabriken fahren, wenn wir sonst immer über 40.000 gehabt haben? Ich kann mir einen Ferrari kaufen, aber ohne Sprit wird er nicht gehen.“ Noch besteht aber Hoffnung: Ein vom Agrarministerium am vergangenen Donnerstag zusammengerufener Runder Tisch soll eine Lösung bringen. Zum Redaktionsschluss gab es noch kein Ergebnis. Bei der Ursachenforschung vorab zeigte man sich jedoch uneins. So sei laut Agrarministerin Elisabeth Köstinger (ÖVP) auch das Unternehmen mitverantwortlich für die derzeitige Situation, wie sie im Fachmagazin „Blick ins Land“ verlautbarte: „In den letzten Jahren ist von Seiten der Agrana sehr wenig investiert worden.“ Agrana wies diese Kritik umgehend in einem schriftlichen Statement zurück: Diese Analyse sei nicht nachvollziehbar. Man habe kontinuierlich in die Wettbewerbsfähigkeit beider Zuckerproduktionsstandorte investiert – in den vergangenen fünf Jahren insgesamt 77 Millionen Euro – 43 in Tulln, 34 in Leopoldsdorf. „Was fehlt, ist ausreichend Zuckerrübe.“

Problem Niederschlag?

Die Rübenbauern wiederum fordern zur Ankurbelung der Produktion, dass verstärkt Pflanzenschutzmittel zum Einsatz kommen sollen. Mit dem Verweis auf Notfallzulassungen für Neonicotinoide erklärte die Landwirtschaftsministerin aber, dass dafür bereits ausreichend gesorgt sei: „Italien, Deutschland und Frankreich haben sie nicht. Den Pflanzenschutz hat es in Österreich also gegeben. Ein größeres Problem ist sicher der fehlende Niederschlag.“ Bevor beschlossen werde, wer welchen Beitrag leisten muss, werde man sich aber erst einmal austauschen: „Zuvor geht es darum, sich zusammenzusetzen und gemeinsam über Lösungen zu diskutieren.“ Laut Betriebsrat Rotter seien aber bereits genug Worte gewechselt worden – es sollten jetzt schnell Taten folgen: „Geschaut und geredet haben wir lange genug. Wir brauchen jetzt wirklich eine Perspektive.“