SCHWERPUNKT: BROT UND GEBÄCK | KEYACCOUNT 14-15/2020

Wer nie sein Brot mit Tränen aß…

Ein Artikel von Johannes Lau | 31.07.2020 - 09:52
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Wer morgens schwer aus den Federn kommt, weiß, was er an seinem Bäcker hat: Wenn zu Hause wie so oft keine Zeit fürs Frühstück war, wird hier schnell auf dem Weg zur Arbeit noch kurz die Jause für einen guten Start in den Tag geordert. Ab Mitte März mussten die Bäcker aber auf derartige Kundschaft verzichten: Pandemiebedingt wurde weitreichend im Home-Office gehackelt – der morgendliche Sprint in die Bäckerei vor dem Eintritt ins Büro fiel oft aus. „Ich habe von einigen Kollegen die Rückmeldung bekommen, dass Einschnitte vor allem in den Bürogegenden zu spüren waren“, berichtet Josef Schrott, Bäckerinnungsmeister und Inhaber der gleichnamigen Wiener Bäckerei. Ein weiteres Krisengebiet seien die geschlossenen Einkaufszentren gewesen: Wer dort stark vertreten ist, wie etwa die Bäckerei Felber, den traf der Shutdown hart. Jene Betriebe, die vor allem die Gastronomie belieferten, waren sogar noch stärker betroffen.

Schrott selbst ist aber vor allem im Verkauf tätig – dort lief es anfangs jedoch auch nicht rund: „Ab Mitte März ist kein Stein auf dem anderen geblieben – die erste Woche war sehr dürftig.“ Dafür sei auch die Politik mitverantwortlich gewesen: „Es war schlimm für das Lebensmittelgewerbe, dass die Politik immer nur von Supermärkten gesprochen hat“, kritisiert Schrott. Anstatt zu jammern, habe die Branche das aber selbst in die Hand genommen und die Medienarbeit in eigener Sache forciert: „Wir mussten daran erinnern, dass wir noch da sind.“ Der Ruf wurde von alten und neuen Kunden erhört, sodass anschließend wieder die Konsumenten vermehrt beim Bäcker anstatt im Supermarkt einkauften. Und trotz dieses Schwenks vieler Kunden wurde dort auch weiterhin ein gutes Geschäft gemacht – Betriebe, die auf die Belieferung des LEH spezialisiert sind, mussten ihre Produktion trotzdem weiterhin steigern.

Selbst ist der Kunde

Dadurch, dass so viele Menschen zu Hause bleiben mussten, wuchs bekanntlich auch die Zahl der Hobbybäcker. Wurde durch diesen Do-It-Yourself-Trend den alteingesessenen Produzenten das Wasser abgegraben? Nein, berichtet Schrott – vielmehr haben sich dadurch kurzzeitig neue Geschäftsfelder eröffnet: „Wir haben wieder Hefe verkauft – damit hatten wir eigentlich vor 15 bis 20 Jahren aufgehört. Auch unser Sauerteig wurde verstärkt gekauft.“ Daher betrachtet er den heimischen Backboom nicht als gefährlich, sondern durchaus positiv: „Dadurch sehen die Konsumenten einmal, wie viel Arbeit das ist. So werden auch unsere Preise viel nachvollziehbarer.“

Backaldrin rief den Konsumenten ebenfalls nochmal ins Bewusstsein, was sie an ihren Bäckereien haben. Ende März startete das Unternehmen die Solidaritätskampagne „#gemeinsambackenwirdas“. Denn wenn keiner mehr zum Bäcker geht, bleibt auch ein solcher Großproduzent auf seiner Ware sitzen: „Ein Lieferant lebt von seinen Kunden“, betont Geschäftsführer Harald Deller. „Und wir müssen nun alle zusammenhalten und an einem Strang ziehen, deshalb diese Initiative, die als Unterstützung für alle backenden Betriebe gedacht war. Kernaussage ist, dass der Bäcker ums Eck auch während der Corona-Krise täglich geöffnet hat und frisches Brot und Gebäck herstellt.“ Dort geht es also wie gewohnt weiter, aber als Sorgenkinder sieht auch Deller weiterhin Gas­tronomie und Hotellerie an: „Vor allem jene Kunden in Tourismushochburgen leiden sehr unter den bekannten Umständen und hier ist noch nicht abzusehen, wie das alles wirtschaftlich verkraftet wird.“

Ungewisse Bilanz

Was das alles insgesamt für die eigene Bilanz bedeutet, kann Deller auch noch nicht sagen: „Die Corona-Krise stellt uns in diesem Jahr vor besondere Herausforderungen. Wo wir 2020 liegen werden, kann nicht seriös beantwortet werden.“ Zuletzt lief es in Asten aber sehr gut: Im vergangenen Geschäftsjahr belief sich der Umsatz auf 182 Millionen Euro – womit 2019 als eines der erfolgreichsten Jahre in die Unternehmensgeschichte einging – auch aufgrund eines Exportanteils von stolzen 80 Prozent: Backaldrin ist mit seinen Tochterfirmen und Vertriebspartnern in mehr als 100 Ländern auf allen fünf Kontinenten präsent.

Bei Ölz spricht man ebenso über das Vorjahr in Superlativen: 2019 stand ein Jahresumsatz in Höhe von 206,4 Millionen Euro zu Buche. „Das entspricht einem Umsatzplus zum Vorjahr von 1,8 Prozent und bedeutet den höchsten Wert in der Unternehmensgeschichte“, freut sich Geschäftsführerin Daniela Kapelari-Langebner. Das Markenwachstum fiel mit einem Plus von 6,9 Prozent sogar noch besser aus. Der Exportanteil beträgt derzeit 44,5 Prozent. Hinsichtlich Corona denkt Kapelari-Langebner aber, dass das sich im Frühjahr veränderte Konsumverhalten – trotz Lockerungen – das Jahr weiterhin prägen wird: „Wir gehen davon aus, dass der In-Home-Konsum auch in nächster Zeit auf einem höheren Niveau bleiben wird.“

Vom Bäcker zum Greißler

Das macht natürlich einer hiesigen Größe im Filialgeschäft zu schaffen: Die Ankerbrot GmbH (Jahresumsatz 2019: 111,61 Millionen Euro) betreibt mit ihren Marken Anker und Linauer 130 Standorte. Linauer ist als Gastronomiezulieferer derzeit besonders betroffen. Zwar habe sich die Situation zuletzt wieder etwas verbessert, aber der Home-Office-Trend macht Geschäftsführer Walter Karger durchaus Sorgen: „Wenn beispielsweise auch zukünftig mehr Home-Office stattfindet, kann dies dauerhaft in eine reduzierte Kundenfrequenz münden. Bis und ob unser Umsatz wieder Vor-Corona-Niveau erreichen wird, lässt sich daher erst ,nach Corona‘ – wann immer das ist – abschätzen.“ Den Appetit auf Gebackenes habe Österreich aber auch in der Krise nicht verloren: Statt der frischen Jause waren seit Beginn der Krise verpacktes Brot und Gebäck mehr gefragt, jedoch kurbelte man nicht nur einfach die Produktion in diesem Bereich an, sondern reagierte zudem mit anderen Maßnahmen. Laut Karger wurde etwa das Angebot erweitert: „Ab Mitte März gab es ein erweitertes verpacktes Nahversorgersortiment in allen unseren Filialen. Anker wurde damit in dieser außergewöhnlichen Zeit zum Greißler ums Eck, wo neben frisch gebackenen Spezialitäten auch die wichtigsten Grundnahrungsmittel eingekauft und der schnelle Einkauf im Grätzel erledigt werden konnte.“ Zusätzlich erweiterte man seine digitale Infrastruktur: Anfang April wurde ein Online-Vorbestellservice eingerichtet und bei zwölf ausgewählten Filialen kann man sich seine Backwaren nun via mjam.at nach Hause bestellen. So können Stubenhocker ihrem Bäcker doch noch treu bleiben.